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Macworld-Expo: Apple beerdigt den Kopierschutz (Spiegel Online, 6.1.2009, mit Matthias Kremp)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
7 minuten gelesen

Macworld-Expo

Apple beerdigt den Kopierschutz

Ein kleiner Knaller zum Abschied: Bei Apples letzter Macworld-Show kündigt der Konzern an, bald nur noch kopierschutzfreie Musik zu verkaufen. Runderneuerte Computer gibt es nicht – dafür das überfällige MacBook in 17 Zoll, spannende Foto- und Videotools und kümmerliche Bürosoftware fürs Internet.

Spiegel Online, 6.1.2009, mit Matthias Kremp

Die Jeans von Apple-Manager Phil Schiller erinnert an Steve Jobs. Sonst nichts.


Der Marketing-Chef des Konzerns tritt in einer hellblauen, etwas schlabberigen Hose in San Francisco vor rund 3000 Apple-Fans auf die Bühne. Er hat wenig mit dem Apple-Boss Jobs gemein, der hier in den vergangenen Jahren unter frenetischem Applaus stets neue Produkte zeigte, in diesem Jahr aber darauf verzichtet hat – obwohl es das letzte Mal ist, dass Apple auf der Macworld seine Produkte präsentieren will. Phil Schiller trägt ein blaues Hemd, das seinen Bauchansatz betont, er lächelt freundlich-harmlos und spricht mit der ruhigen, tiefen Stimme eines Märchenerzählers.

Jobs war der Magier – Schiller ist der nette Onkel.

Und so nett beginnt er auch. "Aus tiefstem Herzen vielen Dank, dass
sie gekommen sind", sagt er und fügt einen Seitenhieb gegen die
Macworld hinzu: Jede Woche kämen in die Apple Stores weltweit 3,4
Millionen Menschen. "Hundertmal so viele Menschen wie zur Macworld."

Ein paar Leute klatschen, einige pfeifen. Dann legt Schiller mit dem los, was er besser kann: Produktvorstellungen.

Gesichtserkennung, ein Mini-Online-Office und 10 Millionen Songs
ohne Kopierschutz – SPIEGEL ONLINE zeigt die Apple-Überraschungen von
der Macworld Expo:

iTunes-Lieder künftig ohne Kopierschutz

Bislang war Apples Musikladen iTunes für sein einfaches Preismodell
bekannt – jeder Song kostet 99 Cent. Die Musikindustrie stänkert seit
Jahren gegen das unflexible Preismodell. Gerne würden die Firmen neue
Hits teurer verkaufen als weniger gefragte ältere Angebote.

Apple hat nun nachgegeben: Die vier großen Musikkonzerne dürfen Songs
zu 0,69, 0,99 oder 1,29 US-Dollar verkaufen – respektive Euro, denn
aller Erfahrung nach werden die Preise 1:1 übertragen. Schiller
versprach, es werde mehr Lieder für 0,69 Dollar denn für 1,29 Dollar
geben.

Im Gegenzug beerdigt Apple in seinem "iTunes Plus" genannten Angebot den Kopierschutz
(Digital Rights Management, DRM, mehr auf SPIEGEL WISSEN…).
Er begrenzte bisher die Zahl der Computer und Geräte, auf denen ein
Lied gespielt werden darf. Seine Abschaffung war schon lange ein Wunsch
des Konzerns – ab sofort sollen nun acht Millionen Lieder im
iTunes-Angebot komplett frei verkauft werden, ab April gar alle zehn
Millionen.

Wer geschützte Musik
in iTunes gekauft hat, soll sie Angaben auf der Apple-Website zufolge
für 30 Cent pro Stück entsperren lassen können. Bei Musikvideos sind es
60 Cent, bei Alben 30 Prozent des Preises.

Auch Amazon bietet alle Lieder in seinem Angebot ohne Kopierschutz an. Der Konzern war Apple damit zuvorgekommen.

Das neue 17-Zoll-MacBook-Pro

Als einzige neue Hardware präsentierte Schiller den überfälligen
MacBook-Pro-Laptop mit 17-Zoll-Display. Das Design ist an die aktuellen
MacBooks angelehnt. Der Bildschirm wird von stromsparenden LEDs
beleuchtet, das Gehäuse ist aus einem Block Aluminium gefertigt. Das
Gewicht gibt Apple mit knapp über drei Kilogramm an – ein sportlicher
Wert angesichts der Größe des Geräts.

Mit einer Auflösung von 1920 mal 1200 Pixeln eignet sich der
Bildschirm auch für HD-Videos. Als Einschränkung muss man aber den
vergleichsweise geringen seitlichen Blickwinkel von 140 Grad ansehen.
In der Standardausführung ist das Display stark spiegelnd. Eine
mattierte Version wird als Option angeboten, kostet aber 50 Dollar
extra. Im Inneren werkelt aktuelle Technik:

  • Intels Core-2-Duo-Prozessoren mit bis zu 2,93 Gigahertz,
  • bis zu 8 Gigabyte Speicher,
  • Festplatten mit bis zu 320 Gigabyte Kapazität oder alternativ Flash-Festplatten mit bis zu 256 Gigabyte,
  • doppelte Grafikkarten, die entweder viel Leistung bringen oder Strom sparen.

Als Highlight preist Schiller allerdings die neuen Akkus an, die
Apple für das 17-Zoll MacBook Pro entwickelt hat. Durch Verwendung
rechteckiger statt runder Zellen passen mehr Energiespeicher auf
denselben Raum wie bisher. Noch mehr Platz schafft der feste Einbau des
Akkus, der dafür nicht mehr vom Anwender austauschbar ist.

Als Ergebnis gibt
Apple stolze acht Stunden Akkulaufzeit für das große Notebook an. Dem
Kritikpunkt, dass der Akku nicht wechselbar ist, begegnet man mit dem
Argument, dass die neuen Batterien dreimal länger halten als
herkömmliche Akkus, bis zu tausendmal wieder aufladbar sind und so eine
Lebensdauer von rund fünf Jahren erreichen sollen.

Billig wird das aber nicht. 2799 Dollar kostet das neue MacBook
Pro. Zwar ist es trotz der vielen Neuerungen keinen Cent teurer als
sein Vorgänger – doch mit einigen Extras muss man schnell einen üppigen
Aufschlag bezahlen.

iLife ’09 – Geotagging und Gesichtserkennung

Das Multimedia-Paket iLife, eines der wichtigsten Kaufargumente für
viele Neukunden, wurde kräftig überarbeitet. Voll im Fokus stand dabei
das Bildbearbeitungs- und Verwaltungsprogramm iPhoto, das jetzt in der
Version ’09 daherkommt.

iPhoto ’09 –Faces und Places

Bilder können jetzt nicht nur nach Ereignissen, sondern auch nach
Gesichtern und Orten sortiert werden. Eine automatische
Gesichtserkennung sammelt alle Bilder einer Person zusammen. Damit das
funktioniert, muss man einem Porträt einmal einen Namen zuordnen, den
Rest erledigt die Software. Nur wenn das Programm sich nicht sicher
ist, fragt es, ob es die abgebildete Person korrekt erkannt hat. Das
gilt nicht nur für Porträts, sondern auch für Gruppenbilder. Der
Computer lernt dabei ständig hinzu.

Zusätzlich lassen sich Bilder jetzt mit Geodaten versehen, jedes
Foto also dem Ort zuordnen, an dem es aufgenommen wurde. Sind diese
Daten schon in der Bilddatei vorhanden, geht auch das automatisch –
beispielsweise bei Fotos aus dem iPhone 3G, die mit aktiviertem GPS
gemacht wurden.

Hat man keine GPS-fähige Kamera oder will ältere Bilder mit
Ortsdaten versehen, gibt man einfach den jeweiligen Ortsnamen zum Bild
ein. iPhoto sucht die passenden GPS-Koordinaten dann aus einer
Datenbank heraus. Damit man davon auch wirklich etwas hat, haben die
Entwickler Google Maps in iPhoto integriert. So kann man sich direkt
auf einer Karte oder einem Satellitenbild anzeigen lassen, wo das Foto
entstanden ist.

Diese als "Faces und Places" bezeichneten Funktionen können mit iPhoto
’09 auch direkt über die Web-Dienste Flickr und Facebook genutzt
werden. Markiert man zum Beispiel ein paar Personen auf einem
Gruppenfoto und lädt dieses auf Facebook, können die Namen von anderen
Nutzern gelesen und ergänzt werden. Die Änderungen werden automatisch
zurück in iPhoto übertragen.

In Flickr wiederum werden iPhotos Geodaten benutzt, um auf einer
Karte den jeweiligen Ort zum Bild anzuzeigen. Außerdem können solche
Karten jetzt auch in Fotobücher eingebunden werden.

Und schließlich wurden einige grafisch beeindruckende neue
Diashow-Funktionen eingebaut, die reichlich Applaus ernteten. Nicht
nur, weil die neuen Vorlagen gut aussehen, sondern auch, weil man
Diashows jetzt auf das iPhone übertragen kann.

iMovie ’09: Bildstabilisierung per Software

Apples Videoschnittprogramm für Amateure bekommt in der nächsten
Version eine Menge chicer Animationen. Zum Beispiel ein Werkzeug für
Landkarten, wie man sie aus den Indiana-Jones-Filmen kennt, wo eine
Linie vom Ausgangspunkt der Reise zum Ferienziel fährt. In der neuen
iMovie-Version muss man nur den Start- und Zielort eintippen, den Rest
erledigt das Programm.

Das sieht alles sehr schick aus, aber wirklich überraschend neu ist bei
iMovie die Software-Bildstabilisierung, die verwackelte Aufnahmen aus
Autos etwas verbessern soll. Die Software vergleicht in einem Videoclip
jedes Einzelbild mit dem folgenden, errechnet daraus die störende
Bewegung und gleicht sie so gut es geht aus. In dem gezeigten Beispiel
funktioniert das – natürlich – atemberaubend gut: Aus einem
verwackelten Safari-Clip, der von einem Geländewagen aus gedreht wurde,
wird ein ansehnlicher Kurzfilm, in dem man nun auch tatsächlich
erkennt, wie ein paar Gazellen am Horizont entlanglaufen. 

iWork ’09 – viel mehr und viel bunter

Keynote: Apples Präsentationsprogramm Keynote wurde um etliche,
teils grafisch sehr aufwendige Übergangsfunktionen ergänzt und
insgesamt um viele neue Vorlagen erweitert. Das Highlight aber ist,
dass man das iPhone künftig als Fernbedienung für Keynote benutzen
kann. So lassen sich Präsentationen per Fingerzeig steuern.

Pages: Das Textprogramm Pages wurde um Layout-Funktionen
ergänzt, die beispielsweise ganze Doppelseiten auf dem Bildschirm
anzeigen oder die Struktur eines Dokuments schnell ändern lassen.
Außerdem soll die Software jetzt besser dazu taugen, Serienbriefe oder
wissenschaftliche Dokumente zu erzeugen.

Numbers: Das Tabellenkalkulationsprogramm Numbers nähert sich
immer mehr dem Microsoft-Pendant Excel an. Dazu verfügt es jetzt über
ausgefeiltere Formelfunktionen, Sortierfunktionen und – natürlich –
verbesserte Möglichkeiten, aus den Zahlenreihen ansprechende Charts zu
basteln.

Die Software ist sofort verfügbar, kostet 79 Dollar und ist als
Family-Pack mit fünf Lizenzen für 99 Dollar zu haben. Neu ist das
Angebot, die Software beim Kauf eines Mac für 49 Dollar zu erhalten.
Außerdem gibt es künftig das Sorglos-glücklich-Paket für Mac-Fans, das
Mac Box Set für 169 Dollar. Darin enthalten: Mac OS X, iLife ’09 und
iWork ’09.

iWork.com – ein bisschen Online-Software

Apple wagt sich ein wenig weiter in das von Google dominierte Feld
der Online-Anwendungen vor. Zum neuen iWork-Paket gehört ein
Online-Dienst namens iWork.com.

Die Benutzung dieses
Dienstes soll irgendwann einmal Geld kosten – doch die Beta-Version ist
kostenlos. Auf iWork.com kann jeder iWork-Nutzer mit einem Mausklick
seine Dokumente veröffentlichen und Freunde per E-Mail zum Ansehen und
Kommentieren einladen. Alle iWork-Dokumente sollen von jedem PC und Mac
mit jedem Browser benutzbar sein. Mehr als kommentieren kann man im
Browser allerdings nicht – zum Bearbeiten muss man die Dokumente
herunterladen, wahlweise auch als PDF-Datei oder Office-Dokument.

Nette Idee, aber keine echte Online-Anwendung. Der Dienst bietet damit weniger als Googles Gratis-Online-Software
(mehr auf SPIEGEL WISSEN…).

Garageband ’09 – Tipps von den Stars

Die Software Garageband soll künftig nicht mehr nur beim Musikmachen
helfen, sondern auch das Erlernen von Instrumenten ermöglichen. Als
Beispiel wird eine Gitarrenlektion gezeigt, die ein Video vom
Gitarrenlehrer mit einer Abbildung eines Gitarrengriffbretts
kombiniert. Ganz ähnlich sehen die Lektionen für Klavier aus. Einige
grundlegende Lektionen werden mitgeliefert, weitere muss man für 4,99
Dollar pro Stück kaufen.

Um solche Lerneinheiten aufzupeppen, hat Apple etliche Stars
engagiert, die in eigenen Lektionen dem Lernenden jeweils einen ihrer
Hits erklären. Künstler wie Sting, John Fogerty und Norah Jones gehören
hier zu den Zugpferden der spaßigen Lehrstunden. Sehr nett für Fans:
Die Stars garnieren ihre Lektionen mit reichlich Anekdoten.


Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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