Kobo-Reader im Test: Das ist Kindles schärfster Konkurrent (22.10.2012)
Kobo-Reader im Test
Das ist Kindles schärfster Konkurrent
Komfortable Bedienung, beleuchteter Touchscreen, scharfes Textbild dank digitaler Tinte: Der kanadisch-japanische Anbieter Kobo bringt neue E-Reader nach Deutschland. Im November sollen der Kobo Glo und Kobo Mini im Handel sein. Der Test verrät, ob sich das Warten lohnt.
Spiegel Online, 22.10.2012
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Wenn Amazon Ende November die ersten Exemplare seines leuchtenden Lesegeräts Kindle Paperwhite an deutsche Kunden liefert, bekommt der US-Konzern hierzulande erstmals echte Konkurrenz: Der kanadisch-japanische Anbieter Kobo wird wahrscheinlich vorher – voraussichtlich im November – zwei neue, technisch beeindruckende E-Reader in Deutschland ausliefern.
Der beleuchtete Kobo Glo hat dieselbe, für E-Reader sehr hohe Auflösung wie der Kindle Paperwhite; er ist genauso teuer, aber leichter und etwas kleiner als Amazons fortschrittlichster E-Reader. Der Kobo Mini bietet mehr als Amazons billigster Kindle: Beide Geräte kosten 80 Euro, doch der Kobo Mini hat eine komfortablere Touchscreen-Bedienung.
Wie gut ist die Kobo-Software, wie umfangreich das E-Book-Angebot? Wir haben erste Serienmodelle von Kobo Glo und Mini ausprobiert.
Das gefällt: Format, Design, Synchronisierung
Die beiden Kobo-Reader liegen sehr gut in der Hand. Sie sind etwas dicker und etwas kürzer als Amazons Kindle-Lesegeräte, fühlen sich angenehmer an als die dünneren Kindle-Lesegeräte. Die Kobo-Reader sind leichter, man kann sie lange in einer Hand halten. Auch beim größeren Kobo blättert man mit einer Hand bequem per Daumentipp auf den Touchscreen vor.
Touchscreen: Beim Eingeben von Text und Markieren von Passagen reagiert der Kobo-Bildschirm nicht ganz so schnell wie der des Kindle Paperwhite, doch für eine komfortable Bedienung ist der Bildaufbau bei beiden Readern schnell genug.
Licht beim Kobo Glo: Die LED-Beleuchtung des etwa 129 Euro teuren Glo sorgt wie die des Kindle Paperwhite für sehr klares Schriftbild mit hohem Kontrast. Man kann im Dunkeln lesen, profitiert aber auch in helleren Räumen von der Beleuchtung. Der Text hebt sich deutlich ab, dank des hoch aufgelösten Bildschirms mit digitaler Tinte ist die Schrift gestochen scharf. Dem Kindle Paperwhite steht der Kobo Glo in nichts nach, im Gegenteil: Die Beleuchtung bei unserem Kobo-Testgerät wirkte gleichmäßiger.
Besonderheiten des Kobo Mini: Der Kobo Mini hat eine für E-Reader besondere Form. Er ist ungefähr so klein wie zwei iPhones und passt gut in die Jackentasche. Der Bildschirm hat dieselbe Auflösung wie der des größeren Standard-Kindles, der Kobo Mini kostet auch genauso viel – 80 Euro. Doch der kleine Kobo ist in der Bedienung überlegen: Der Touchscreen ist zum Tippen und Markieren besser geeignet als die kleinen Tasten des 80-Euro-Kindle. Der kleinere Bildschirm schreckt zunächst ab – da muss man doch viel zu oft umblättern! Aber wenn man die hohe Auflösung ausnutzt, eine geringe Schriftgröße wählt, Zeilenabstand und Seitenrand reduziert (die Darstellung beim Kobo ist sehr flexibel einstellbar), liest man sehr entspannt.
Synchronisierung: Die Hardware und die Software des Kobo sind aus einem Guss, der Anbieter kommt der engen Integration bei Amazon sehr nahe. Man kann über eine W-Lan-Verbindung (auch die W-Lan-Verbindung mit einem Mobiltelefon) mit dem Kobo E-Books im Downloadshop kaufen. Man kann die bei Kobo gekauften Titel auf mehreren E-Readern, in einer Desktop-Software (Mac und Windows) und Apps (iOS und Android) lesen. Wie bei Amazons Kindle-E-Books wird der Lesefortschritt über die Geräte und Anwendungen hinweg synchronisiert. Das klappte bei uns im Test zuverlässig – anders als der Abgleich von Markierungen und Notizen.
Offenheit: Die Kobo-Plattform ist offener als Amazons Kindle-Angebot. Man kann auch bei anderen Händlern gekaufte, mit Adobe-DRM verschlüsselte E-Books auf Kobo-E-Reader laden. Dazu zählen zum Beispiel die bei deutschen Stadtbibliotheken ausleihbaren E-Books. Umgekehrt ist es auch möglich, die Kobo-Titel mit anderen Lesegeräten, die Adobe Digital Editions unterstützen, zu nutzen. Zudem lässt sich der Speicherplatz des Kobo Glo über eine Micro-SD-Karte erweitern.
Statistiken und Software: Die Kobo-Lese-Apps geben in schön visualisierten Lesestatistiken aus, was man zu welchen Tageszeiten liest, wie viele Seiten man in einer Stunde durchschnittlich liest, wie viele Minuten man mit einer Zeitungsausgabe verbringt. Diese spielerischen Elemente hat die Kobo-Software dem Kindle-Angebot voraus. Man erhält Auszeichnungen, wenn man beispielsweise Textpassagen unterstrichen oder zwischen 22 und 24 Uhr gelesen hat. Man kann mit anderen Lesern bestimmte Textpassagen und Anmerkungen diskutieren, bei einigen Titeln (populären, kostenlosen Klassikerausgaben vor allem) sind die öffentlichen Kommentare von Kobo-Nutzern zu einem Forum im Buch angewachsen. Ein nettes Extra ist die Schach-Software des Kobo Glo, beim Kobo Mini gibt es nur ein Sudoku-Spiel.
Nicht so schön: Bücher-Angebot, Notizfunktion
Notizfunktion: Der Kobo-Reader ist als Hilfsmittel zum Durcharbeiten von Büchern – beispielsweise für Rezensionen – dem Kindle unterlegen. Die markierten Textpassagen und Anmerkungen kann man vom Kobo-E-Reader in die Desktop-Software übertragen und direkt aufrufen, aber Zitate muss man einzeln abtippen oder den Umweg über eine Google-Suche aus der Software wählen. Direktes Kopieren von Zitaten ist nicht möglich. Zudem fehlt eine Web-Oberfläche zum Verwalten und Lesen von Notizen, Markierungen und Büchern. Amazons Cloud-Reader ist dem Kobo-Angebot überlegen, weil man mit ihm nicht an einen Rechner gebunden ist und leichter mit Texten arbeiten kann. Bei unserem Test funktionierte die Synchronisation der Notizen zwischen verschiedenen Kobo-Apps nicht einwandfrei, eine Unterstreichung und Anmerkung ließ sich partout nicht vom Smartphone zum Kobo-Server und auf andere Lesegeräte übertragen.
E-Book-Angebot: Derzeit ist die Auswahl an E-Books bei Kobo kleiner als bei Amazon und dem deutschen Anbieter Ebook.de: Von 20 Titeln der aktuellen SPIEGEL Hardcover-Bestsellerliste fanden wir mit einer Titel- und einer Autorensuche elf, bei Amazon sind alle 20 Titel als E-Book erhältlich, bei Ebook.de sind es 19.
Bei englischsprachigen Originalausgaben ist der Vorsprung von Amazon größer: Fast alle Titel sind bei Amazon billiger, keiner teurer als bei Kobo. Von 20 Titeln der aktuellen Bestsellerliste der “New York Times” sind bei Amazon 19 Werke als E-Book erhältlich, bei Ebook.de sieben und bei Kobo auch 19. Allerdings muss man bei Kobo richtig suchen, um die US-Titel zu finden. Gibt man nur den Buchtitel im Suchfenster ein, erscheint nicht unbedingt das E-Book gleichen Namens auf der ersten Seite der Trefferliste. Ein Beispiel: Sucht man nach “Killing Kennedy”, sieht man das Sachbuch nicht unter den ersten Treffern von 3922, dafür sind ganz oben “Kill Your Friends” von John Niven und “The Finish: The Killing of Osama Bin Laden” gelistet. Erst wenn man die Auswahl auf englischsprachige Titel beschränkt (links neben der Trefferliste), erscheint das E-Book “Killing Kennedy” als erster Treffer. Man kann auch abwarten, ob im Suchfenster der korrekte Titel vorgeschlagen wird, das dauert ein wenig.
Fazit: offen, preiswert, nicht perfekt
Die Kobo-Lesegeräte und die Software sind schön, das Design erfüllt seinen Zweck: Man kann einfach und schnell lesen, was man lesen will. Kobo integriert Online-Funktionen, Webshop und Hardware wie Amazon beim Kindle. Doch die Kobo-Plattform ist offen für E-Books von anderen Händlern und deutschen Stadtbibliotheken. Die Angebote anderer Händler können darüber hinweghelfen, dass Kobos eigener E-Book-Shop derzeit nicht so viel Auswahl bietet wie die Konkurrenz.
Kobo Glo: Der leuchtende E-Reader ist technisch gleichwertig mit dem Kindle Paperwhite. Wer allerdings viel mit Notizen und Markierungen arbeitet, ist mit der überlegenen Notizfunktion und der Web-Oberfläche des Kindle besser bedient. Wer nur einen beleuchteten E-Reader zum Lesen sucht, kann sich ebenso gut für den Kobo Glo und eine etwas offenere Plattform entscheiden.
Kobo Mini: Wer einen günstigen E-Reader sucht, ist mit dem Kobo Mini besser bedient als mit den 60-Euro-Lesegeräten, wie sie etwa Weltbild verkauft. Der 80-Euro-Reader mit dem hervorragenden Touchscreen ist preiswerter.