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Medienpartnerschaft: Wie Twitter Olympia übernommen hat (Spiegel Online, 31.7.2012)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Medienpartnerschaft

Wie Twitter Olympia übernommen hat

Twitter umwirbt prominente Politiker, Sportler, Künstler. Sie werden extra von Managern des Unternehmens betreut, damit sie den Dienst füttern. Damit generiert Twitter ständig Nachrichten – und manchmal Skandale. Genau das ist gewollt.

Spiegel Online, 31.7.2012

{jumi [*3]}

Sportler beschimpfen bei den Olympischen Spielen andere Sportler per Twitter, und alle können zufrieden sein: Medien bekommen Stoff, das Publikum Unterhaltung, Sportler neue, wenn auch nicht immer positive Aufmerksamkeit.

Der größte Gewinner bei diesem Spiel ist Twitter. Die Strategie des US-Unternehmens ist aufgegangen, schon wenige Tage nach Beginn der Olympischen Spiele: Das Unternehmen inszeniert sich als neues Online-Medium, als eine Mischung zwischen Nachrichtenagentur, Info-Seite, Klatschportal und Forum. Es funktioniert: Für Promi-Beschimpfungen bei diesen Olympischen Spielen ist Twitter eine bessere Quelle als Nachrichtenagenturen und Fernsehsender, viele Medien zitieren Twitter als Quelle.

Dass so viele Sportler via Twitter andere an ihrem Leben teilhaben lassen, ist auch der Akquise des Unternehmens zu verdanken. Twitter entwickelt sich zu einem Medienunternehmen, das sieht man an den gerade ausgeschriebenen Jobs. Twitter-Managerin Chloe Sladden (bis 2009 beim US-Fernsehsender Current TV) leitet den Bereich “Media, Content & Editorial” bei Twitter. Auf ihrem LinkedIn-Profil wirbt sie: “Wir stellen ein! In den Bereichen Sport, Nachrichten, Regierung und mehr.”

Twitter umwirbt prominente O-Ton-Geber

Die Aufgabe dieser gesuchten “Partnership Manager”: Sie sollen Sportler, Politiker, Musiker und sonstige Prominente zum Twittern bringen. Sie sollen ihnen zeigen, wie man das Publikum bei Laune hält und sie sollen dafür sorgen, dass die Promis regelmäßig etwas veröffentlichen, so steht es in den Jobbeschreibungen. Twitter schafft so kostenlos exklusive Inhalte heran, aus Politik, Sport, Showbiz.

Denn den Promis, die sich mit Twitter direkt an ihr Publikum wenden, verdankt der Dienst all die Beschimpfungen und Peinlichkeiten, die ihn so interessant machen. Nicht ganz so routinierte Promis liefern die besten Tweets, weil kein Berater, kein Journalist, kein Interviewer vermittelt. Medien greifen diese Wortmeldungen auf, nutzen Twitter wie eine O-Ton-Nachrichtenagentur.

Twitter entwickelt sich zu einer neuen Art von Medienunternehmen, einem, das keine Journalisten beschäftigt, sondern Fotos, Geschichten, Wortmeldungen und Videos anderer, meist unmittelbar am Geschehen Beteiligter zeigt. Nicht nur das, ausgewählte Tweets werden hervorgehoben, interessante Themen und Nutzer präsentiert, aktuelle Trends angezeigt.

Twitter spart sich Vermittler

Bei den Olympischen Spielen ist Twitter zum Beispiel in den Vereinigten Staaten eine Partnerschaft mit dem Fernsehsender NBC-Universal eingegangen (GE, der Mutterkonzern des Senders, ist ein Sponsor der Olympischen Spiele). Im NBC-Programm wird ständig auf Twitter verwiesen, bei Twitter pflegen Angestellte eine Übersichtsseite zu den Spielen, platzieren dort prominent Tweets von Sportlern und NBC-Reportern. Laut “Wall Street Journal” hat Twitter schon vor Monaten massiv mit der Akquise von Anzeigen und unbezahlten Promi-Twitterern für die Olympischen Spiele begonnen.

Es ist nicht die erste Kooperation. In den Vereinigten Staaten ist Twitter Partner der Nascar-Autorennen, berichtet über einzelne Rennen, präsentiert Fotos von den Strecken und besondere Live-Veranstaltungen mit Fahrern.

Bei diesen Partnerschaften ist Twitter in einer interessanten Rolle: Der Dienst ist kein Medienangebot im klassischen Sinn, deshalb kann die Firma ohne Bedenken Pressesprecher, Firmen und Prominente unmittelbar, ungefiltert und ungeprüft zu Wort kommen lassen. Das hat für Twitter mehrere Vorteile: Es ist billiger, weil man weniger Personal braucht – niemand muss Interviews führen, die Promis erzählen ihre Geschichten selbst. Und sie sind für die Äußerungen erst mal selbst verantwortlich, eine Sorgfaltspflicht sieht wohl niemand bei Twitter.

Interessenkonflikte bei Twitter

Allerdings gibt es bei diesen Konstellationen sehr wohl Interessenskonflikte: Wenn normale Twitterer den Manager eines Twitter-Partners wie NBC oder einen Sportler beschimpfen, die Verantwortlichen dann Löschungen verlangen und Twitter besonders schnell reagiert – wiegt da womöglich das Recht auf freie Meinungsäußerung, dem sich der Dienst verschrieben hat, nicht mehr ganz so schwer?

In einem Punkt ist Twitter klassischen Online-Medien sehr ähnlich: Der Dienst verkauft Werbeflächen neben Inhalten, nur dass die Inhalte bei Twitter eben kostenlos und ungefiltert landen. Das riskante an diesem Geschäftsmodell: Das Unternehmen darf nicht zu offensichtlich als Konkurrent zu Medien wie NBC auftreten, die Twitter heute Publikum zuführen und ebenfalls um Werbebudgets kämpfen.

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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