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Netzwelt-Ticker: Google zähmt den Spanner-Atlas - ein wenig (Spiegel Online, 23.8.2007)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
4 minuten gelesen

Netzwelt-Ticker

Google zähmt den Spanner-Atlas – ein wenig

Google anonymisiert Passanten-Fotos in seinen Straßenansichten etwas schneller, Facebook will Nutzer-Profile für personalisierte Werbung nutzen und der Playboy lockt Studenten in ein neues Netzwerk. Das und mehr im Nachrichten-Überblick.

Spiegel Online, 23.8.2007

Halbnackte Studentinnen, Männer vor Porno-Läden, Fußgänger, die sich in der Nase bohren – so entblößte Google Ende Mai ahnungslose Passanten. Kamerawagen des Web-Konzerns hatten sie in San Francisco zufällig aufgenommen. Mit solchen Fotos von Straßenzügen ergänzt Google seine digitalen Landkarten. Wegen der guten Bildqualität sind viele Gesichter und Nummernschilder eindeutig zu erkennen.

Auf Anfrage entfernt Google solches Bildmaterial. Beantragen konnten diese Löschungen beim Start von "Google Street View" nur Betroffene – doch gestern stellte Google-Managerin Marissa Mayer auf der Konferenz "Search Engine Strategies" in San Jose klar, dass man diese restriktiver Löschpolitik schon zehn Tage nach Start intern revidiert habe: Ganz egal, wer die Löschung beantrage, ob derjenige persönlich betroffen sei oder nicht – Google entferne inzwischen erkennbare Gesichter und Nummernschilder ohne weitere Recherche aus "Street View". Öffentlich hatte Google diesen Kurswechsel bislang nicht gemacht.

Aber: Google löscht nur auf Anfrage. Einen Grund, von sich aus die zum Teil peinlichen Aufnahmen ahnungsloser Fußgänger zu anonymisieren, sieht Google nicht.

Facebook plant personalisierte Werbung

Seit Monaten versucht das US-Studentennetzwerk Facebook, zum persönlichen Internet seiner Mitglieder zu werden: Entwickler liefern der offenen Plattform Erweiterungen für alle erdenklichen Beschäftigungen im Netz: Auf Auktionen bei eBay bieten, Videos bei Youtube schauen – all die Funktionen des Netzes soll das geschlossene Facebook-System vereinen und auf einer einzigen Seite gebündelt präsentieren. Bleibt die Frage: Wie will Facebook damit Geld verdienen?

Die Antwort, so berichtet heute das " Wall Street Journal": Werbung, die sich nach den persönlichen Vorlieben der Mitglieder richtet. Denn abgesehen von Alter, Wohnort und Geschlecht verraten Facebook-Mitglieder auf ihren Profilseiten ja auch, welche Musik sie hören und was sie in ihrer Freizeit am liebsten machen. Persönliches preiszugeben ist ja ein Funktionsprinzip sozialer Netzwerke.

Diese Informationen will sich Facebook – so berichten die anonymen, firmennahen Informanten dem "Wall Street Journal" – ähnlich zunutze machen wie Google-Suchanfragen: Wer bei Google nach "Autos" sucht, sieht neben den Ergebnissen Textanzeigen von Autohändlern, die das Stichwort "Autos" gebucht haben. Denn wer nach Autos sucht, klickt Autoanzeigen mit höherer Wahrscheinlichkeit an als ein Mensch, der "Pfannen" haben will. Der Autohändler selbst erfährt nichts weiter über den Nutzer – er bemerkt nur die Klicks auf sein Werbeangebot.

So soll auch Facebooks neues Werbemodell funktionieren: Die Werbenden können vorab anhand persönlicher Interessen sehr spezielle Zielgruppen definieren, erfahren aber nie die Namen der dazu gehörenden Facebook-Nutzer – soweit der Plan.

Flash-Standard für HD-Videos

Adobes Format "Flash" ist der Standard für Videos im Web. Auf 98,7 Prozent aller Internet-Computer in Nordamerika, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Japan laufen Flash-Filme, ergab eine Adobe-Auftragsstudie. Für den Herbst hat Adobe nun eine Flash-Version angekündigt, die hochauflösende Videos in HD-Qualität ermöglicht.

Eine Vorabversion des Programms kann man seit gestern für Windows, Macintosh- und Linux-Computer kostenfrei bei Adobe herunterladen. Adobe hat sich für die Bild-Komprimierung in MPEG-4 AVC entschieden und für den Ton das Format HE-AAC gewählt.

Das neue Format ebnet zum einen den Weg für Web-Videos in einer im Netz bisher kaum gesehenen Qualität – in einer Qualität übrigens, die das heutige Standard-Fernsehbild bei weitem übertrifft. Microsoft hatte im April sein Gegenformat "Silverlight" für hochauflösende Web-Videos vorgestellt.

IPod-Gerüchte wahr? Apple-Anwälte lassen Fotos löschen

Die goldene Regel der Apple-Gerüchteseiten: Wenn sich Anwälte des Konzerns melden und verlangen, dass ein Foto oder eine Meldung gelöscht wird, ist zumindest etwas an den Orakelsprüchen dran. Das ist nun einigen Apple-Gerüchteseiten passiert: 9to5mac.com hatte mit ein paar Beispielfotos Spekulationen angeregt, dass Apple Ende September neue iPod Nanos mit einem Riesen-Display auf der Messe "Apple Expo" in Paris vorstellen wird.

Die Fotos sind inzwischen gelöscht – Apple habe das verlangt. Entsprechende Fotos hatte auch das Blog Gizmodo gezeigt. Auch hier meldete sich Apple, verlangte die Löschung und wies laut Gizmodo darauf hin, es handele sich um "geistiges Eigentum" Apples.

Die Fotos zeigen Geräte, die viel breiter sind als heutige iPods. Die Hälfte der gesamten Fläche nimmt ein Bildschirm ein – allerdings scheint es sich nicht um einen Touchscreen wie beim iPhone zu handeln. Denn auf den Fotos sind noch die herkömmlichen Bedienelemente des iPods (Clickwheel) zu erkennen. Noch zu sehen sind die Fotos bei Tech.Blorge.

Playboy macht sich an Studenten ran

Mit einem sozialen Netzwerk will der Playboy-Konzern neue Kunden gewinnen und vor allem neue Werbemöglichkeiten schaffen: Bei " Playboy U" – einer Art Myspace mit der Bunny-Marke – können sich nur US-Studenten anmelden. Voraussetzung ist eine E-Mail-Adresse mit einer .edu-Endung. "Playboy U" kündigte außerdem an, die Profile aller "Universitätsmitarbeiter oder Ehemaligen" zu löschen, die man entdecke.

Eine Netzwerk-Seite für Studenten – neu ist die Idee nicht. Und auch bei der Umsetzung bietet Playboy keine bahnbrechenden Innovationen: Foren, Veranstaltungskalender, Schulseiten – alles auf der Infrastruktur des Netzwerk-Dienstleisters Ning. Erstaunlich ist, dass es überhaupt keine nackte Haut bei "Playboy U" zu sehen gibt. Das Unternehmen baut auf die Anziehungskraft der Lifestyle-Marke Playboy statt auf Soft-Porno-Reize.

Hintergrund: Das Playboy-Magazin, einst für seine Nacktfotos sicher mindestens ebenso bekannt wie für seine Reportagen – hat in der ersten Hälfte des aktuellen Geschäftsjahrs 4,7 Millionen Dollar Verlust gemacht. Der Playboy-Konzern will weniger abhängig vom gedruckten Blatt werden, baut kräftig eigene Clubs, Casinos und Geschäfte auf, wo es Playboy-Jeans, -Schmuck und –Kosmetika zu kaufen gibt.

Der Erfolg des Konzerns im "Web 2.0" ist hingegen bislang klein: Im Rahmen eines Vorab-Tests haben sich laut des Unternehmens bei "Playboy U" 2000 Mitglieder von 500 Hochschulen registriert.

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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