Nachhaltige Software
Es begann mit einer Frage: Gibt es im Netz brauchbare Software, mit der man ich in Echtzeit online an Texten schreiben kann? Mit mehreren Koautoren? Und Logins, nicht nur auf URL-Basis geteilt? Gehostet oder zum Selberhosten? Jenseits von Google Docs.
Diese Suche hat mir eins gezeigt: Ich wünsche mir mehr nachhaltige Software. Nachhaltig? Ja, so ähnlich wie beim Essen: Eine Produktionsweise, die hilft, dass das System möglichst lange stabil seine wesentlichen Eigenschaften behält. Eine wichtige Eigenschaft von Software ist diese: Wenn Menschen Zeit für das Erlernen, die Integration in Arbeitsabläufe, Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge investiert haben, sollten diese Mitwirkenden die Software so lange sie wollen nutzen können.
Konkret: Bei kollaborativer Schreibsoftware gab es noch vor Kurzem das gefeierte Editorially. Die Entwickler haben es im Frühjahr dicht gemacht. Kein Quelltext, kein Spenden, keine Übergabe des Dienstes an jemanden – einfach weg. Die Gründer arbeiten nun bei Vox Media.
Heute gibt es Typewrite. Der Dienst gefällt mir gut, aber der Quellcode ist nicht offen, die Software gibt es nicht zum Selberhosten, Weiterentwicklung und Betrieb hängen an einer Person, die das offenbar in der Freizeit tut. Es gibt keine Möglichkeit, zu zahlen, zu spenden, irgendeinen Beitrag zu leisten. Ich fürchte da ein Ende wie bei Editorially: Wenn die Ressourcen (Zeit, Geld, Motivation, Wissen) irgendwann erschöpft sind, kann diese Software genauso verschwinden wie Editorials. Ich habe dem Typewrite-Autor eine also einfache Frage gestellt: Wie kann ich helfen?
@Typewrite_io i like typewrite very much, thank you for your work! What can I do to help that you keep up with this great project?
— Konrad Lischka (@klischka) 27. August 2014
Leider kam bis jetzt keine Antwort. Viel kann ich als Nutzer nicht tun. Ich versuche zumindest, Entwickler toller Dinge, so oft wie möglich öffentlich zu loben.
@SamNazarko Thank you for Raspmc – great work!
— Konrad Lischka (@klischka) 11. April 2013
@phubbard Thank you very much for Meltdown! Great work.
— Konrad Lischka (@klischka) 31. Dezember 2012
Aber eine Nachhaltigkeitsstrategie sieht anders aus. Sie gehört zu jeder Software, die Menschen nutzen. Finde ich. Historisch sehe ich diese Möglichkeiten:
1. Open Source beim Ende aus Ressourcenmangel.
Das hat zum Beispiel Etherpad gezeigt: Als Google die Entwickler übernahm, gaben sie ihre Software frei und Etherpad lebt heute in diversen Variationen und Weiterentwicklungen fort. Das ist gut für die Gemeinschaft – niemand muss bei null anfangen in dem Bereich, man kann von der Arbeit an Etherpad lernen oder darauf aufbauen.
Das ist im Hinblick auf Ressource eher eine Notlösung: Sie wirkt erst, wenn zu wenig Geld, Zeit, Motivation oder Wissen bei den ursprünglichen Entwicklern vorhanden ist. Das Risiko bei so einem harten Schnitt: Die Ressourcen sind aufgebraucht und die von draußen müssen schnell kommen, sonst verliert das Projekt die Dynamik. Schwierig, wenn man vorher nicht Beziehungen mit Entwicklern draußen aufgebaut und sie ans Projekt gebunden hat.
2. Open Source als Strategie von Anfang an.
So läuft es zum Beispiel bei Kanboard, einem Kanban-Task-Manager zum Selberhosten. Der Entwickler bietet gegen Bezahlung Hosting und Pflege an. Wer will, kann aber auch selbst hosten und fortentwickeln. Ergänzungen anderer können bei den Ressourcen Zeit, Motivation und Wissen ausgleichen, wenn die des Entwicklers zur Neige gehen sollten.
3. Geld verdienen von Anfang an.
So ist es zum Beispiel bei Penflip und Darft (kollaboratives Schreiben, aber nicht in Echtzeit, sondern in einem Git-artigen Prozess). Wenn ich Zahlungen für bestimmte Dienste annehme, sichert das zumindest die Ressource Geld, vielleicht auch Motivation (Anerkennung!).
Fazit: Nachhaltigkeit gibt es auch bei digitalen Gütern. Denn Ressourcen wie Motivation, Zeit usw. sind bei Menschen begrenzt. Das macht manches tolle Projekt instabil, etwa Editorially.
Und hier noch ein paar Zusammenschreibwerkzeuge mit ganz unterschiedlichen Nachhaltigkeitsstrategien: Primarypad, Draft, Penflip (Geld für Funktionen), Hackpad (gehört Dropbox – ob das wirklich nachhaltig ist?).
Gibt es andere Nachhaltigkeitsstrategien?