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Leica X1 vs. Ricoh GXR: So gut fotografieren die Luxus-Zwerge (Spiegel Online, 4.2.2010)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
12 minuten gelesen

Leica X1 vs. Ricoh GXR

So gut fotografieren die Luxus-Zwerge

Kleine Kameras, große Sensoren, Riesen-Preise: Die Kamerahersteller Ricoh und Leica wollen eine neue Klasse von Fotoapparaten durchsetzen. Ihr Versprechen: Bildqualität und Preis wie bei einer Spiegelreflex, Gehäuse in Kompaktkamera-Größe. SPIEGEL ONLINE hat die X1 und GXR getestet.

Spiegel Online, 4.2.2010

Das muss man den Kunden erstmal erklären: Warum sollte man für eine Kamera, die etwas größer ist als eine Zigarettenschachtel, mehr als 1000 Euro ausgeben? Zwei Kamerahersteller versuchen es gerade mit solchen Geräten: Ricoh hat ein völlig neues Kamerasystem namens GXR entworfen, das mit einem großen Bildsensor und einer Festbrennweite gut 1100 Euro kostet. Der deutscher Edel-Kamerabauer Leica liefert die Kompaktkamera X1 aus, die Fotos ebenfalls mit einem sehr großen Bildsensor erfasst. Leica verlangt gut 1500 Euro für die X1.

Lohnt sich das?

Wir haben beide Kameras getestet – die Aufnahmen der X1 und der GXR mit Festbrennweite haben auch bei Nacht eine Bildqualität, die man von erheblich größeren Spiegelreflexkameras kennt, die Objektive sind beeindruckend. Trotzdem taugen die Luxuszwerge nicht als Universalkameras.

Bildqualität, Geschwindigkeit, Ausstattung – SPIEGEL ONLINE vergleicht die Ricoh GXR und Leica X1.

Konzepte – Schwächen und Stärken der Schrumpfkur

Die teuren Kleinen von Ricoh und Leica sind mit herkömmlichen Kompaktkameras nicht zu vergleichen. Das Konstruktionsprinzip beider Kameras ist erklärungsbedürftig und schränkt die Nutzungsmöglichkeiten ein. Ricoh hat sich für die GXR-Reihe etwas Ungewohntes ausgedacht: Statt nur die Objektive zu tauschen wie bei Spiegelreflexkameras, wechselt man bei der GXR eine Einheit aus Objektiv und Bildsensor.


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Diese Bildaufzeichnungsmodule kombinieren unterschiedliche Linsen und Bildsensoren in verschiedenen Größen. Der Kamera-Body enthält nur Akku, Speicherkarten, einen Bildprozessor, Display, Blitzschuh und die Bedienung. Ein Vorteil dieses Systems: Da Objektiv und Sensor fest umschlossen sind, kann nie Staub eindringen. Und wenn man auf einen großen Bildsensor mit einem Objektiv mit hoher Brennweite (zoomstark) Licht in ausreichender Größe einfallen lassen will, muss das Objektiv bisweilen arg groß sein. Je kleiner der Bildsensor, desto kompakter können die Zoom-Objektive sein – und desto schlechter ist meist die Bildqualität.

Bislang gibt es für die GXR-Reihe nur zwei Objektiv-/Sensormodule. Das Dreifach-Zoom S10 haben wir nicht getestet – es ist mit einem winzigen Bildsensor ausgestattet, wie er in vielen Kompaktkameras zu finden ist. Dieses Modul ist uninteressant, die GXR ist damit wenig mehr als eine sehr teure Kompaktkamera. Das Modul A10 hingegen ist der Traum vieler Fotografen: Es hat eine Festbrennweite (50 mm Kleinbild-äquivalent), die hohe Bildqualität verspricht, der Bildsensor hat APS-C-Größe – so groß sind die Bildsensoren in klobigen Spiegelreflexkameras wie der Nikon D90.

Während man bei der GXR für 1100 Euro eine in sehr vielen Aufnahmesituationen nutzbare Festbrennweite mit großem Sensor kauft und auf weitere Objektivmodule hoffen kann, lässt sich bei der Leica X1 nichts auswechseln. Die mehr als 1500 Euro teure Kompaktkamera hat einen großen APS-C-Bildsensor und ein fest verbautes Leica Elmarit-Objektiv mit einer Weitwinkel-Festbrennweite (36 mm Kleinbild-äquivalent). Das fest verbaute Objektiv der X1 schränkt die Gestaltungsfreiheit ein: Anders als die GXR-Festbrennweite taugt es nicht für Makro-Aufnahmen, außerdem ist der leichte Weitwinkel für Porträts nicht gerade ideal.

Während aus dem GXR-Konzept also theoretisch eine Universal-Kamera werden kann, taugt die Leica X1 kaum als einzige Kamera (obwohl sie erheblich teurer ist). Hier muss man gut abwägen, für welche Motive man die kleine Kamera vor allem nutzen wird. Fest steht: Die GXR-Festbrennweite ist für viele Fotografen das flexiblere Gestaltungsmittel.

Bedienung – logisch und meistens schnell

Die Bedienungskonzepte der Kameras sind recht unterschiedlich, funktionieren aber beide ziemlich gut: Leica bringt auf dem kleinen X1 für die wichtigsten Funktionen Drehrädchen (eigene für Belichtungszeit und Blendenöffnung) sowie viele dezidierte Tasten (zum Beispiel für die ISO-Empfindlichkeit) unter. Ricoh bringt bei der GXR manuelle Einstellmöglichkeiten in einem Menü unter, das schnell aufgerufen ist und sich flott bedienen lässt. Wenn man Blendenöffnung und Belichtungszeit von Hand einstellt, funktioniert das bei der GXR auch ohne die dedizierten Drehschalter der X1 dank Mini-Joystick und Drehrad sehr schnell.

Beim manuellen Fokussieren ist die GXR mit der 50-mm-Festbrenntweite erheblich schneller und genauer zu bedienen als die Leica X1. Das ist wichtig, weil der Autofokus bei beiden Kamera leider recht träge und manchmal gar nicht zu gebrauchen ist. Bei der GXR fokussiert man wie von der Spiegelreflex-Kamera gewohnt mit einem Dreh am Objektiv. Da Ricoh in der GXR einen sehr hochauflösenden Bildschirm verbaut hat (3 Zoll Diagonale, 920.000 Bildpunkte), kann man zuverlässig anhand dieses Kamerabildes fokussieren. Wir hatten beim Testen nie Probleme damit. Die Steuerung funktioniert sogar besser als die vieler Einstiegsspiegelreflexkameras.

Die Leica X1 hingegen stellt man bei manuellem Fokus mit einem Drehrädchen an der Rückseite scharf. Das wird einerseits dadurch erschwert, dass man an dem kleinen Ding oft viel zu lange drehen muss, andererseits bei der Feineinstellung an der gerade mal mittelmäßigen Auflösung des Leica-Displays scheitert (2,7 Zoll Diagonale, 230.000 Bildpunkte).

Beim Testen erwiesen sich die vielen Einstellrädchen der Leica X1 als zu leichtgängig – die Einstellungen zu Blendenöffnung und Belichtungszeit verstellt man schon, wenn man versehentlich darüber streift. Der Einschaltdrehknopf, der auch den Serienbildmodus aktiviert, verrutscht besonders leicht, weil das Hebelchen leicht über den Gehäuserand hinausragt. Kein Drama, aber wenn man die X1, die klein genug für die Jackentasche ist, da reinsteckt, muss man vor der nächsten Aufnahme alle Einstellungen genau prüfen.

Hervorragend kundenfreundlich sind die USB-Anschlüsse beider Kameras (Standard-Mini-USB) und die Rohdatenformate (der Adobe De-facto-Standard DNG) umgesetzt. Keine Exotenlösungen, die die Handhabung unnötig kompliziert machen.

Ausstattung – der 100-Euro-Handgriff

Beim manuellen Fokussieren fällt der nur so gerade eben durchschnittliche Bildschirm der Leica X1 unangenehm auf. 230.000 Bildpunkte auf einem Display mit 2,7 Zoll Diagonale ist zu wenig, um damit arbeiten zu können und für eine 1500 Euro teure Kamera unangemessen. Da bieten Kompaktkameras, die weniger als die Hälfte kosten, bessere Displays.

Immerhin, das muss man hervorheben, ist bei der Leica X1 eine Lizenz des hervorragenden Adobe Rohdaten-Bildverwalters und -Verarbeiters Lightroom enthalten. Im Handel kostet diese Lizenz etwa 260 Euro. Ich habe auf einem Mac lange mit Apples Aperture gearbeitet und bin auf Lightroom umgestiegen – das Programm läuft schneller, die Erweiterbarkeit um eine sehr große Auswahl an Plug-ins zum Bearbeiten, Verorten, Verschlagworten und Veröffentlichen ist ein großer Vorteil.

Dass Leica bei der X1 auf einen Videomodus verzichtet, können die meisten Fotografen sicher verschmerzen. Man kauft ja einen Fotoapparat, kein Videowunder. Trotzdem: Ricoh integriert einen HD-Videomodus in der GXR mit dem A12-Modul, und obwohl das nur eine nettes Extra ist, kann man damit durchaus einen Clip drehen, wenn man zufällig ein Motiv entdeckt, dass sich anbietet. Die Qualität ist nicht überragend, aber erheblich besser als die der meisten Kompaktknipsen.

Dass der Leica X1 ein Makromodus fehlt, ist ein echtes Manko. Mit der Ricoh GXR und der A12-Festbrennweite kann man Motive aus sieben Zentimetern Distanz fotografieren, bei der X1 muss man mindestens auf 30 Zentimeter Distanz gehen. Wegen der Weitwinkel-Optik des fest verbauten X1-Objektivs sind diese Nahaufnahmen ganz und gar nicht nah – das schränkt die Gestaltungsmöglichkeiten erheblich ein.

Eine Frechheit bei X1-Ausstattung ist, dass das Gehäuse für Menschen mit großen Händen mangels Handgriff ein wenig zu zierlich ist und man für einen solchen als Extra noch einmal 100 Euro bezahlen soll. 100 Euro für ein Stück Metall – als Zusatz für eine gut 1500 Euro teure Kamera. Das ist selbst bei der überragenden Verarbeitungsqualität der in Deutschland gefertigten Leica ein Witz.

Leistung und Bildqualität

Die Bildqualität beider Kameras (wir vergleichen nur Rohdaten, die in der Fotostrecke gezeigte Aufnahmen wurde mit Adobe Lightroom 2 entwickelt) steht der einer Spiegelreflex wie der Nikon D90 nicht nach – auch Aufnahmen bei Nacht sind für den Druck tadellos geeignet, Bildrauschen ist ab ISO 800 sichtbar, aber so schwach ausgeprägt, dass man sich darüber kaum Gedanken machen muss. Der Tonwertumfang ist hoch, die Detailzeichnung und Schärfe auch im Randbereich hoch.

Sehr gut hat uns das wunderschöne Bokeh der Ricoh-Festbrennweite A12 gefallen: Die Unschärfebereiche sehen phantastisch aus (einige Beispiele in unserer Fotostrecke).

Die Geschwindigkeit des Autofokus ist bei beiden Kameras ein Manko. Es könnte an der Kombination der großen Bildsensoren mit dem kontrastbasierenden Autofokus liegen, jedenfalls brachen die Leica X1 und Ricoh GXR-Festbrennweite für einigen Aufnahmesituationen zu lang, um das Motiv scharf zu stellen. Ein Beispiel: Zwei Hunde stehen nebeneinander vorm Fenster einer Metzgerei und schauen sehnsüchtig hinein. Bis die GXR das Motiv fokussiert hatte, war einer der beiden Hunde schon neugierig zum Fotografen gelaufen. Mit der X1 hatten wir ähnlich unerfreuliche Erlebnisse, vor allem bei Dämmerung.

Dank des gut über den Fokusring am Objektiv zu bedienenden manuelle Fokus kann man mit der GXR auch bei Dämmerung und Dunkelheit ganz gut arbeiten, ohne sich über den Autofokus ärgern zu müssen. Der schlecht zu bedienende Autofokus und das kaum noch durchschnittliche Display der X1 verhindern das bei der Leica.

Fazit – hohe Bildqualität, aber keine Universalkameras

Die Ricoh GXR mit der Festbrennweite ist eine tolle Kamera. Der subjektive Eindruck: Anders als bei der Leica X1 hatte ich Lust, mit der Ricoh lange herumzulaufen und zu fotografieren. Das macht großen Spaß – eine perfekt zu bedienende, handliche Kamera mit großem Bildsensor und einem tollen Objektiv.

Die Leica X1 gefällt uns vor allem wegen des Displays, der Weitwinkel-Optik und des fehlenden Makro-Modus nicht ganz so gut. Obwohl 1500 Euro unverschämt hoch wirken, ist die X1 die preiswerteste Leica seit langem: Rechnet man die enthaltene Lightroom-Lizenz aus dem Preis heraus, ist die X1 nur gut 150 Euro teurer als die Ricoh GXR mit Festbrennweite.

Allerdings sind auch für die einer Universalkamera schon recht nahe GXR 1100 Euro ein happiger Preis. Wegen des lahmenden Autofokus kommt man in einigen Aufnahmesituationen mit der GXR nicht weit. Wer gerne auf der Straße fotografiert oder gar Schnappschüsse machen will, braucht eine Zweitkamera. Da ist der vierstellige Preis einfach nicht vernünftig.

Wer nicht vernünftig sein muss oder eine handliche Hauptkamera für Landschaftsaufnahmen und Porträts sucht, sollte die GXR ausprobieren. Es ist ein Vergnügen, mit der ausgefallenen Ricoh-Konstruktion zu fotografieren. Und all die Begeisterung, die wir vor dem Ausprobieren für die zeitlos-schlichte Leica hatten, hatte sich nach einer Woche Fotografieren auf die Ricoh übertragen.

Datenblatt

Digitalkameras: Ricoh GXR vs. Leica X1
Kamera Ricoh GXR * Leica X1 Olympus EP2 ** Panasonic GF1
günstigster Preis im deutschen Online-Handel(laut geizhals.at, Stand 3.2.2010)
1127 1550 882 882 *
Gewicht (ca. mit Akku in Gramm)
450 300 485 ** 400 ****
Maße (mm, ohne Objektiv) 115 x 71 x 29 124 x 60 x 32 12 x 7 x 3,5 11,9 x 7,1 x 3,6
Auflösung (Megapixel) 12,3 12,2 12,3 12,1
Sensorgröße (cm²) 3,75 3,75 2,24 2,24
Megapixel pro cm² 3,28 * 3,28 5,5 5,4
Display (Zoll Diagonale) 3 Zoll, 920.000 Pixel 2,7 Zoll, 230.000 Pixel 3 Zoll, 230.000 Pixel 3 Zoll, 460.000 Pixel
vergleichbare Kleinbild-Brennweite abhängig von Objektiv (50 mm *) 36 mm abhängig von Objektiv (34 mm**) abhängig von Objektiv 40 mm***)
Video-Qualität HD kein Video HD HD
* gilt für das GXR-Gehäuse, die GR Lens A12 50 mm F2.5 Macro ** inkl. Objektiv M.Zuiko digital 17mm 2,8 Pancake und Aufstecksucher *** inkl. Objektiv Lumix G 20mm 1.7 ASPH



FOTOTECHNIK: DIE FACHBEGRIFFE KURZ ERKLÄRT
Brennweite
Die Brennweite gibt eine Entfernung innerhalb des Objektivs einer Kamera an. Genauer: Die Brennweite ist der in Millimetern angegebene Abstand zwischen der Mittelachse der Linse und der Stelle, wo das einfallende Licht auf Sensor oder Film trifft. Relevant ist das für die Bildgestaltung so: Je höher die Brennweite, desto näher wird das abgebildete Objekt herangezoomt.
Die Brennweite verändert auch die Bildwinkel der Aufnahme. Hier spielen aber auch die verschiedenen Aufnahmeformate (sprich: wie groß ist das auf den Sensor der Kamera einfallende Bild) eine Rolle. Deshalb geben Hersteller meistens die sogenannte kleinbildäquivalente Brennweite (Equiv.135) an.
Kleinbildbrennweiten werden mit Werten wie zum Beispiel 24-60 mm bei digitalen Kompaktkameras angeben. Wenn ein solches Objekt den Bereich zwischen 17 und 35 mm umfasst (siehe Foto: links 35 mm, rechts 28 mm), sind Weitwinkelaufnahmen möglich (hilfreich, um zum Beispiel Menschengruppen oder Bauwerke aus nicht allzu großer Entfernung aufzunehmen), ab 50 mm ist man schon im leichten Telebereich.
Blendenöffnung
Für eine Kamera ist die Blende, was die Iris für das Auge ist: Diese Öffnung hat eine veränderbare Größe und je größer sie ist, desto mehr Licht fällt ein. Bei kompakten Digitalkameras kann die Blende manchmal, bei Spiegelreflexkameras meistens auf Wunsch manuell eingestellt werden. Angegeben wird sie dabei mit der sogenannten Blendenzahl (wie um Beispiel 8, 5,6 oder 2,8).
Je größer die Blendenzahl (oft angegeben mit f/Blendenzahl), umso kleiner ist die Blendenöffnung. Konkret: Bei der Blendenzahl 4 ist die Blendenöffnung doppelt so groß wie bei der nächst höheren Blendenzahl 5,6. Die Blendenzahlen beruhen auf einer mathematischen Formel, nach der sich die sogenannte Blendenreihe berechnet. Hier verkleinert sich von Stufe zu Stufe die Blendenöffnung (0,5 / 0,7 / 1 / 1,4 / 2,8 / 4 usw., siehe SPIEGEL WISSEN).
Mehr Licht durch eine große Blendenöffnung ermöglicht eine kürzere Verschlusszeit. Eine möglichst kurze Verschlusszeit ist nötig, um sich schnell bewegende Objekte möglichst scharf aufzunehmen. Wer zum Beispiel einzelne Szenen eines Basketball-Spiels einer nicht allzu hell beleuchteten Sporthalle aufnehmen will, kann eine kleinere Blendenzahl (also eine größere Blendenöffnung) wählen und dafür die Verschlusszeit verkürzen. Als Richtwert gilt dabei: Ein Stufe abwärts in der Blendenreihe erlaubt eine gleichzeitige Halbierung der Belichtungszeit
Gleichzeitig beeinflusst die Größe der Blendenöffnung die sogenannte Schärfentiefe. Grundregel: Je kleiner die Blendenzahl (und je größer somit die Größe der Blendenöffnung), desto geringer die Schärfentiefe. Geringe Schärfentiefe bedeutet: Das Motiv im Vordergrund ist scharf, der Hintergrund ist unscharf. Große Schärfentiefe bedeutet, dass die Partien im Vorder- und Hintergrund scharf auf dem Bild erscheinen.

Verschluss-/Belichtungszeit
Wie lange die Blende geöffnet ist, wie lange also Licht auf den Sensor der Kamera fällt, gibt die Belichtungszeit an. Je länger diese Verschlusszeit ist, desto mehr Licht fällt auf den Sensor.
Diese Verschlusszeit wird meistens in Sekundenbruchteilen angegeben. 1/1000 ist zum Beispiel eine tausendstel Sekunde. Bei Kompaktkameras kann die Verschlusszeit manchmal, bei Spiegelreflexkameras immer auch manuell eingestellt werden. Angeben wird sie in Zeitstufen (wie 0,5″; 1/4; 1/8; 1/15; 1/30; 1/60; 1/125 usw.). Je größer die Zeitstufe, umso länger ist der Verschluss geöffnet. Bei einer kurzen Verschlusszeit erscheinen auf dem Bild sich schnell bewegende Objekte scharf, bei längeren Verschlusszeiten wirken sie verwischt, das ist die sogenannte Bewegungsunschärfe. Verwendet man bei solchen Aufnahmen mit längeren Belichtungszeiten kein Stativ oder zumindest eine feste Unterlage für die Kamera, verwackeln die Aufnahmen oft durch die Bewegung der Hand. Ruht die Kamera auf einer festen Unterlage, kann man mit längeren Belichtungszeiten zum Beispiel Autos auf Fotos verwischt erscheinen lassen, während alle statischen Objekte in der Umgebung scharf erscheinen.
Bei sehr kurzen Belichtungszeiten ist eine starke Beleuchtung oder eine entsprechend große Blendenöffnung nötig, um ausreichende Belichtung zu gewährleisten. Grundregel: Stellt man eine Zeitstufe größer ein, kann man eine Blendenzahl weniger einstellen.

Schärfentiefe
Schärfentiefe meint den Bereich in einer bestimmten Entfernung der Kamera, der auf dem Foto als scharf erscheint – je größten dieser Entfernungsbereich ist, umso größer ist die Schärfentiefe.
Konkret: Geringe Schärfentiefe bedeutet, dass das Motiv im Vordergrund scharf, der Hintergrund aber unscharf ist. Große Schärfentiefe bedeutet: die Partien im Vorder- und Hintergrund erscheinen auf dem Bild scharf. Die Schärfentiefe eines Bildes hängt unter anderem von der Größe der Blendenöffnung ab, aber auch von der Brennweite des Objektivs und dem Bildformat, beziehungsweise der Sensorgröße.

Sensorgröße
Die Größe des Fotosensors (siehe Bayer-Sensor bei SPIEGEL WISSEN)einer Digitalkamera beeinflusst neben anderen Faktoren die Qualität der Fotos. Angegeben wird die Größe oft in Standardgrößen wie 1/3,2 Zoll oder 1/1,7 Zoll. Diese Größen sind von einem Format für TV-Kameras aus den fünfziger Jahren übernommen, haben keinen direkten Zusammenhang mit der Oberfläche des Sensors.
Einige Beispiele für Sensorgrößen:
+ digitale Kompaktkamera Nikon Coolpix S60 (1/2.3″): 0,28 cm²
+ digitale Bridge-Kamera Canon G10 (1/1,7″): 0,43 cm²
+ digitale Four-Thirds- Kamera Lumix G1 (4/3″) 2,24 cm²
+ digitale Spiegelreflex-Kamera Canon EOS 350D 3,28 cm²
+ Kleinbild: 8,64 cm² – Mittelformat: 17,28 cm²
Ein Problem bei der Sensorgröße entsteht, wenn auf der gleichen Fläche immer mehr Fotodioden untergebracht werden. Sprich: Eine digitale Kompaktkamera mit derselben Auflösung (gemessen in Megapixel) wie eine Spiegelreflexkamera bringt dieselbe Menge an Fotodioden auf einer kleineren Oberfläche unter. Eine Folge: Auf der kleinen Fläche erreicht weniger Licht jede einzelne der Fotodioden, das Signal muss daher verstärkt werden, was wiederum mehr Störungen, das sogenannte Bildrauschen mit sich bringt.

Lichtempfindlichkeit / ISO-Wert
Wie lichtempfindlich Filmmaterial ist, wird unter anderem mit den sogenannten ISO-Werten angegeben. Ein Film mit ISO 200 ist doppelt so lichtempfindlich wie ein ISO-100-Film, bei ISO 400 verdoppelt sich die Lichtempfindlichkeit gegenüber ISO 200 und so weiter.
Bei Digitalkameras haben die Hersteller diese Skala übernommen, um die Empfindlichkeit anzugeben. Wenn in einem dämmrigen Umfeld die Verschlusszeit wegen Verwacklungsgefahr nicht stark genug erhöht werden kann, und eine allzu große Blendenöffnung wegen des Verlusts an Schärfentiefe nicht erwünscht ist, kann die Empfindlichkeit erhöht werden, um eine ausreichende Belichtung zu gewährleisten. Hebt man die ISO-Stufe um einen Schritt an, kann die Verschlusszeit zum Beispiel um einen Schritt vermindert werden.
Bei Digitalkameras verstärkt die Software das auf dem Sensor eingehende Signal. Dabei verstärkt die auch die Störungen, das sogenannte Bildrauschen nimmt zu.

Megapixel
Der Megapixel-Wert gibt die Auflösung einer Digitalkamera an, also wie viele Bildpunkte der Sensor erfasst. Ein Megapixel entspricht einer Million Bildpunkte. Aus der Pixelmenge resultiert die Rasterung beim Druck der Fotos – je höher die Auflösung, desto größer können die Fotos gedruckt werden, ohne dass die Pixel sichtbar werden.
Laut Kodak genügt für einen Ausdruck in A4-Format (20×30 cm) in guter Qualität eine Auflösung von 1920 x 1280 Pixeln (2,4 Megapixel), für optimale Qualität ist eine Auflösung von 2160 x 1440 Pixeln (3,1 Megapixel) nötig.
Eine digitale Kompaktkamera mit derselben Auflösung wie eine Spiegelreflexkamera bringt dieselbe Menge an Bildpunkten auf einer kleineren Sensoroberfläche unter. Eine Folge: Auf der kleinen Fläche erreicht weniger Licht jeden einzelnen der Bildpunkte, das Signal muss daher verstärkt werden, was wiederum mehr Störungen durch das sogenannte Bildrauschen mit sich bringt.

Bildrauschen
Die Ursache für das Bildrauschen sind physikalische Effekte auf dem Bildsensor und den dort untergebrachten Fotodioden, vor allem den sogenannten Dunkelstrom (mehr bei SPIEGEL WISSEN) . Wie stark diese Effekte im Foto sichtbar (siehe Foto mit 1600 ISO) sind, hängt von mehren Faktoren ab: – Bei gleicher Auflösung rauschen Sensoren mit kleinerer Oberfläche stärker als größere.
+ Je stärker die Lichtempfindlichkeit der Kamera eingestellt ist, umso stärker ist das Rauschen, da das vom Sensor eingehende Signal verstärkt wird – einschließlich der Störungen.
+ Je wärmer der Sensor ist, umso stärker ist das Bildrauschen. Digitalkameras nutzen diverse Software-Routinen, um das Bildrauschen schon beim Abspeichern einer Aufnahme herauszurechnen.
Die Hersteller nutzen verschiedene Verfahren mit unterschiedlichen Ergebnissen. Manchmal beeinträchtigt die Rauschunterdrückung wiederum die Schärfe eines Bildes sichtbar.


Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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