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Kontroll-Pakt fürs Mitmachnetz: Filtern, schnüffeln, blockieren (Spiegel Online, 19.10.2007)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Kontroll-Pakt fürs Mitmachnetz

Filtern, schnüffeln, blockieren

Geht das Zeitalter des fröhlichen Austauschs von Spielfilmen, Serien und Musik im Internet zu Ende? Die führenden US-Konzerne wollen gemeinsam gegen Piraterie kämpfen – mit Filterprogrammen, Nutzer-Überwachung, Link-Blockaden. Google ist wegen der YouTube-Klage nicht dabei.

Spiegel Online, 19.10.2007

Neun US-Medien- und Internet-Unternehmen haben gemeinsame Regeln für den Schutz von Urheberrechten in der "Web 2.0"-Ära aufgestellt. Die Web-Firmen (Dailymotion, Microsoft, MySpace, Veoh) verpflichten sich, effiziente Filter einzusetzen, um urheberrechtlich geschütztes Material schnell zu erkennen. Die Medienunternehmen (Disney, CBS, NBC Universal, Viacom, Fox) wollen im Gegenzug auf Klagen gegen die Internet-Gesellschaften verzichten, wenn diese solche Filter einsetzen und sich trotzdem illegal hochgeladenes Material auf ihren Seiten findet.

Die Medienunternehmen (Disney, CBS, NBC Universal, Viacom, Fox) wollen im Gegenzug auf Klagen gegen die Internet-Gesellschaften verzichten, wenn diese solche Filter einsetzen und sich trotzdem illegal hochgeladenes Material auf ihren Seiten findet.

Das Kontrollabkommen der Web-Riesen geht aber über den bloßen Einsatz von Filtern hinaus. Die Web-Firmen verpflichten sich zu einem Mindeststandard bei der Überwachung ihrer Mitglieder. Und sie versprechen, diese Informationen in bestimmten Fällen, wenn es die Gesetze zum Datenschutz erlauben, mit den Rechteinhabern zu teilen. Vorgesehen ist zum Beispiel:

  • Die Betreiber von Mitmachportalen sollen es den Rechteinhabern ermöglichen, Rechtsverstöße auch in geschlossenen, kleinen Nutzergruppen zu verfolgen. Sprich: Wer in seinem Freundeskreis online Musik tauscht, ohne dass die Außenwelt es mitbekommt, soll von Diensten wie MySpace ausgeschnüffelt und mit einer Warnung bedacht werden. (Paragraph 5)
  • eb-Anbieter sollen Links zu Seiten löschen und unterbinden, die "eindeutig dafür bestimmt oder vorwiegend dafür genutzt werden um Raubkopien zu verbreiten". (Paragraph 4)
  • Mindestens 60 Tage lang sollen die Web-Anbieter Informationen zum Upload-Verhalten ihrer Mitglieder speichern – sofern es die Gesetze erlauben. Mitzuspeichern sind IP-Adressen, Uhrzeit und Datum und alle Informationen zu vorherigen Urheberrechtsverstößen der Nutzer. Diese Informationen sollen die Dienste an die Rechteinhaber weitergeben, wenn die Gesetze das erlauben. (Paragraph 10)

Das ist der Deal: Wer sich an die Spielregeln der Rechteinhaber hält, wird von ihnen nicht verklagt. So steht es in der Vereinbarung (" User Generated Content Principles"): "Wenn ein UGC-Dienst all diesen Leitsätzen nach bestem Wissen folgt, sollten Rechteinhaber keine Copyright-Klagen gegen ihn anstrengen, wenn dennoch von Nutzern eingestellte Inhalte gegen Urheberrecht verstoßen."

Eine solche Klage des US-Medienkonzerns Viacom läuft gerade gegen Googles Video-Tochter YouTube. Das dürfte ein Grund dafür sein, dass YouTube und Google die Vereinbarung nicht unterzeichnet haben. Verhandlungen darüber hat es laut "Wall Street Journal" gegeben. Viacom fordert von YouTube mehr als eine Milliarde Dollar Schadensersatz, weil gut 160.000 Videoclips von Viacom-Fernsehshows ohne Erlaubnis auf YouTube zu sehen waren.

Anfang der Woche hat YouTube eine eigene Filtertechnik vorgestellt, sie läuft derzeit im Testbetrieb. Die vom Filter-Pakt vorgesehen Programme funktionieren nach einem vergleichbaren Prinzip (siehe Kasten unten).

URHEBERRECHT: SO FUNKTIONIERT DER YOUTUBE-FILTER

Datenbank geschützter Inhalte
YouTube baut eine Datenbank mit geschützten Video-Inhalten auf. Die können Medienkonzerne selbst speisen. Sprich: Sie schicken ihre schützenswerten Inhalte zur Analyse an YouTube. Andere Möglichkeit: Sie beobachten selbst, was Nutzer bei YouTube hochladen und melden dem Portal alle Clips, die ihre Rechte verletzten – diese Daten gehen dann auch in die Datenbank ein.

Fingerabdruck
Aus dieser Datenbank destilliert YouTube eine Art Fingerabdruck für jede beanstandete Datei. Mit diesen Daten gleicht der Filter alle neu bei YouTube hochgeladenen Videos ab.

Filter prüft Uploads
Stimmt ein neu hochgeladenes Video mit einem bereits beanstandeten überein, kann YouTube den Upload sperren. YouTube wird aber auch, falls die Rechteinhaber das wünschen, das Video einstellen, mit Werbeeinblendungen und Verweisen auf die Quelle belegen und dem Rechteinhaber einen Teil der Werbeeinnahmen zukommen lassen

Diese Filterprogramme sollen verhindern, dass urheberrechtlich geschützte Videos oder Musikdateien überhaupt von Nutzern eingestellt werden können.

Filter können vor Schadensersatzklagen schützen

Solche Maßnahmen dürften den Anforderungen des US-Rechts genügen: Die Gesetze zum Schutz der Urheberrechte verlangen von Internet-Diensten, dass sie illegal angebotene Inhalte auf Aufforderung durch die Rechteinhaber entfernen. Im Rahmen des Filter-Paktes hat zum Beispiel die Video-Seite Dailymotion eine neue Filtertechnik des französischen "Institut national de l’audiovisuel" (INA) integriert.

Unabhängig davon müssen sich Internet-Firmen auch gegen zivilrechtliche Klagen von Rechteinhabern absichern. Die begründen ihre Schadensersatzforderungen oft damit, dass Mitmachangebote den Urheberrechtsschutz bewusst vernachlässigen, um von den Gesetzesbrüchen der Mitglieder zu profitieren. So argumentiert zum Beispiel Viacom in seiner Klage gegen YouTube. Das freiwillig eingesetzte Filterprogramm könnte das Gericht überzeugen, dass YouTube sich um den Schutz der Urheberrechte bemüht.

 

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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