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Musik-Streaming: Künstler beklagen unfaire Spotify-Geldverteilung

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Musik-Streaming

Künstler beklagen unfaire Spotify-Geldverteilung

224 Euro für 72.800 abgerufene Songs: Die Cellistin Zoë Keating hat ihre Einnahmen aus dem Streaming-Geschäft veröffentlicht. Spotify zahlt schlecht – zumindest für Werke von Indie-Künstlern. Keating kritisiert: Spotify gibt großen Stars ungleich mehr.

Spiegel Online, 30.6.2012

{jumi [*3]}

Für zehn Euro im Monat 16 Millionen Songs so oft hören, wie man will – das Angebot des Musikdienstes Spotify ist verlockend, zumindest für Musikhörer. Die Künstler sind sich noch nicht sicher, wie sehr Spotifys Flatrate-Musik ihnen nützt.

Es gibt Hinweise darauf, dass Spotify Musikern, die erfolgreich, wenn auch keine Weltstars sind, vergleichsweise wenig für die Abrufe ihrer Songs zahlt. Die in Kalifornien lebende Cellistin Zoë Keating hat nun ihre Spotify-Einnahmen aus sechs Monaten offengelegt. Keatings aktuelle Spotify-Abrechnung sieht so aus:

  • Binnen sechs Monaten (Oktober 2011 bis März 2012) haben Spotify-Kunden ihre Songs 72.800 Mal gehört.
  • Dafür hat Spotify umgerechnet gut 246 Euro ausgezahlt.
  • Davon geht ein Anteil an den Digitalvertrieb CD Baby ab, bei Keating kamen letztlich umgerechnet etwa 224 Euro an.
  • Spotify zahlt also für jeden Abruf eines Songs 0,0034 Euro aus.

Das ist wenig. Dabei ist Keating nicht irgendwer. Sie macht seit 2003 hauptberuflich Musik, sie veröffentlicht ohne Label, tourt weltweit und hat ihr selbstverlegtes Debütalbum mehr als 45.000 Mal verkauft.

Zur Einordnung der 0,0034 Euro je Song: Ein Spotify-Premium-Abo kostet 10 Euro im Monat. Nimmt man die Auszahlungsquoten an Keating als Grundlage, könnte Spotify monatlich für jeden Premium-Kunden etwa 2.900 komplette Song-Abrufe aus den Abo-Erlösen bezahlen – mögliche Gewinne oder Verluste aus dem Weiterreichen der Umsatzsteuer durch Spotify einmal ignoriert. 2.900 Lieder – das sind sieben Tage Musik am Stück (bei einer Durchschnittslänge von dreieinhalb Minuten). Diese Ware kauft Spotify sehr günstig ein.

Keating ärgert sich dabei nicht so sehr über die Höhe der Auszahlung, sondern weit mehr über die Intransparenz bei Spotify und den Verdacht, dass das Unternehmen jenen mehr gibt, die schon viel haben. Keating kritisiert: “Spotify zahlt nicht denselben Betrag je Stream an Indie-Rechteinhaber und Major-Labels. Majors sind Spotify-Miteigentümer und ihre Verträge sind geheim. Mir ist das wichtig, vielen offenbar nicht.” Auf Fragen von SPIEGEL ONLINE zur Höhe der Ausschüttungen hat Spotify nicht geantwortet. Dass Spotify die Großen besser bezahlt, hatte Anfang 2011 der “Guardian” berichtet. Ein interessantes Detail dabei: Den großen Labels Sony, Warner und Universal sollen etwa 15 Prozent der Anteile von Spotify gehören.

Zahlt Spotify den Reichen mehr?

Über niedrige Spotify-Auszahlungen klagen Musiker schon seit langem. Es ist nicht möglich, die einzelnen Zahlen einzuordnen – Spotify hält seine Auszahlungspolitik geheim, es ist unklar, für wen welche Regeln gelten.

Eine Reihe von Independent-Künstlern hat sich in den vergangenen Monaten über Spotify beklagt, zum Beispiel:

  • Die britische Band “Uniform Motion” gab im September 2011 an, Spotify zahle ihnen für einen kompletten Abruf ihres neuen Albums 0,029 Euro. Bei neun Songs macht das 0,0032 Euro je gehörten Titel – vergleichbar mit Keatings aktuelleren Zahlen.
  • David Harrell von der Chicagoer Indie-Rockband “The Layaways” gibt an, Spotify habe für Streams zwischen August 2009 und März 2011 umgerechnet 0,0023 Euro je Abruf gezahlt.

Aus diesen Zahlen lässt sich ein leichter Anstieg der Ausschüttungen bei Spotify ablesen: 0,0023 Euro 2010 bei “The Layaways”, dann 0,0029 Euro 2011 bei “Uniform Motion”. Und nun bei Zoë Keating umgerechnet 0,0034 Euro je Abruf zwischen Oktober und Januar, dann 0,036 Euro im Februar und März.

Doch selbst wenn die Einnahmen sich verzehnfachen – auf diesem Niveau ist Spotify für Künstler wie Zoë Keating eine Werbeplattform, eher zu vergleichen mit Radiosendern als mit Digital-Downloads. Das Problem dabei: Beim Radio beeinflusst man das Programm nicht, bei Spotitfy kann man hören, was immer man will, sofort. Deshalb kann Spotify einige Musikvertriebswege komplett ersetzen.

Wer Spotify abonniert, muss keine Downloads mehr kaufen. So begründete der auf Dubstep und Drum’n’Bass spezialisierte Musikvertrieb STHoldings Ende 2011 den Rückzug sämtlicher Titel von Streaming-Diensten. STHoldings verwies auf eine Studie der US-Marktforscher von der NPD Group, demnach lasse gerade bei der für Indie-Labels so wichtigen Zielgruppe der Musikfanatiker das Interesse an Kaufmusik nach, sobald sie Zugang zu einer Streaming-Flatrate haben.

Und Downloads sind eine wichtige Digital-Einnahmequelle von Musikern wie Zoë Keating – in den sechs Monaten, für die ihr Spotify 224 Euro überwies, verdiente sie bei iTunes umgerechnet knapp 37.000 Euro.

Damit sich Keating von ihren Spotify-Einnahmen ein Premium-Abo des Dienstes für einen Monat leisten kann, müssen Fans ihre Songs 2938 Mal hören.

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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