Lumix GF1: Schein-Spiegelreflex fotografiert mit Wechselobjektiven (Spiegel Online, 30.10.2009)
Lumix GF1
Schein-Spiegelreflex fotografiert mit Wechselobjektiven
Kleine Kamera, großer Sensor, viele Objektive: Die Lumix GF1 ist die zweite Systemkamera im Jackentaschen-Format. Die Technik verspricht höhere Bildqualität – SPIEGEL ONLINE hat die Kamera ausprobiert und mit Kompaktknipsen verglichen.
Spiegel Online, 30.10.2009
So sieht eine Foto-Revolution aus: Seit einigen Wochen ist die Olympus E-P1 im Handel, die bislang wohl leichteste und kleinste Kamera mit Wechselobjektiven. Nun verkauft Panasonic eine zweite Kamera dieses neuen Typs. Die Lumix GF1 wiegt mit einer Festbrennweite (40 mm Kleinbild-Äquivalent) und Akku gut 400 Gramm und passt dabei in die Jackentasche.
Das ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Zum einen kann man an der GF1 die Objektive wechseln wie an herkömmlichen, doppelt so großen Spiegelreflexkameras. Zum anderen ist der Bildsensor der GF1 viel größer als bei den kleineren Kameras – gut fünfmal so groß. Das bedeutet: höhere Bildqualität, mehr Details, weniger Bildrauschen bei Fotos im Dämmerlicht.
Benutzbarkeit, Funktionen, Bilder – SPIEGEL ONLINE probiert die Immer-dabei-Kamera mit Wechseloptik aus.
Bedienung – leicht und logisch
Je nachdem, welches Objektiv man an der GF1 nutzt, taugt die Kamera als Immer-dabei-Werkzeug. Mit der 20-mm-Festbrennweite (Kleinbild-Äquivalent 40 mm) passt die GF1 bequem in die Jackentasche. Die GF1 ist nicht so klein wie Kompaktkameras, vor allem nicht, wenn man statt der Festbrennweite ein Zoomobjektiv ansetzt – selbst der einfache Dreifach-Zoom macht die Kamera deutlich dicker. Aber im Vergleich zu Spiegelreflexkameras ist die GF1 erheblich kleiner und vor allem leichter. Hier muss man keine Rückenschmerzen fürchten, wenn man mit zwei Objektiven in der Tasche unterwegs ist. Die Maße sind ähnlich kompakt wie die des direkten Konkurrenten Olympus EP1.
Obwohl die Oberfläche der GF1 deutlich kleiner als die einer Spiegelreflexkamera ist, sind die Bedienelemente weder gedrängt noch dezimiert. Selbst wer in einer Halbautomatik oder einem völlig manuellen Modus fotografiert und entsprechend viele Details selbst einstellen muss, schafft das recht schnell dank logisch angeordneter Bedienelemente.
Ein Moduswahlrad muss genügen
Es gibt ein Moduswahlrad, mit dem man diverse voll-, halb- und gar nicht automatische Programme auswählt. Neben diesem Rad sitzt ein Schalter, mit dem man zwischen Einzelbildern, Belichtungsreihen, Serien und dem Selbstauslöser wechselt. So weit so logisch, nur verstellt man immer wieder beim Drehen am Moduswahlrad unabsichtlich die Auslösefrequenz. Das ist wenig durchdacht.
Zum Einstellen von ISO-Empfindlichkeit und anderer bei manuellen Modi wichtigen Details (Blende, Belichtungszeit) dient ein Wahlrad an der Rückseite. Wenn man dreht und drückt, werden andere Funktionen verstellt als beim bloßen Drehen – das funktioniert recht gut und spart Platz. Bei der ähnlich kleinen Olympus EP1 geht das dank zweier Wählrädchen noch etwas schneller, dafür fehlt der EP1 der großartige Videoauslöser der GF1. Da die Kamera in HD-Qualität filmt, liegt es nahe, diese Funktion für Schnappschuss-Aufnahmen leicht verfügbar zu machen. Mit der GF1 filmt man noch schneller los als mit der Olympus EP1 – ein Knopfdruck genügt.
Ärgerlich ist der US-Anschluss der GF1: Hier passt nur ein spezielles Kabel rein. Absurderweise unterscheidet sich der proprietäre Anschluss sogar von dem der recht ähnlichen Lumix GH1. Unnötig ärgerlich.
Ausstattung – kein Sucher, mittelmäßiges Display
Die GF1 ist recht teuer: Im Paket mit einem Kit-Objektiv kostet das Gehäuse knapp 800 Euro. Da ist es unverständlich, dass einige Einsparungen bei der Ausstattung die GF1 zur Kompromiss-Knipse machen: Da ein optischer Sucher fehlt (einen digitalen Aufstecksucher mit 202.000 Bildpunkten kann man für 170 Euro nachkaufen) muss die Aufnahme mit Hilfe des Monitors komponiert werden. Da ist eine hohe Auflösung wichtig, damit man auf dem Live-View-Bild nicht nur erahnen, sondern tatsächlich sehen kann, was man wie fotografieren wird.
Der Digitalsucher ist dafür ungeeignet, der Bildschirm mit 460.000 Bildpunkten Mittelmaß. Immerhin erkennt man darauf mehr als beim Display der Kompakt-Konkurrentin EP1 – deren Bildschirm zeigt nur 230.000 Bildpunkte. Da ist die GF1 eindeutig besser, allerdings verbaut zum Beispiel Ricoh in seiner deutlich günstigeren Kompaktknipse CX2 ein 3-Zoll-Display mit 920.000 Bildpunkten – das wünscht man sich auch bei einer 800-Euro-Kamera mit Wechselobjektiven, die ohne brauchbaren Sucher daherkommt.
Höhere Displayauflösung als bei der Olympus Pen
Den HD-Videomodus verkrüppelt Panasonic zu einem Gimmick, indem man die GF1 bei der Tonaufnahme auf das im Gehäuse eingebaute Mikro beschränkt. Das zeichnet nur in Mono auf und nimmt viel Stör- und Umgebungslärm auf. Schade, dass ein Eingang fürs externe Mikrofon fehlt.
In einigen Details unterscheidet sich die GF1 von der Olympus Pen: Die Panasonic-Kamera hat keinen mechanischen Bildstabilisator, man ist bei schlechten Lichtverhältnissen also auf stabilisierte Objektive angewiesen, wenn man aus der Hand fotografiert. Dafür hat die GF1 einen kleinen integrierten Blitz – der taugt allerdings höchstens zum Aufhellen von Schnappschüssen auf ein, zwei Meter Distanz. Auffällig ist, dass der Autofokus der GF1 schneller und präziser arbeitet als der mit demselben Prinzip arbeitende der EP1.
Der Bildsensor ist in den beiden kompakten Systemknipsen gleich groß: Beide arbeiten mit einem Sensor im Four-Thirds-Format (2,24 Quadratzentimeter Fläche), der zwar etwas kleiner als der von Spiegelreflexkameras im APS-C-Format (3,28 Quadratzentimeter etwa bei der Canon EOS 350D) ist, aber alle Kompaktknipsen (mit Ausnahme der Sigma DP1 und DP2 und der Leica X1) bei weitem übertrifft, wovon die Bildqualität enorm profitiert.
Von den zwei für die GF1 vorgesellten Objektiven macht die Arbeit mit der 20-mm-Festbrennweite weit mehr Spaß als die mit dem Dreifach-Zoom: Das Objektiv ist klein, leicht, hat eine für Porträts und Momentaufnahmen ideale Brennweite und liefert Bilder in erstaunlicher Qualität. Es soll möglich sein, mit Hilfe von Adaptern auch Objektive für das Four-Thirds-Format zu nutzen, außerdem soll ein Adapter für die Olympus-OM-Linsen erhältlich sein. Ob die GF1 als Erstkamera etwas taugt, muss sich zeigen. Das hängt davon ab, wie die Objektivauswahl sich entwickelt, wie gut alte Objektive mit diesem neuen Gehäuse zusammenarbeiten.
Video – ein nettes, kleines Extra
Mit der Kamera filmt es sich sehr ordentlich. Der Druckpunkt am Aufnahmeknopf könnte allerdings etwas deutlicher sein. Der Autofokus funktioniert auch beim Filmen – was für Fotoapparate keine Selbstverständlichkeit ist. Problematisch ist – wie bei jeder Fotokamera – die Bauweise, die nicht darauf ausgerichtet ist, die Kamera längere Zeit ruhig in der Hand zu halten.
Und wie bei anderen Kameras auch, verwackelt das Bild, wenn man am Zoom-Ring dreht – wenn auch in erträglichen Maßen. Was die Einschätzung der Bildqualität schwierig macht, ist das Videoformat: Die .mts-Dateien ließen sich mit mehreren Videoprogrammen nicht korrekt öffnen. Erst die Suche im Netz förderte ein geeignetes Konvertierungsprogramm zutage. Die Qualität ist ordentlich, der Videomodus taugt aber insgesamt nur als Gimmick, den man im Notfall mal nutzt. Filme wird mit dieser Kamera niemand drehen wollen.
Bildqualität und Fazit
Vergleicht man die in Schummerlicht entstandenen Fotos der GF1 mit denen einer Kompaktkamera wie der Ricoh CX2 mit kleinerem Bildsensor, fallen die Unterschiede deutlich auf: Die Kompaktkamera mit dem kleinem Fotosensor zeichnet bei schlechtem Licht Fotos mit Bildrauschen auf. Auch bei mit Tageslicht entstandenen Fotos sind die Unterschiede deutlich: Die Kombination von großem Sensor und gutem Objektiv bei der GF1 erfasst bei fein strukturierten Oberflächen erheblich mehr Details als die Kompaktkamera. Das Spiel mit der Schärfentiefe liefert bei beiden Kameras schöne Ergebnisse.
Im Vergleich mit der Olympus EP1 ist kein klarer Sieger auszumachen, was die Bildqualität angeht. Überlässt man die Umwandlung der Daten in JPGs der Kamera, errechnet die EP1 etwas knalligere Farben, während die GF1 sich bin Eingriffen sehr zurückhält. Aber wer die Rohdaten der Kameras selbst bearbeitet, sieht, dass die Unterschiede nicht gravierend sind. Beide Kameras liefern Bilder in guter und in manchen Beleuchtungssituationen deutlich besserer Qualität als Kompaktkameras. Natürlich sind Nachtaufnahmen nicht ganz so gut wie die von Spiegelreflexkameras, die das einfallende Licht mit noch größeren Bildsensoren auswerten.
Die Kompromiss-Kamera
Die GF1 ist wie die Olympus EP1 eine Kamera, die nichts perfekt kann – sie ist nicht federleicht, sie ist nicht das perfekte Werkzeuge für jede extreme Lichtsituation, aber mit ihr ist man flexibler als mit einer Kompaktkamera (wenn es dämmert) oder eine Spiegelreflex (leichter, immer dabei). Vor allem aber macht es sehr viel Spaß, mit der GF1 zu fotografieren. Es ist dasselbe Phänomen wie bei der Olympus EP1: Die Bedienung fällt auch in der Halbautomatik leicht, die Kamera liegt gut in der Hand und ist leicht genug, um sie immer dabei zu haben. Im direkten Vergleich mit der EP1 fällt bei der GF1 der schnellere Autofokus ins Gewicht: Der erspart einem viel Ärger beim Fotografieren – mehr als Gimmicks wie der Mini-Blitz.
So viel Spaß das Fotografieren mit der GF1 auch macht, empfehlen kann man den Kauf derzeit wirklich nur Fotografen, die unbedingt Ersatz für eine gerade eben kaputtgegangene anspruchsvolle Kompaktkamera wie die Canon G10 suchen: Wer unbedingt und sofort eine anspruchsvolle und teure Kompaktkamera haben will, ist mit der GF1 gut beraten. Wer warten kann, sollte das tun und verfolgen, wie sich das Objektivangebot für die EP1 und GF1 entwickelt, wie alte Objektive in Tests an diesen neuen Gehäusen abschneiden. Außerdem dürfte in den neuen Markt für kompakte Systemkameras schon bald Bewegung kommen: Ricoh und Samsung werden in den kommenden Monaten solche Kameras vorstellen und vielleicht die Preise in Bewegung bringen.
Die GF1 ist nicht so schnell und häufig nicht so gut wie eine Spiegelreflex. Und für Menschen, die einfach Schnappschüsse bei Tageslicht machen und ab und an eine interessante Optik ohne großen Aufwand haben wollen, ist eine rauschende und Rohdaten-freie, aber billige Kompaktkamera wie die Ricoh CX2 die erheblich günstigere Wahl. Mit dem Hochkontrast-Schwarzweiß-Modus der CX2 kann man das so verhasste Rauschen des Bildsensors sogar ganz interessant aussehen lassen.