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Neuer Empfehlungsdienst: Google kontert Facebooks Mag-ich-Strategie (Spiegel Online, 30.3.2010)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
4 minuten gelesen

Neuer Empfehlungsdient

Google kontert Facebooks Mag-ich-Strategie

Find’ ich gut, klick ich an – mit diesem Service punktet Facebook. Jetzt kommt Googles Antwort, Nutzer sollen mit dem neuen Angebot +1 Suchergebnisse, Google-Anzeigen und später auch Web-Seiten empfehlen. Eine der größten Schwäche des Dienstes: Sein Name ist unaussprechbar.

Spiegel Online, 30.3.2011

{jumi [*3]}

Einmal verspricht sich Googles Suchmaschinen-Guru Matt Cutts dann doch bei der Vorstellung des neuen sozialen Empfehlungsdiensts Google +1. “Wenn man eine Seite geliket hat”, sagt er – und benutzt so eine typische Facebook-Vokabel. Sonst aber bleibt Cutts streng der Google-Sprache treu: Suchergebnisse, Google-Anzeigen und Webseiten werden bei ihm “plusoned”.

Der Versprecher zeigt besser als alle Erklärungen, worum es bei Googles neuen Dienst geht. Das Unternehmen will Facebooks Like-Button kontern, jenen Gut-finde-Knopf, der zuerst die Seiten des Facebook-Netzwerks und dann viele andere Websites um eine genial einfache Interaktion bereicherte: Mit einem Klick auf die Aussage “Gefällt mir” kann ein Facebook-Nutzer alles mögliche loben – Fotos, Texte, Kommentare anderer, Verweise auf Web-seiten – und damit unter Netzfreunden weiterverbreiten.

So ähnlich funktioniert auch Googles +1-Knopf. Anfangs taucht er nur in Suchergebnissen und Anzeigen auf Googles Trefferlisten auf. Anklicken kann diesen Button nur, wer ein Google-Profil besitzt und angemeldet ist. Im deutschen Google-Angebot wird der Plus-Knopf erst später auftauchen, zunächst werden einige Nutzer in den Vereinigten Staaten damit konfrontiert, man kann das Angebot aber auf einer speziellen Seite vorab freischalten.

Klickt man den Plus-Schalter neben einem Suchergebnis an, passieren drei Dinge:

  • Im eigenen Google-Profil taucht das angekreuzte Suchergebnis in einer Merkliste auf. Die ist standardmäßig nur für den Nutzer selbst zu sehen, man kann die Liste aber veröffentlichen. Von dieser Merkliste kann man jederzeit alle einmal getroffenen Empfehlungen streichen.
  • Suchen Netzbekannte etwas bei Google und taucht in ihren Trefferlisten die Seite auf, die man markiert hat, steht unter dem Treffer zum Beispiel: “Konrad Lischka +1’d this” – daneben ist das Foto aus dem öffentlichen Profil des Gut-Finders zu sehen. Alle anderen Nutzer sehen nur, dass irgendjemand das gut findet – ohne Namen und Foto.
  • Dasselbe kann bei Anzeigen passieren. Man muss nicht unbedingt eine Google-Anzeige für ein fiktives Angebot wie erdbeerkekse.de angeklickt haben. Auch wenn man das Suchergebnis erdbeerkekse.de aus welchem Grund auch immer für gut befunden hat, taucht bei Netzbekannten in Google-Anzeigen für dieses Angebot der Hinweis “Konrad Lischka +1d this page” mit kleinem Porträtbild aus dem Google-Profil auf.

Netzbekannte definiert Google so: Alle Personen mit Google Profil, die im Google-Mail-Adressbuch, der Google-Kontaktliste des Chatprogramms Talk auftauchen oder denen man im Google Reader oder bei Google Buzz folgt. Später sollen auch andere Verknüpfungen ausgewertet werden. Bald, so Matt Cutts, wird zum Beispiel eine Verknüpfung bei Twitter als Kontakt zählen.

Die Beispiele zeigen: Google versteht unter Netzbekanntschaften etwas anderes als Facebook. Sie beruhen bei Google nicht unbedingt auf Gegenseitigkeit – man kann in der Regel den Äußerungen anderer beim Google Reader, Buzz oder auch Twitter folgen, ohne dass beide dieser Verbindung zustimmen müssen. Es gibt keine Kontaktanfragen und Google hat in seinem Profil-Modell keine Abstufungen vorgesehen, wie Facebook sie bietet. Dort kann man seine Kontakte in Gruppen einteilen, Arbeitskollegen bekommen dann zum Beispiel weniger zu sehen als Freunde.

Geplust? Plusoned? Dem Google-Dienst fehlt das Verb

Google-Entwickler Matt Cutts sagt: “Was immer Sie bei Google +1 empfehlen, es ist öffentlich. Wir wollen, dass das allen Nutzern klar ist: Was Sie hier anklicken, ist öffentlich.”

Das verdeutlicht auch der Hinweis, der nach einem Klick auf den Plus-Knopf auftaucht: “You +1’d this publicly”. Auf Deutsch: “Sie haben das öffentlich …” – tja, was eigentlich? Bei der Übersetzung ins Deutsche dürften die Google-Mitarbeiter einige Probleme haben. Sie haben das addiert? Geplust? Empfohlen?

Vom fehlenden Verb einmal abgesehen, hat +1 noch einige andere Schwächen. Auf Websites wird man den Dienst erst in “einigen Monaten” einbinden können. Das dürfte die Nutzung ausbremsen. Wer soll denn bitte in seinen Suchergebnissen einen Treffer öffentlich für gut befinden, ohne die Seite dahinter überhaupt aufgerufen zu haben?

Matt Cutts antwortet mit einem Beispiel aus seinem Alltag: Am Sonntag war er joggen, danach hat er wieder einmal eine Anleitung für Dehnübungen gesucht und in den Treffern eine Seite entdeckt, die er schon kannte: “Ich habe dann den Link zu der Seite getwittert, als Erinnerung für mich selbst, damit die Seite in meinen Suchergebnissen in Zukunft weiter oben auftaucht. In Zukunft klicke ich einfach den +1-Knopf an.”

Bekannter oder Fremder – Google differenziert nicht

Nun ja – das ist ein sehr cleverer Trick, um keine Lesezeichen mehr setzen zu müssen. Aber es ist schwer vorstellbar, dass Scharen von Internetnutzern auf den Plus-Schalter klicken, wenn er nur in Suchtreffern und nicht auf den entsprechenden Seiten auftaucht.

Als eine Schwäche kann man auch die fehlende Differenzierung von sozialen Kontakten bei +1 sehen: Bei Google sind Menschen entweder überhaupt irgendwie verbunden oder sie sind es nicht. Man kann nicht einer bestimmten Gruppe von Kollegen bestimmte Dinge empfehlen. Aber wer weiß – vielleicht könnte diese simple Bedienung dem Dienst auch helfen, schließlich sind Google bisherige Flops wie Wave ja nicht an zu wenigen Einstellmöglichkeiten, sondern an der Überfrachtung mit Funktionen gescheitert.

+1 ist eine Erweiterung der Google-Suche, kein soziales Netzwerk

Wer sich wundert, warum bis jetzt nicht ein einziges Mal die Rede von Googles Sozialem Netzwerk war, dem sei folgendes gesagt: Ein solches Netzwerk ist +1 gar nicht. Es ist ein Empfehlungsdienst, kein Forum. Es gibt keinen Ort, an dem man gesammelt sehen kann, was alle Menschen, die Google für Netzbekannte hält, gerade gut finden im Web oder gut gefunden haben.

Anders gesagt: Es gibt kein Gegenstück zu Facebooks Friendfeed. Google kennt nur die Suchmaske und Trefferlisten – Foren gibt es nicht. Kommentieren, streiten, seine Meinung herausschreien, gezielt auf Angebote aufmerksam machen, die jetzt gerade wichtig sind – das alles geht hier nicht.

Und in Zukunft? “Vielleicht, wir wollen, dass der Dienst einfach ist, ausbauen kann man immer, wenn es Bedarf geben sollte”, antwortet Matt Cutts. Google +1 ist also vor allem eins: Eine Erweiterung der Google-Suche um ein neues Bewertungskriterium. In Googles Suchalgorithmus fließen die Gut-Finde-Klicks vorerst nicht ein. Denkbar sei das aber natürlich, erklärt Matt Cutts.

Google kann von den Gut-Finde-Klicks nur profitieren: Auf Ergebnisse und Anzeigen, neben denen der Name eines Bekannten steht, werden Nutzer eher klicken als auf andere. Vielleicht verraten die bewussten Plus-Klicks ja auch etwas über die Qualität von Suchergebnissen, was man nicht aus dem bisherigen Nutzerverhalten ablesen konnte.

Aber was wird die Nutzer motivieren, den Dienst zu nutzen? Die simple Anwendung als eine Art Merkzettel? Das Versprechen, in Zukunft bessere Treffer zu sehen? Vielleicht. Eins aber sicher nicht: Kommunikation. Man weiß bei +1 ja nicht, an wen man sich richtet, ob überhaupt jemand die eigenen Empfehlungen je zu sehen bekommt. Ein Netzwerk ist das nicht, schon gar kein soziales.

{jumi [*5]}

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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