Libreka: Darum floppt das E-Book-Portal des Buchhandels (Spiegel Online, 13.3.2009)
Libreka
Darum floppt das E-Book-Portal des Buchhandels
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels präsentiert das Portal Libreka als Such- und Kaufmaschine für E-Books. Im Selbstversuch enttäuscht die Plattform: Die Bedienbarkeit ist bescheiden, aktuelle Bestseller fehlen – immerhin gibt es Gartenbücher.
Spiegel Online, 13.3.2009
100.704 Bücher!
100.704 digitale Bücher deutschsprachiger Verlage kann man nun im Web im Volltext durchsuchen. So steht es derzeit auf der Startseite der E-Book-Plattform Libreka, über die der deutsche Buchhandel irgendwann eine Menge digitale Bücher verkaufen will. Zur Eröffnung der Plattform am Donnerstag klang es in manchen Meldungen so, als sei nun jedes dieser 100.704 Bücher zu kaufen.
Das wäre eine Sensation.
Die Wirklichkeit ist dagegen enttäuschend. Auf der Libreka-Startseite steht eine aktuelle Bestsellerliste “Belletristik”. Kein Titel darauf ist anklickbar. Kopiert man nun den Top-Titel “Bis(s) zum Ende der Nacht” von Hand in das Libreka-Suchformular, taucht als erster Treffer ein 2005 erschienener Roman namens “Ende der Nacht” auf – Stephenie Meyers “Bis(s) zum Ende der Nacht” ist nicht auf der ersten Trefferseite zu sehen. Eine Fehlfunktion?
Setzt man den Buchtitel “Bis(s) zum Ende der Nacht” im Suchfenster in Anführungszeichen, taucht immerhin auf Platz sechs der Trefferliste das Hörbuch zum Roman auf. Man kann sich die Vorder- und Rückseite anschauen – mehr nicht.
Ein zweiter Versuch mit dem Bestseller “Feuchtgebiete”: Gibt man den Buchtitel in der erweiterten Libreka-Suche im Suchfeld Titel ein, teilt Libreka dem potentiellen Käufer mit: “Ihre Suchanfrage nach ‘Buchen Titel enthält Feuchtgebiete’ lieferte keine Ergebnisse.” Was immer das heißen soll – Feuchtgebiete ist im Libreka-Katalog nicht zu finden.
Eine Autorin namens Charlotte Roche? Libreka: “Ihre Suchanfrage nach ‘Autor enthält charlotte roche’ lieferte keine Ergebnisse.”
Ein Autor namens Uwe Tellkamp? Libreka findet immerhin einen Roman des Schriftstellers – “Der Eisvogel”, erschienen 2005. Kaufen kann man auch dieses E-Book aber beim besten Willen nicht – wer sich registriert, kann es “Zur Wunschliste hinzufügen”. Wer sich registriert hat, kann auch auf einen Knopf namens “Warenkorb” klicken – und dann die Aufforderung lesen: “Bitte wählen Sie einen oder mehrere Titel aus und fügen Sie sie dem Warenkorb hinzu.” Das Problem ist: Man findet einfach keine Titel, die sich in diesen Korb legen lassen.
Eine Verkaufsverhinderungsplattform?
Warum? Ronald Schild, Geschäftsführer der Marketing-Tochter des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, erklärt: “Wir verkaufen im Moment einige tausend der hunderttausend auf Libreka hinterlegte Titel als E-Book. Wir werden das Angebot schnell ausbauen. Ich erwarte, dass wir in einigen Monaten jedes dritte bis vierte auf Libreka verfügbare Buch als E-Book verkaufen.”
Warum man sich nicht einfach alle erhältlichen Titel anzeigen lassen kann, erklärt der Börsenverein so: “Es ist wenig sinnvoll, eine Suchfunktion nach E-Books einzurichten, da die Kunden in der Regel im Volltext suchen. Gefundene Titel können sie dann gegebenenfalls kaufen.”
Im Klartext: Es gibt auf der zentralen Plattform zum Vertrieb von E-Books des deutschen Buchhandels keine Übersicht der als E-Book erhältlichen Titel.
Entweder stolpert man bei der Suche zufällig über ein Angebot oder man weiß vorher irgendwoher, mit welchen Suchbegriffen sich E-Books finden lassen. Zwei Tipps hat da Geschäftsführer Schild: “Suchbegriffe wie Nickelallergie und Gartenpflanzen sind nur zwei Beispiele, für die man heute schon bestellbare E-Books im Angebot findet.”
Das klappt in der Tat: Den Ratgeber “333 Gartenpflanzen” von Martin Haberer kann man für 5,90 als PDF-Dokument kaufen. Im Buchhandel kostet die gedruckte Ausgabe 7,90 Euro. Die Preise für E-Books legen die Verlage fest, Libreka ist nur eine Vertriebsplattform.
Der Börsenverein geht davon aus, dass bei E-Books, die ein Ersatz für eine Papierversion sind, die Preisbindung gilt. Billiger dürfen die Digitalausgaben trotzdem sein, wie Libreka-Chef Schild erklärt: “Preisbindung heißt nur, dass ein E-Book überall gleichviel kostet. Ein Verlag kann für ein E-Book wie für die Taschenbuch- und die gebundene Ausgabe eines Werkes auch einen eigenen Preis festlegen.” In der Regel koste derzeit das E-Book 10 bis 20 Prozent weniger als die günstigste gedruckte Version.
Bizarre Momente beim Internet-Shopping
Wenn man denn einmal ein E-Book gefunden hat, geht das Einkaufen bei Libreka erst mal recht zügig: In den Warenkorb legen, zum Bezahlen weiterklicken. Dann kommt allerdings eine merkwürdige Meldung: Libreka verlangt unter der Überschrift “Bezugsquellen”, man solle einen Verkäufer auswählen. Zur Auswahl stehen Buchhandlungen in der Nachbarschaft, der Verlag und einige Online-Händler. Klickt man verwirrt auf den Hilfe-Button, gelangt man auf eine allgemeine Hilfeseite, in der etwas über Javascript und Systemanforderungen, aber nichts über Bezugsquellen und Verkäufer steht.
Der Hintergrund ist dieser: Da beim Verkauf gebundener Bücher die Buchhändler einen ordentlichen Schnitt machen und der Börsenverein natürlich auch in ihrem Interesse handelt, hat man diesen Analogverkauf so gut es geht digital nachgebildet – die örtlichen Buchhändler bekommen den virtuellen Kauf, an dem sie selbst in keiner Weise beteiligt waren, quasi als Spende gutgeschrieben. Daher die merkwürdige Verkäuferauswahl.
Warum Libreka es nicht schafft, das beim Bestellprozess zu erklären, ist nicht nachvollziehbar.
Warum der Verband es nicht geschafft hat, seinen Mitgliedern einfach anteilig Tantiemen auszuschütten, statt ein bizarres virtuelles Buchhandel-Shoppen einzuziehen, ist eine weitere Frage: Denkt man das konsequent in die Zukunft fort, könnte ein Buchhändler im Extremfall seinen physischen Laden schließen und auf zufällige Spendenzuflüsse aus dem Internet vertrauen. Oder sein Tätigkeitsfeld auf Werbekampagnen nach dem Motto “Kaufen Sie bitte angeblich bei mir!” verlegen. Doch Spaß beiseite: So lange Libreka Kaufwilligen so gut wie nichts bietet, ist das in Wahrheit keine Option.
Bezahlen kann man bei Libreka nur mit Kreditkarten, aber dann ist immerhin der Download-Link auch sofort da und man kann die 46 Megabyte große PDF-Version (Downloads im Epub-Format will Libkrea in den nächsten Wochen anbieten) der “333 Gartenpflanzen” herunterlanden. Das PDF ist geschützt – das Drucken oder Kopieren von Passagen ist unmöglich. Wer aus so einem E-Book zitieren will, muss die Textpassagen von Hand abtippen. Auch das ist wie der gesamte Bestellprozess eine sehr aufwendige Nachbildung des analogen Buchs.
Psychologisches DRM
Verlage können bei Libreka ihre Digitalbücher auch in einem kopiergeschützten Format mit DRM-Software einstellen. Aber, so Libreka-Chef Schild: “Dateien per DRM zu schützen empfehlen wir nicht. An solchem DRM-Schutz sind vor allem Verlage von Wörter- und Lehrbüchern interessiert. Im Moment hat kein E-Book auf Libreka einen DRM-Schutz.”
Allerdings, schränkt Schild ein, “wird jedes PDF mit einem Wasserzeichen versehen, das den Namen des Käufers und eine individuelle Seriennummer enthält”.
Das nennt Schild eine Art “psychologisches DRM” – man gebe den Kunden einen “Vertrauensvorschuss”. Schild: “Wir wollen ein großes Angebot an digitalen, nicht kopiergeschützten Inhalten haben, das Kunden nutzen können. Wir wollen keine Klagewelle, sondern E-Books verkaufen.”
Alexander Skipis, der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, hatte das anlässlich der Eröffnung der Plattform noch etwas anders erklärt: Er scheint schon jetzt zu wissen, dass Tausende von Buchkunden durch E-Book-Raubkopiererei bald zu Kriminellen würden: “Wir werden in aller Schärfe gegen den illegalen Download, gegen den Diebstahl im Internet, vorgehen und die Gerichte mit Tausenden von Verfahren beschäftigen”, drohte er schon einmal präventiv in Leipzig.
Mit der aktuellen Version von Libreka dürfte das allerdings so wenig nötig werden, wie der Verkauf von Büchern gelingen.