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Nikon P90 und Samsung WB500: Das taugen Superzoom-Kompaktknipsen (Spiegel Online, 2.4.2009)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
5 minuten gelesen

Nikon P90 und Samsung WB500

Das taugen Superzoom-Kompaktknipsen

Weiter, näher, besser – Kamerahersteller preisen die ausgefallenen Objektive neuer Kompaktkameras an. Das Wettrennen um Superzoom und Weitwinkel löst den Megapixel-Wahnsinn ab. SPIEGEL ONLINE hat zwei Kompakte mit Extrem-Optik getestet.

Spiegel Online, 1.4.2009

Die Kompaktkamera ist ungefähr so klein wie eine Coladose, doch das fest eingebaute Objektiv zoomt näher heran als so manches Spiegelreflex-Objektiv: Nikon hat in der neuen Kompaktkamera P90 ein Zoomobjektiv mit 24-facher Vergrößerung eingebaut.

Superzoom, Megazoom, Weitwinkel – die Hersteller übertrumpfen sich gerade mit extremer Optik in kompakten Kameras. Der Vorteil: Je größer der Brennweitenbereich, desto mehr Spielraum haben Hobbyfotografen bei der Bildgestaltung. Je höher die Brennweite ist, desto näher wird das abgebildete Objekt herangezoomt (die Nikon P90 hat einen kleinbildäquivalenten Brennweitenbereich von 26 bis 624 Millimeter).

Andererseits ändert sich mit der Brennweite auch der Bildwinkel der Aufnahme. Je kleiner die Brennweite ist, desto größer ist der Winkel. Sprich: Umso mehr Motiv passt auf eine Aufnahme (hilfreich, um breite Fassaden oder Menschengruppen aus nicht allzu großem Abstand aufzunehmen). So hat die kleine Kamera Samsung WB500 für ihr Zigarettenschachtelformat einen erstaunlich großen Brennweitenbereich von Weitwinkeloptik bis 10-fach Zoom (24 bis 240 Millimeter).

Kleine Kameras, enorme Brennweiten – SPIEGEL ONLINE hat die Nikon P90 und die Samsung WB500 ausprobiert und zeigt, was die neuen Kompakten können.

Bedienung – Schlabbertasten und versteckte Menüs


Die beiden Superzoom-Knipsen sind nicht billig (beim günstigsten Online-Händler kostet die Samsung gut 200, die Nikon etwa 320 Euro). In dieser Mittelklasse überraschen die kleinen Macken bei der Bedienung. Die teurere P90 hat im Vergleich die schlechtere Bedienbarkeit. Mit dem Zoom-Hebel an der Oberseite der P90 lässt sich am Objektiv nur so ungefähr die gewünschte Brennweite einstellen.

Absolut präzise Steuerung verlangt niemand bei einer Kompaktkamera mit fest verbauten Objektiv. Aber es stimmt etwas nicht, wenn man bei jeder zweiten Aufnahme genervt von der schwammigen Bedienung ist und sich ärgert, nun zu nah herangezoomt zu haben, das aber nicht ohne größere Sprünge korrigieren kann. Eine etwas feinere Justierung des Zooms wäre bei einer Kamera nötig, die sich vor allem über die Zoomstärke definiert.

Nikons Menü-Wirrwarr

Die Menüstruktur der Nikon P90 ist unübersichtlich: Je nachdem, welchen Modus (manuelle, Programm-, Zeit- und Blendenautomatik) man wählt, kann man in einem Menü weitere Details einstellen. Doch leider in einem Menü, das komplett die Liveview-Darstellung des Motivs auf dem Monitor verdrängt und sich nur von ganz oben nach ganz unten durchscrollen lässt. In dem man sich für jede Einstellung noch eine Menüebene tiefer klicken muss. Das Problem dabei: Man sieht beim Einstellen die Liveview-Darstellung des Motivs nicht.

Vor allem dauert das Einblenden, Blättern und Ausblenden der Menüs spürbar länger als bei anderen Menüsystemen. Ärgerlich daran ist, dass Nikon auch häufig verwendete Einstellungen (Szenenautomatik, ISO, Autofokusbereich, Serienaufnahme) in den Menü-Untiefen vergräbt.

Wie man mit ein paar Tricks eine übersichtlichere und schnellere Bedienung schafft, zeigt Samsungs im Handel gut 100 Euro billigere Kamera WB500. Ein (sehr schwergängiges) Moduswahlrad, Zoom-Hebel und Direktwahltasten für Makro, Selbstauslöser und Blitz hat die Kamera mit der Nikon gemeinsam. Der Unterschied: Per Funktionstaste wird ein zweiachsiges Menü auf dem Bildschirm über die immer noch sichtbare Liveview-Darstellung des Motivs geblendet. Man findet schnell alle häufiger genutzten Einstellungen zum gerade gewählten Modus (Auflösung, Fokusbereich usw.).

Warten auf die Brennweite

Mit dem Zoom-Hebel der Samsung WB500 hat der Fotograf das Gefühl, die Brennweite präziser steuern zu können als bei der P90. Allerdings zoomt die kleine Kamera langsam – so langsam, dass es unangenehm auffällt, wenn man sich bewegende Motive eben schnell fotografieren will. Die Auslöseverzögerung ist leider spürbar. Bis man nach einer Aufnahme (und der nicht abschaltbaren Bildvorschau!) wieder fotografieren kann, vergehen ein paar Augenblicke.

Fazit: Die Bedienbarkeit der Nikon P90 enttäuscht. Das Gerät ist größer (mehr Platz für Bedienelemente) und teurer als die kleine Samsung-Kamera, aber spürbar schlechter zu bedienen. Beide Kameras sind nicht perfekt, vor allem stört, dass ausgerechnet die Bedienung der in den Mittelpunkt gestellten Objektive so durchwachsen ausfällt. Die Samsung WB500 zoomt langsam, die P90 lässt sich nicht präzise einstellen.

Ausstattung – extreme Optik muss genügen

Das 24-fache Zoomobjektiv der P90 ist bei der Alltagsknipserei im Vorübergehen ein echter Vorteil: Die Bildstabilisierung arbeitet so gut, dass bei Tageslicht auch mit größter Brennweite verwacklungsfreie Aufnahmen gelingen. Der Zoom ist schnell genug, dass Schnappschüsse von Enten und Eulen gelingen, die man so mit einer normalen Kompaktknispe nicht schaffen würde: Ein Blick ins Erpelauge, eine Nahaufnahme einer Eule, die wohl beim Essen eingenickt ist und der ein Teil der Mahlzeit noch aus dem Schnabel hängt – das schaffen mit der P90 Hobbyknipser (mit etwas Glück) problemlos.

Der 10-fache Zoom der Samsung WB500 reicht nicht für derart augenfällige Effekte, hat aber mehr als viele Kompaktkameras zu bieten. Damit gelingen wohl kaum dieselben Oh-Effekte wie mit der P90, dafür hat sie ein sehr flexibles Alttagsobjektiv.

Abgesehen vom Objektiv bietet die Nikon P90 wenig Extras. Das ganz ordentliche Liveview-Display an der Rückseite lässt sich im 90-Grad-Winkel zur Kamera nach oben (falls man sehr nah am Boden fotografiert) oder im 45-Grad-Winkel nach unten klappen (falls man die Kamera über den Kopf hält). Das ist ganz nett, aber wenn man schon ein Klappdisplay verbaut, warum nicht gleich eine Lösung wie bei Panasonics Lumix G1, deren Display sich zur Seite und komplett nach unten oder oben drehen lässt? Das hätte mehr gekostet, dieser Verzicht ist also erklärbar.

Allerdings wirkt die Ausstattung der P90 auch sonst spartanisch: Aufnahmen in einem Rohdaten-Format sind nicht möglich, HD-Videos auch nicht (mit der günstigeren Samsung WB500 allerdings schon), einen Blitzschuh hat die auch P90 nicht. Das ist verwunderlich, da die manuellen Einstellmöglichkeiten der P90 schon darauf hindeuteten, dass diese Kamera sich auch an anspruchsvolle Hobbyknipser richtet. Bei der Bandbreite der Einstellmöglichkeiten ist die P90 (Blendenweiten von f/2,8 bis f/8 und Verschlusszeiten von 1/2000s bis- 8s) der WB500 überlegen. Die Samsung-Kamera bietet je nach eingestellter Brennweite bei manueller Einstellung zwei Blendenweiten zur Auswahl (f/3,3 bis f/7,5).

Beide Kamera-Hersteller ärgern ihre Kunden mit proprietären Kabelenden – man kann weder in die Samsung WB500 noch in die Nikon P90 einfach so ein Kabel mit Mini- oder Mikro-USB-Ende stöpseln, da hat jeder Hersteller seine ganz eigene Buchse konstruiert.

Fazit: Abgesehen vom Objektiv bieten weder die P90 noch die WB500 Extras. Für etwas anspruchsvollere Hobbyfotografen sind diese Kameras mangels Rohdaten-Format aber wohl eher nichts.

Bildqualität und Fazit

Bei Tageslicht sehen die Bilder der P90 und der WB500 auch in 100-Prozent-Ansicht gut aus- detailreich, klare Kanten, keine sichtbaren Störungen. Da uns keine Laborergebnisse vorliegen, ist eine absolute Bewertung nicht möglich. Allerdings sind beim 100-Prozent-Vergleich zwei unter ähnlichen Tageslicht-Bedingungen entstandener Aufnahmen bei der Samsung-Kamera mehr Störungen zu sehen als bei der Nikon (siehe Fotostrecke).

Bei schlechteren Lichtbedingungen und entsprechend höherer ISO-Empfindlichkeit sieht man aber schon ab ISO-Werten von 400 bei beiden Kameras Bildrauschen – das ist bei den kleinen Fotosensoren der Geräte auch kaum zu vermeiden.

Betrachtet man Ausstattung und Bildqualität, sind beide Kameras eher Schnappschuss-Geräte für Gelegenheitsknipser, keine Immerdabei-Alternativen zur digitalen Spiegelreflex. Die WB500 ist eine einfach zu bedienende Kamera, mit der man seine Schnappschüsse mehr gestalten kann als mit Standardmodellen ohne 10-fach Zoom. Die Vorteile der größeren Brennweite bemerken auch Gelegenheitsknipser, viel eher und viel häufiger als die bislang so sehr beworbenen Megapixelwerte. Insofern lohnt sich eine Kamera wie die WB500 durchaus für Gelegenheitsfotografen.

Mit der Nikon P90 hingegen gelingen auch absoluten Laien beim richtigen Motiv beeindruckende Nahaufnahmen. Der 24-fach Zoom macht auch absoluten Laien Spaß – es ist eine Freude, damit zu fotografieren. Allerdings muss man sich damit über die Größe (die Kamera passt so gerade in eine Handtasche, was bei diesem Objektiv auch kaum zu vermeiden ist) hinwegtrösten – und über die unnötig komplizierte Bedienung.

Mit großen Brennweiten kann man Anfänger sicher viel eher für eine Kamera begeistern als mit Megapixel-Rekorden. Allerdings stellt eine Kamera wie die P90 trotz ordentlicher Bildqualität diese Begeisterung auf eine harte Probe. Vielleicht werden die angekündigten Superzoom-Kompaktknipsen von Olympus, Kodak und Pentax diese Fehler ausbügeln.


Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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