Neue Regeln: Googles unverständliche Datenschutz-Verklärung (29.2.2012)
Neue Regeln
Googles unverständliche Datenschutz-Verklärung
“Möglicherweise, beispielsweise, unter Umständen”: Googles neue Datenschutzerklärung, die morgen in Kraft tritt, ist vage bis unverständlich. Welche Daten Google wann erhebt und auswertet, verrät der Konzern nur in Ausnahmefällen. EU-Datenschützer verlangen Nachbesserunge.
Spiegel Online, 29.2.2012
{jumi [*3]}
Googles neue Datenschutzerklärung tritt am Donnerstag, 1. März, in Kraft. Sie gilt für alle Daten, die zu diesem Zeitpunkt bei Google gespeichert sind. Als Google-Managerin Alma Whitten die Neuregelung ankündigte, versprach sie, dieneue Erklärung werde beschreiben, “welche Informationen wir sammeln, wie wir sie verwenden – und das in einer viel leichter lesbaren Form”.
Dieses Versprechen erfüllt Googles neue Datenschutzerklärung nicht. Der Text ist vage und undifferenziert, zum Teil schlicht unverständlich.
Die Chefin der französische Datenschutzbehörde, Isabelle Falque-Pierrotin, hat völlig recht, wenn sie kritisiert: “Unsere vorläufige Untersuchung zeigt, dass es extrem schwierig ist, genau abzuschätzen, welche Daten aus welchen Diensten und zu welchem Zweck kombiniert werden, selbst für ausgebildete Datenschutz-Fachleute.”
Falque-Pierrotin verlangt von Google deshalb Aufschub. Google lehnt das ab. Das ist verwunderlich. Selbst Google-Mitarbeiter dürften Probleme haben zu begreifen, was ihre neue Datenschutzerklärung eigentlich bedeutet.
Wir erfassen vielleicht Ihre Telefonnummer
Zwar zählt der Text in einem Abschnitt konkret eine Reihe von Daten auf, die der Konzern von Nutzern seiner Dienste erhebt. Da heißt es unter anderem:
“Wir erfassen möglicherweise gerätespezifische Informationen (beispielsweise das von Ihnen verwendete Hardware-Modell, die Version des Betriebssystems, eindeutige Gerätekennungen und Informationen über mobile Netzwerke, einschließlich Ihrer Telefonnummer). Google verknüpft Ihre Gerätekennungen oder Telefonnummer gegebenenfalls mit Ihrem Google-Konto.”
Das sind eine Menge Daten. Und die werden “möglicherweise” erhoben. Und “gegebenenfalls” mit dem Google-Konto verknüpft – mehr erfährt man nicht.
Diese Aufzählung ist beispielhaft für die Schwachstellen von Googles neuer Datenschutzerklärung. Aus ihr geht beispielsweise nicht hervor, wann Google die eindeutige Gerätekennung eines Handys und seine Telefonnummer ausliest. Bei Google-Suchanfragen mit dem Gerät? Beim Einloggen in Google-Konten? Täglich? Und von welchen Diensten, die eine Google-Konto bietet, ist eigentlich die Rede? Dem Social Network Google+? Der personalisierten Suche? Der Online-Textverarbeitung? Dem Kalender?
Googles Datenschutzerklärung geht von einem Nutzer aus, der alle Google-Dienste nutzt, der nicht differenzieren will, bei welchem Angebot er welche Informationen über sich zur Auswertung freigibt, und nicht erfahren möchte, wie Google welche Informationen nutzt.
Generalerlaubnis zum Auswerten
Was macht Google mit den erhobenen Gerätekennungen und Telefonnummern? Schwierig zu sagen. Es gibt in der neuen Erklärung zwar einen Abschnitt mit dem Titel “Wie wir die von uns erhobenen Informationen nutzen”. Der greift aber nicht alle Punkte auf, die der Abschnitt über die erhobenen Informationen aufzählt. Die Begriffe “Telefonnummer” und “Gerätekennung” tauchen darin überhaupt nicht auf. Gleich zu Beginn des Abschnitts räumt Google sich selbst aber eine Art Generalerlaubnis ein. Dort heißt es:
“Wir nutzen diese Informationen außerdem, um Ihnen maßgeschneiderte Inhalte anzubieten – beispielsweise um Ihnen relevantere Suchergebnisse und Werbung zur Verfügung zu stellen.”
Was bedeutet das? Nutzt Google die eindeutige Gerätekennung eines Smartphones, um ein Nutzungsprofil für dieses Gerät zu erstellen? Wird jede Suchanfrage mit der Gerätekennung oder der Telefonnummer verbunden gespeichert? Werden diese Details mit dem Namen des auf dem Smartphone gerade bei einem Google-Konto angemeldeten Nutzers verknüpft? Oder, um es ganz deutlich zu sagen: Protokolliert Google bei Nutzern eines Android-Handys ständig, was sie damit tun, verknüpft mit ihrem Namen und ihrer Telefonnummer?
Wer verstehen will, muss Google fragen
Antworten auf diese Fragen findet man in Googles neuer Datenschutzerklärung nicht. Auf eine gezielte Nachfrage, wie Google die Daten denn nun konkret verwendet, antwortet das Unternehmen: “Diese Informationen ermöglichen es Google, auf diesem Gerät Google-Dienste anzubieten, sie zu synchronisieren, und sie helfen bei der Fehlersuche.”
Das klingt beruhigend, hilft aber auch nicht weiter. Eine Datenschutzerklärung ist wenig wert, wenn man erfragen muss, was sie im Detail bedeutet, und die Antworten dann wieder vage ausfallen. Und: Eine Datenschutzerklärung ist rechtsverbindlich, einschränkend formulierte (“ermöglichen es” statt: “Wir nutzen ausschließlich”) Antworten auf Presseanfragen sind es nicht.
Natürlich ist jede Datenschutzerklärung ein Kompromiss. Wenn man zu detailliert alle Einzelfälle beschreibt, wird der Text sehr lang und sehr unübersichtlich. Facebook und Google wurden Jahre lang die viel zu langen Texte vorgehalten. Verknappt man allerdings so sehr wie Google nun, weiß niemand, was gemeint ist – nicht einmal Profis.
In einem Brief an die französische Datenschützerin Falque-Pierrotin schrieb Peter Fleischer, Googles oberster Datenschutzbeauftragter: “Google hat keine Möglichkeit, die weltweite Einführung unserer neuen Datenschutzregeln zu pausieren.” Schließlich habe man mehrere hundert Millionen Nutzer ja schon über die Änderungen informiert.