Kindle Paperwhite: Dieser E-Book-Reader leuchtet (Spiegel Online, 11.10.2012)
Kindle Paperwhite
Dieser E-Book-Reader leuchtet
Beleuchteter Touchscreen, hohe Auflösung, enorme Laufzeit: Der Kindle Paperwhite ist rein technisch der bislang beste E-Reader. 140 Euro zahlt man beim Eigenimport aus den USA. Der Test verrät, ob sich das lohnt.
Spiegel Online, 11.10.2012
{jumi [*3]}
In Deutschland ist Amazons neuer E-Book-Reader Kindle Paperwhite nur mit etwas Mühe zu bekommen. Der US-Konzern liefert das Gerät nur an US-Adressen aus, über Umpackdienstleister kann man sich den Paperwhite aber für gut 40 Euro nach Deutschland umleiten lassen. Mit allen Einfuhrgebühren kostet der günstigste Kindle Paperwhite so 139 Euro (Anmerkung: Nach Veröffentlichung dieses Artikels kündigte Amazon an, dass der Paperwhite in Deutschland vom 22.11.2012 an für 129 Euro verkauft wird).
Lohnt sich das?
Vorteile: Bildschirm, Geschwindigkeit, Akku
Außergewöhnlich ist der beleuchtete Bildschirm des Paperwhite. Die LED-Lichtquelle lässt die digitale Tinte hell erstrahlen, man kann auf dem Paperwhite auch im Dunkeln oder bei Dämmerlicht angenehmen lesen. Die Helligkeit lässt sich in 24 Stufen regulieren, der Bildschirm ist gleichmäßig ausgeleuchtet. Nur bei Dunkelheit fällt auf, dass am unteren Rand einige Stellen heller strahlen – das stört beim Lesen aber überhaupt nicht. Hat man einmal mit Hintergrundbeleuchtung gelesen, will man darauf nicht mehr verzichten. Auch am Tag in geschlossenen Räumen ist es angenehmer, auf einem leicht beleuchteten Schirm zu lesen, die Schrift tritt deutlicher hervor, der Hintergrund erscheint weißer, der Kontrast höher.
Vom Licht einmal abgesehen, hat der Kinde Paperwhite einige Vorteile gegenüber anderen Lesegeräten. Die Auflösung ist höher als bei anderen Lesegeräten von Amazon und Sony, die 1024 x 768 Bildpunkte bei 15 Zentimeter Bildschirmdiagonale lassen Schrift und Bilder viel klarer erscheinen. Vergleichbar dürfte mit dem Paperwhite nur der Kobo Glo sein (1024 x 768 Pixel, Hintergrundbeleuchtung), der bislang aber nicht verfügbar ist. Die leicht angeraute Oberfläche des Touchscreens fühlt sich sogar ein wenig an wie Papier.
Eine spürbare Neuerung beim Paperwhite ist der schnellere Bildaufbau – blättert man Seiten um, erscheint die neue sofort, beim Tippen auf dem Touchscreen werden die Buchstaben ohne merkliche Verzögerung gezeichnet.
Das Betriebssystem ist sehr gut auf die Bedienung per Touchscreen abgestimmt: Man kann mit einem Finger durch eine Karussellansicht der Titelseiten kürzlich gelesener Werke wischen und mit einem Tippen auf den Rand vorblättern. Man kann das Lesegerät bequem in einer Hand halten und vorwärts blättern. Rückwärts geht das aber nur mit der linken Hand – mit dem Daumen an der rechten kommt man nicht bis zum schmalen Bildschirmstreifen zum Zurückblättern.
Die Werbeanzeigen auf dem Lesegerät (ein Kindle Paperwhite ohne Werbung kostet 20 Dollar mehr) stören kaum – ist das Gerät ausgeschaltet, erscheint eine Anzeige auf dem Display, man muss sie nach dem Einschalten noch mit einem Fingerzug über das Display wegwischen. Die Akku-Laufzeit konnte ich in anderthalb Tagen normaler Nutzung nicht ausreizen – nach etwa zwei Stunden Lesezeit mit voller Beleuchtung wurde der Akku nach wie vor als fast völlig aufgeladen angegeben. Amazon gibt an, dass man 28 Stunden lang durchgehend lesen kann (bei mittlerer Helligkeit, ohne Datenfunk).
Nachteile: kein Audio-Ausgang, kein E-Pub, kein Shop-Wechsel
An der Hardware gibt es nur Kleinigkeiten zu bemängeln. Einen Kopfhörerausgang hat der Paperwhite nicht – man kann sich E-Books also nicht mehr vorlesen lassen. Schade ist, dass man die Helligkeit des Lesegeräts nicht auch automatisch einstellen lassen kann, basierend auf den Messwerten eines Umgebungslichtsensors, wie bei vielen Tablets und Smartphones.
Ein kleines Ärgernis ist, dass Amazon nur ein USB-Ladekabel, aber kein Netzteil mitliefert – deutsche Kunden müssten ohnehin einen entsprechenden Stecker für die Steckdosen hierzulande nachkaufen. Dass Amazon den Speicherplatz von vier Gigabyte (beim Kindle Touch) auf nur zwei halbiert hat, dürfte man kaum merken – E-Books nehmen nur wenig Speicherplatz ein, und man kann ohnehin sehr einfach Titel vom Online-Speicherplatz auf das Gerät laden.
Der größte Nachteil des Kindle Paperwhite ist die enge Verknüpfung von Amazons E-Book-Laden mit der Hardware. Man kann nicht ohne weiteres E-Books im E-Pub-Format auf dem Gerät lesen. E-Books, die mit dem in der Branche leider nach wie vor gängigen Adobe-Kopierschutzsystem verschlüsselt wurden, lassen sich nicht mit einem Kindle E-Reader lesen. Wer es einfach haben will, ist an Amazons E-Book-Laden gebunden.
Ein grundsätzlicher Nachteil aller E-Reader: Außergewöhnlich gestaltete, schöne Bücher verhindert die Technik. Beim Kindle Paperwhite kann der Leser zwischen sechs Schriftarten wählen, Gestalter können bei diesem Medium kaum etwas tun, allerdings ist da kein Konkurrenz-Reader besser.
Fazit: Der bislang beste Bildschirm bei E-Readern
Der Bildschirm des Kindle Paperwhite ist der beste, den ich bislang bei einem E-Reader gesehen habe. Die Hintergrundbeleuchtung, der hohe Kontrast und die Auflösung, die Geschwindigkeit beim Bildaufbau – all das ist spürbar besser als bei allen Vorgängermodellen und sehr nah am gedruckten Buch. Dank des Touchscreens lassen sich Textstellen sehr schnell markieren, kurze Anmerkungen sind schnell getippt. Der Paperwhite ist dem aktuellen Sony Reader PRS-T2 weit überlegen – zumindest, wenn man sich damit abfinden kann, an das Amazon E-Book-Angebot gebunden zu sein. Das Schriftbild des Kobo Glo könnte ähnlich prächtig wirken. Wie gut das Lesegerät des kanadisch-japanischen Herstellers ist, müssen Tests zeigen.
Bislang ist der Kindle Paperwhite technisch der E-Reader mit dem besten Schriftbild. Kunden in Deutschland kostet der günstigste Paperwhite inklusive Einfuhr über den Dienstleister Borderlinx derzeit inklusive Steuer, Gebühren und Porto umgerechnet 139 Euro. Die knapp zehn Euro Aufpreis gegenüber dem Sony PRS-T2 und dem Kindle Touch ist der strahlende E-Reader wert.