Lokale Videoplattform: YouTube startet deutsche Seite (Spiegel Online, 8.11.2007)
Lokale Videoplattform
YouTube startet deutsche Seite
Wer braucht diese Seite? Heute startet YouTube.de. Dabei gehört die US-Seite hierzulande eh schon zu den beliebteste Video-Portalen. Immerhin ist jetzt die Menüführung ins Deutsche übersetzt.
Spiegel Online, 8.11.2007
"YouTube gibt es jetzt auch auf Deutsch", tönt das Videoportal auf seiner deutschen Seite Youtube.de. Bis gestern wurde man von hier auf das US-Angebot weiterleitet. Heute heißen die "Featured Videos" der US-Seite "Empfohlene Videos". Abgesehen von der Übersetzung sieht die deutsche YouTube-Ausgabe genauso aus wie das US-Vorbild.
Warum sollte YouTube auch das Angebot großartig ändern? Schon die US-Seite zählt in Deutschland zu einem der beliebtesten Video-Angebote im Netz. Zum Deutschland-Start ruft die Google-Tochter YouTube einen deutschen Talent-Wettbewerb aus, der deutsche Zuschauer offenbar dazu animieren soll, eigene, kreative und möglichst witzige Clips einzustellen.
Die YouTube-Macher hoffen auf Video-Talente, die cineastische Kleinodien wie "Gartenzwerg-Weitwurf" oder "Hosen-ohne-Hände-anziehen" produzieren. Bis zum 25. November soll man Filme hochladen, am 6. Dezember wird der Gewinner den "Secret Talent Award" in Berlin verliehen bekommen. Erste Clips:
Wladimir Klitschko lässt einen 20-Euro-Schein schweben, Sänger Pohlmann bemalt seinen Gitarrenkoffer und die HipHopper Dynamite Deluxe sprechen rückwärts (siehe Clip unten).
YouTube hat auch Medienpartner gewonnen. Neben der FDP, die schon seit 2006 Werbe-Clips in einem eigenen YouTube-Kanal präsentiert, vermarktet nun das ZDF Filmbeiträge über seinen YouTube-Kanal. Der Sender hatte schon zuvor vereinzelt Beiträge eingestellt – das YouTube-Mitglied "ZDF" ist seit dem 2. Mai 2006 angemeldet.
Zum Deutschland-Start von YouTube zeigt der Sender 94 Videos. Die Auswahl wirkt beliebig. Statt aktueller Nachrichten kann man sich auch einen siebenminütigen Beitrag von 1986 über das Elite-Internat "Schloss Salem" ansehen. O-Ton: "Schule schwänzen im Internat? Undenkbar. Dort herrschen Zucht und Ordnung."
ZDF wirbt auf YouTube für Mediathek
Als Top-Video zeigt das ZDF einen Werbeclip, in dem Moderator Claus Kleber den Umgang mit der ZDFmediathek – ein geschlossenes Online-Filmangebot des ZDF – demonstriert. Und das auf YouTube, einer gänzlich anderen Plattform, wo Clips hauptsächlich dadurch populär werden, dass man sie mühelos auf anderen Seiten einbetten kann. Die Funktion hat das ZDF bei seinen Clips von YouTube deaktivieren lassen – Web 0.2 gewissermaßen.
Die deutsche Seite kann man nur schwer als Frontal-Angriff von YouTube auf deutsche Videohoster sehen – schon das US-Angebot dominiert hierzulande den Markt. Anfang November hatte der Student Betram Gugel in seinem Blog die Zugriffszahlen auf die Topvideos bei deutschen Seiten wie Clipfish, MyVideo und Sevenload analysiert. Sein Fazit damals, als es noch keine deutsche YouTube-Version gab: "Ich gehe eher davon aus, dass YouTube in nicht allzu langer Zeit den Videomarkt in Deutschland ähnlich dominieren wird, wie es Google bei den Suchmaschinen tut."
Außerdem, so Gugel, gebe YouTube auch bei den von Nutzern selbstgedrehten Clips vor, was gerade lustig und angesagt ist – viele Nutzer würden einfach YouTube-Videos kopieren und auf den deutschen Seiten neu einstellen: "Entweder werden die lustigen Videos von YouTube und Co. geleechet (etwa: "gesaugt", Red.) oder es werden vom Plattformbetreiber wahllos professionelle Inhalte auf die Plattform gestellt."
Kurzum: Durch den Deutschland-Start ändert sich außer der in den Menüs verwandten Sprache bei YouTube herzlich wenig.
Später Start wegen Urheberrechtsfragen
Verzögert hatte sich der Start in Deutschland offenbar wegen Verhandlungen mit der Verwertungsgesellschaft Gema. Im Juni war YouTube schon mit lokalen Seiten in Polen, Frankreich, Großbritannien, Japan und fünf anderen Staaten gestartet. In Deutschland dauerte es noch mal vier Monate. Die Gema hatte im November 2006 von Google Lizenzgebühren für die YouTube-Clips gefordert. Schon damals verhandelte der Verband mit dem Internetkonzern über die Abgeltung von Videos sowie darüber, nicht lizenzierte Musik zu löschen.
Die Gema vertritt die Nutzungsrechte der Werke von Musikern und Komponisten. Für jede öffentliche Aufführung ihrer Musik (Party, Kneipe, Podcast, YouTube-Clip) wird eine Abgabe fällig. Diesen Juli wurden die Verhandlungen abgeschlossen. Damals sagte Gema-Syndikus Alexander Wolf der "Wirtschaftswoche": "Bei den Rechten, die die Gema vergeben kann, sind wir uns mit YouTube einig."
Allerdings verhandelte YouTube damals noch mit dem Deutschen Musikverleger-Verband, der Interessen von Plattenfirmen wie EMI vertritt. Bei den Gesprächen ging es auch um die sogenannten Synchronisationsrechte, also die Erlaubnis, bestimmte Musik-Aufführungen mit Bewegtbildern zu verknüpfen. Diese Rechte haben Interpreten oft ihren Plattenfirmen verkauft. Auch diese Verhandlungen scheint YouTube in Deutschland nun abgeschlossen zu haben.
Super-Filter soll Nazi-Clips blockieren
Das Unternehmen bemüht sich seit Monaten darum, urheberrechtlich bedenkliche Inhalte von seiner Plattform zu verbannen. Anfang Oktober hat YouTube eine eigene Filtertechnik vorgestellt, die derzeit im Testbetrieb läuft (siehe Kasten unten).
URHEBERRECHT: SO FUNKTIONIERT DER YOUTUBE-FILTER
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Mit diesem Filter will YouTube offenbar auf der deutschen Plattform auch gegen hierzulande illegale Inhalte vorgehen. Das hatte das Unternehmen SPIEGEL ONLINE im August bestätigt. Kay Oberbeck, Google-Sprecher für Nordeuropa, sagte: "Wir arbeiten an einem Verfahren, mit dem einmal gelöschte Videos nicht wieder online gestellt werden können" und bezog diese Aussage ausdrücklich auch auf Nazi-Videos.
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