Nikon S800c: Diese Kamera hat Android eingebaut (Spiegel Online, 17.11.2012)
Nikon S800c
Diese Kamera hat Android eingebaut
Zoom-Objektiv, W-Lan, Touchscreen und Android: Nikon ergänzt eine Kompaktkamera um Smartphone-Elemente. Auf der Android-Kamera S800c kann man Photoshop Express installieren und Aufnahmen am Touchscreen bearbeiten. Der Test zeigt, wie gut die Kamera wirklich ist.
Spiegel Online, 17.11.2012
{jumi [*3]}
Von vorne betrachtet sieht die Nikon S800c aus wie eine ganz durchschnittliche Kompaktkamera: Zehnfach-Zoomobjektiv, kleiner Blitz, kein Sucher. Dreht man die Kamera um, hat man etwas Smartphone-ähnliches in der Hand. Ein Touchscreen nimmt fast die komplette Rückseite der Kamera ein, nur am Rand sind drei kleine Tasten zu finden – beziehungsweise unten, wenn man die Kamera hochkant hält.
Die S800c ist eine Android-Kompaktkamera: Nikon hat das Google-Betriebssystem angepasst und samt Touchscreen, GPS- und W-Lan-Modul in eine mittelmäßige Kamera gesteckt.
Fotografieren, Aufnahmen bearbeiten, sofort online veröffentlichen – wie gut ist die Android-Kamera?
Das gefällt: Software, Zoom-Objektiv
Kamerasoftware: Nikons Programmierer haben Android-System und Kamerafunktionen für einen ersten Versuch gut kombiniert. Startet man die einmal eingerichtete Kamera, ist ein gewöhnliches Aufnahmemenü zu sehen. Man sieht das Sensorbild, kann per Zoom-Wippe die Brennweite ändern und per Touchscreen Motivprogramme, Selbstauslöser und Blitzautomatik auswählen. Der Auslöseknopf auf der Oberseite des Gehäuses ragt leicht heraus und ist deshalb gut zu ertasten.
Drückt man auf den Home-Schalter neben dem Touchscreen, zeigt der Kamerabildschirm die Android-Oberfläche. Man kann Apps aus Googles Play-Store installieren, das W-Lan einrichten, E-Mail abrufen und natürlich auch Fotos per Touchscreen bearbeiten und publizieren. Im Android-Startbildschirm ist immer ein großes Kamerasymbol zu sehen, mit dem man zur Aufnahmesoftware wechselt. Zudem rufen Android-Apps, die eine Kamera nutzen, automatisch das Aufnahmeprogramm auf und übernehmen die geschossenen Fotos.
Betriebssystem: Das Android-System läuft flüssig, die Einrichtung ist problemlos erledigt, Apps lassen sich schnell installieren. Es ist eine verblüffende Erfahrung, die gerade mit einer Kompaktkamera (so fühlt sich die S800c an) geschossenen Fotos direkt auf dem Fotoapparat mit Adobe Photoshop Express zu bearbeiten und dann bei Flickr zu veröffentlichen. Wer es nicht abwarten kann, Fotos in Ruhe zu sichten, wird seine Freude daran haben.
Objektiv: Die Brennweite des Objektivs der Nikon S800c beginnt im Weitwinkel (24 mm kleinbildäquivalent) und bietet Zehnfach-Zoom. Kein Smartphone hat eine vergleichbare Brennweite.
Nicht so schön: Alt-Android, Bildqualität, Preis
Android: Nikon nutzt die Android-Version 2.3.3. – ein veraltetes System aus dem Februar 2011. Der größte Nachteil daran ist, dass einige Android-Apps nicht mehr auf diesem System laufen. So kann man zum Beispiel die App der beliebten Fotoplattform Flickr nicht auf der Android-Kamera installieren. Die kostenlose Software des Fotoportals setzt Android 4.0 voraus. Es gibt zwar kostenpflichtige Alternativprogramme zum Publizieren von Fotos bei Flickr, doch sie haben nicht den Funktionsumfang der kostenlosen Original-App.
Kamerafunktionen: Nikon hat der Kamera zwar eine Reihe von Motivprogrammen spendiert, doch die Belichtungszeit und Blendenöffnung lassen sich nicht direkt einstellen. Man ist dazu gezwungen, immer die Automatik der Kamera zu benutzen. Dabei bieten andere Kompaktkameras in dieser Preisklasse (zum Beispiel die Canon S100) manuelle Einstellungen und höhere Bildqualität – allerdings ohne Touchscreen.
Bildqualität: Die S800c bietet eine höhere Bildqualität als fast alle Smartphones, ausgenommen das Nokia Pureview 808. Im Vergleich mit Kompaktkameras ist die Leistung der Nikon S800c allerdings durchschnittlich. Der Bildsensor ist doch vergleichsweise klein, die Auflösung hoch und in Folge dessen Bildrauschen schon ab einer Empfindlichkeit von ISO 400 auf den Aufnahmen zu sehen. Die größtmögliche Blendenöffnung von f/3,2 ist unterdurchschnittlich – da fällt nicht besonders viel Licht ein, man kann kaum mit Schärfe und Unschärfe arbeiten. Diese Bildqualität findet man auch bei wesentlich günstigeren Kompaktkameras – den Aufpreis bei der S800c zahlt man für Touchscreen, W-Lan und ein altes Android-System.
Fazit: ein zaghafter Versuch
325 Euro kostet die Nikon S800c derzeit beim günstigsten Online-Händler. Zu diesem Preis erhält man bessere Kompaktkameras (wie die Canon S100) und bessere Android-Smartphones – allerdings nicht in einem Gehäuse. Die Kombination aus Kamera und Android-Touchscreen ist reizvoll, zumindest für jene Gelegenheitsfotografen, die unterwegs Aufnahmen mit etwas höherer Qualität als die ihrer Smartphones publizieren wollen. Dafür ist die S800c allen Einschränkungen zum Trotz gut geeignet. Aber der Preis ist für die gebotene Bildqualität zu hoch. Lieber abwarten, bis die Preise sinken und eine deutlich verbesserte Software für die S800c erscheint.