Neuer Lokaljournalismus: Talwaerts verkauft 600 Hefte die Woche
Vorige Woche habe ich in Wuppertal das lokale Wochenmagazin Talwaerts gekauft, begeistert gelesen und gefeiert. Ich finde das redaktionelle Konzept überzeugend und gut umgesetzt: Statt Nachrichtengrundrauschen und tagesaktuellem Lokalkleinklein einmal die Woche wenige, interessante, relevante, groß und liebevoll erzählte und fotografierte Stücke.
Seit ich weiß, dass dieses beachtliche Blatt seit einem dreiviertel Jahr eine kleine Mannschaft im Nebenjob macht, ist mein Respekt noch größter. Talwaerts-Gründer und -Herausgeber Jan Filipzik (oben in der Mitte) hat meine Fragen beantwortet.
Was ist Talwaerts und was ist das Besondere daran?
talwaerts ist die Wochenzeitung für Wuppertal. Sie erscheint immer freitags, hat 16 Seiten und beschäftigt sich ausschließlich mit lokalen Themen. Das Besondere an talwaerts ist sicher die Tatsache, dass wir ohne Werbung beziehungsweise Anzeigen arbeiten. Und, dass es uns momentan nur gedruckt zu kaufen gibt.
Wie sieht die publizistische Bilanz von Talwaerts heute aus?
talwaerts ist am 27. Juni 2014 gestartet – also etwa vor einem dreiviertel Jahr. Seitdem haben wir, gerade wegen des ungewöhnlichen Konzepts und der sehr mageren Medienlandschaft in Wuppertal, viel Zuspruch erfahren. Und das oft weit über die Stadtgrenzen Wuppertals hinaus. Die Menschen mögen, was wir tun. Das ist es, was uns an unserer Arbeit viel Spaß macht.
Und wie die geschäftliche (Umsatz/Gewinn-Verlust/Abokunden/Einzelverkauf)?
Wir haben derzeit 300 Abonnenten und verkaufen noch einmal etwas mehr als 300 Exemplare an den Kiosken in Wuppertal. Damit erzielen wir einen kleinen Gewinn.
Zum Vergleich: Die Verkaufszahlen der einzige Tageszeitung in Wuppertal, der Westdeutsche Zeitung:
4/2014 | 4/2013 | Veränderung (%) | |
---|---|---|---|
Abonnement | 37.209 | 39.508 | -5,82% |
EV-Verkauf | 3.159 | 3.555 | -11,14% |
Warum gar keine Anzeigen?
Wir haben uns von Anfang an aus mehreren Gründen gegen Anzeigen entschieden: weil sie für uns wirtschaftlich uninteressant waren und sind, weil wir den Platz lieber mit echtem Inhalt füllen wollen, weil wir unabhängig sein und bleiben wollen.
Warum Papier first?
Wir glauben an Papier. Und daran, dass man derzeit noch kein Geld mit einer reinen Online-Zeitung verdienen kann. Das heißt aber nicht, dass wir etwas gegen digital oder gegen online haben. Im Gegenteil. Wir haben eine Webseite (auf der wir aus nachvollziehbaren Gründen keine Artikel posten – wir verschenken unseren Content nicht), sind in den sozialen Netzwerken aktiv und arbeiten an einem ePaper.
Wie viele Menschen verdienen heute mit Talwaerts ihren Lebensunterhalt?
Seinen Lebensunterhalt verdient momentan niemand mit talwaerts. Wir arbeiten ausschließlich mit bezahlten Freelancern, die aber alle noch einer anderen Beschäftigung nachgehen. Um seinen Lebensunterhalt mit talwaerts verdienen zu können, ist die Zeitung derzeit noch zu klein.
Wenn du dir Talwaerts-Leser vorstellst: Wie sieht er, wie sieht sie aus?
Der typische talwaerts-Leser ist Wuppertaler und mag seine Stadt. Wir machen eine Zeitung für Menschen, die gerne hier sind und hier leben. Wir sprechen Probleme und Missstände an – aber wir schreiben nicht alles schlecht, sondern zeigen auch mögliche Lösungen auf. Dabei haben wir viele junge Leser zwischen 20 und 30 Jahren – aber mindestens ebenso viele ältere ab 45 Jahren.
Wie ist der Plan für 2015 – was soll Talwaerts publizistisch, was geschäftlich Ende des Jahres erreicht haben?
2015 wird für uns sicher ein extrem spannendes Jahr. Nachdem wir so und besser gestartet sind, als wir uns das vorgenommen haben, waren wir zuletzt auf der Suche nach Investoren, um talwaerts mit frischen Mitteln weiter zu entwickeln. Ohne zu viel zu verraten: Es sieht sehr gut aus für uns. So dass wir in diesem Jahr sicher noch einmal deutlich sichtbarer werden in der Stadt. Und auch an anderen Schrauben werden wir drehen können – die Qualität der Artikel noch weiter steigern, für die Autoren mehr Verbindlichkeiten schaffen.
Was sollten mehr Menschen wissen?
Es sollten noch mehr Menschen wissen, dass es uns gibt, und dass wir einen klasse Job machen. Daran arbeiten wir.