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Laptop-Schlankheitswahn: Wer hat den Dünnsten? (Spiegel Online, 16.1.2008)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Laptop-Schlankheitswahn

Wer hat den Dünnsten?

Schlank ist sexy: Apple feiert sein MacBook Air als "flachstes Notebook der Welt". Dabei gilt das nur an der Vorderseite. Die Konkurrenz entwickelte schon ab 2001 dünnere Modelle.

Spiegel Online, 16.1.2008

Vier Millimeter, so dünn wie eine Herzpumpe, ist Apples neues Laptop, das MacBook Air an der Vorderseite. Bei der Präsentation zog Apple-Boss Steve Jobs gestern das Gerät aus einem Hauspostumschlag, feierte es als das "dünnste Notebook der Welt". In Deutschland nennt Apple das Air "das flachste Notebook der Welt".

Doch so ganz stimmt das nicht. Wie man den Werbespruch zu interpretieren hat, machte Jobs gestern Abend mit einem hämischen Kommentar gegenüber der Konkurrenz von Sony klar: "Wir sind an der dicksten Stelle dünner als die an der dünnsten", sagte er laut Heise.de über Sonys Mini-Notebook. Tatsächlich: Sonys VaioTZ ist an der dünnsten Stelle 19,8 Millimeter dick – das neue Macbook Air an seiner dicksten 19,4.

Nimmt man es aber so genau wie Jobs, führt Apples Werbung in die Irre: Das MacBook Air ist vielleicht das flachste Notebook der Welt – aber nur an der Vorderseite. Für das 1,94 Zentimeter dicke Hinterteil gilt diese Behauptung nicht. Das schafften anderen Hersteller dünner – vor Jahren schon.

2001: Sharp bringt Flach-Book auf den Markt

Der japanische Konzern Sharp stellte 2001 auf der Berliner Funkausstellung Ifa sein Notebook Muramasa vor: 1,66 Zentimeter war die Computer-Flunder dick. Sharps damaliger Werbespruch: "Das dünnste Notebook der Welt".

Das Gerät war mit 1,31 Kilogramm zudem ein wenig leichter als das neue MacBook Air (1,36 Kilo), kostete damals 6000 Mark (etwa 3100 Euro). Ausstattung: 12,1-Zoll-Bildschirm (das MacBook Air bietet 13,3 Zoll), 20 Gigabyte Festplatte, Gehäuse mit Aluminiumlegierung wie heute bei Apple – das gab’s bei Sharp vor sieben Jahren.

1998: Mitsubishi entwickelt das 1,8 Zentimeter-Notebook

Vor fast zehn Jahren, im März 1998 zeigten der US-Konzern Hewlett-Packard und Mitsubishi Electric auf der Cebit eine gemeinsame Notebook-Entwicklung: "Den flachsten und leichtesten Aktentaschenrechner der Welt", wie damals die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schrieb. Bei HP hieß das Gerät Sojourn, bei Mitsubishi Pedion.

Das Grundgerät war 1,8 Zentimeter dick – mit zwei Erweiterungen konnte man das Gerät aufstocken (externe Laufwerke, zusätzliche Batterie). Setzt man die von Jobs aufgestellte Messlatte (dünnste Stelle vs. dickste Stelle) an, ist das MacBook Air mit seinem 1,94-Zentimter-Hintern heute dicker als das zehn Jahre alte Sojourn.

Der Brettchen-Rechner kostete zum Start 1998 14.500 Mark (etwa 7400 Euro). Das Gerät sollte als Leasing-Modell von Managern gekauft werden. Doch der Plan ging nicht auf. Nach ein paar Monaten, im Oktober 1998 senkten HP und Mitsubishi die Preise erheblich: 9200 Mark (etwa 4700 Euro) kostete das Sojourn samt Erweiterungen, 9000 Mark (etwa 4600 Euro) der baugleiche Mitsubishi-Flachmann.

2004: Dünn, dünner, Sony

Noch ein "dünnstes Notebook der Welt" (O-Ton "Tomorrow") stellte Sony 2004 vor: Das Vaio VGN-X505VP war an der dünnsten Stelle nur 9,7 Millimeter dick – an der dicksten allerdings fast zwei Zentimeter. Offenbar tricksten Notebook-Hersteller gern ein wenig mit ihren Schlankheitssuperlativen. Allerdings kann man dieses Gerät nicht ohne weiteres mit Apples MacBook Air vergleichen. Schließlich hatte das Sony-Gerät nur einen 10,4-Zoll-Bildschirm – eindeutig ein Subnotebook, ein unfairer Vergleich also.

Das was ist nun das "flachste Notebook der Welt"? Um die Dicke objektiv zu berechnen, müsste sich ein unabhängiger Mathematiker eine Formel überlegen. Wie wäre es mit Volumen geteilt durch Grundfläche?

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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