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Medienkrise: Murdoch plant angeblich das Bezahl-Web (Spiegel Online, 7.5.2009)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Medienkrise

Murdoch plant angeblich das Bezahl-Web

Medienzar Rupert Murdoch deutet wieder mal einen Strategiewandel an: Das Kostenlos-Internet funktioniere nicht, Medienfirmen müssten sich ein neues Geschäftsmodell fürs Web ausdenken. Gerüchten zufolge lässt Murdoch eine Bezahl-Plattform entwickeln.

Spiegel Online, 7.5.2009

Schlechte Geschäftszahlen und markige Worte von Medientycoon Rupert Murdoch. Bei einer Telefonkonferenz zur Vorstellung der aktuellen Quartalsergebnisse seiner Firma News Corporation (“Times”, “Wall Street Journal”, Fox News, HarperCollins) erklärte der 78-Jährige laut CNN, er erwarte, dass die Web-Angebote seiner Printmedien binnen eines Jahres kostenpflichtig werden.

Vorher hatte Murdoch erklären müssen, dass der Quartalsgewinn einmal wieder drastisch (um 47 Prozent auf 755 Millionen Dollar) gefallen ist. In der Zeitungs- und Fernsehsparte sanken die Betriebsgewinne um 99 und 97 Prozent. Murdoch drosch in der Fragerunde vor allem auf die Kostenlos-Kultur im Web ein: “Das gegenwärtige Geschäftmodell im Web funktioniert nicht.”

Mit derart griffigen Sprüchen, die Medienzar Rupert Murdoch in den vergangenen zwei Jahren zu Journalismus-Geschäftsmodellen abgegeben hat, könnte man ein kleines Büchlein füllen. Vergleicht man drei dieser markanten Prognosen, fällt auf, wie gern Murdoch seine Meinung ändert:

  • Mitte 2007 plante Murdoch die Übernahme des “Wall Street Journals” und spekulierte laut und öffentlich über ein Ende der Papierausgabe: “Wie wäre es”, fragt er rhetorisch, “wenn man eine Redaktion der Spitzenklasse zusammenkaufte, und das ‘Journal’ dann nur im Netz und völlig kostenlos anböte? Keine Druckereien, kein Papier, keine Lastwagen. Wie lange würde es dauern, bis die Werbung kommt? Es wäre jedenfalls erfolgreich, es würde funktionieren und man würde … ein kleines bisschen Geld verdienen.”
  • Im August 2007 – Murdochs Firma hatte gerade das “Wall Street Journal” übernommen – erzählte der Neu-Eigentümer Analysten, dass seine Manager ein Ende des Abo-Modells der Web-Seite WJS.com prüfen.
  • Anfang 2008 erklärte der Medienzar dann beim Weltwirtschaftsforum in Davos, das “Wall Street Journal” werde online doch nicht gratis – man plane eine Mischung: “Wir werden die kostenlosen Angebote des ‘Wall Street Journals’ im Web ausbauen und verbessern. Aber es wird ein starkes Angebot für Abonnenten geben.”

Bislang funktioniert Murdoch Vorzeige-Web-Seite WSJ.com in diesem Mischmodus: Niemand weiß so genau, welche Artikel nun tatsächlich Geld kosten: Die bei Google News zu findenden Artikel sind fast immer kostenlos zu haben, die Gratis-Software des “Wall Street Journals” fürs iPhone liefert ebenfalls alle Texte kostenlos.

Ansonsten sind die Web-Seiten von Murdochs großen Zeitungen wie “Times” und “Sun” komplett gratis zugänglich, seine Firma auch an dem US-Kostenlos-Web-Fernsehen Hulu.com beteiligt. Eine Strategie kann man da bisweilen nicht wirklich erkennen, es sei denn man will dieses pragmatische Mischmasch als solches sehen: Inhalte für ein breites Publikum bieten Murdochs Medien werbefinanziert und gratis an, Fachinhalte für zahlungskräftige Firmenkunden (WSJ.com) kosten, aber auch das nicht immer.

Nimmt man Murdochs markige Sprüche diesmal beim Nennwert, bereitet er nun aber wirklich die große Rundum-Web-Revolution vor. CNN zitiert ihn so: “Derzeit läuft eine epochale Debatte über den Wert von Inhalten und es ist vielen Zeitungen klar, dass das gegenwärtige Geschäftmodell nicht funktioniert.” Sein Unternehmen sei bei dieser Debatte an “vorderster Front” aktiv und man könnte sicher sein, dass Murdochs Firma “ganz vorne dabei ist, einen Weg zu gehen, der die Einnahmen maximiert”. Die Prognose des Tycoons: “Das Internet wie wir es heute kennen, ist bald vorbei.”

Das klingt ein wenig größenwahnsinnig. Gemeint hat Murdoch womöglich seinen Schrebergarten im Web – laut einem Beitrag von Ex-Newsweek-Reporter Stryker McGuire auf thedailybeast.com lässt Murdoch ein Team in New York, London und Sydney Pläne für Bezahlmodelle im Web erarbeiten. Laut McGuires anonymen Quellen gehe es bei den Modellen auch um Hardware, die Inhalte “benutzerfreundlich” aufbereitet. Welche Geräte damit gemeint sein könnten, lässt McGuire offen.

Bei der Bilanzpressekonferenz zumindest verkündete Murdoch stolz, 360.000 Menschen hätte bislang die kostenlose iPhone-Anwendung des “Wall Street Journals” heruntergeladen. Der WSJ.com-Artikel zu Murdochs neuen Sprüchen ist auf dem iPhone ebenfalls gratis zu lesen. Titel: “Get ready to Pay for Our Stuff Online.”


Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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