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OMG! LOL: Das Oxford-Wörterbuch lernt Internetsprache (Spiegel Online, 26.3.2011)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

OMG! LOL

Das Oxford-Wörterbuch lernt Internetsprache

Die Redakteure des renommierten “Oxford English Dictionary” verstehen Netzjargon: In der neuen Ausgabe stehen die Akronyme LOL und OMG – Zeichen der Belustigung und des Erstaunens im Netz. Die Lexikografen fanden Erstaunliches heraus: OMG schrieb man schon 1917.

Spiegel Online, 26.3.2011

{jumi [*3]}

Google findet im Netz mehr als 117 Millionen Seiten, auf denen die Abkürzung OMG auftaucht. Meistens dürfte damit das OMG des Netzjargons gemeint sein, die Abkürzung für “Oh My God!” – also “Oh mein Gott!”. Doch obwohl im Netz so oft OMG! gerufen wird, hat es bis heute gedauert, dass öffentlich wurde: OMG! schrieb man schon 1917.

Das haben Autoren des renommierten Wörterbuchs “Oxford English Dictionary” recherchiert. In der neuen Version des “Oxford English Dictionary” steht nun offiziell ein Eintrag zu OMG. Und der erste Beleg in der Literaturliste, der die Anwendung von OMG dokumentiert, ist ein Brief von 1917. Darin schreibt der britische Marineadmiral John Arbuthnot Fisher an Winston Churchill zu Gerüchten über eine angebliche neue Ehrung: “Ich höre, dass eine neue Ritterwürde im Gespräch ist – O.M.G. (Oh! My! God!) – Überschüttet die Admirale damit!”

Dann taucht OMG viele Jahre lang nur selten in Texten auf, als Ausdruck für “Überraschung, Aufregung und Verlegenheit”, wie das “OED” definiert. 1982 zum Beispiel in der “Los Angeles Times” in einem Text über riesige Zitrusfrüchte und dann in den Neunzigern in den Online-Foren des Usenet, wo Menschen über Konzerte und Soaps mit der OMG-Wirkung diskutierten.

OMG hat ein eigenes Tier-Maskottchen

Heute taucht das Akronym OMG vor allem in “elektronischer Kommunikation (E-Mail, SMS, soziale Netzwerke, Blogs und so weiter)” auf, wie “OED”-Redaktionsleiter Graeme Diamond im Blogeintrag zur Neuausgabe erklärt. In der Tat: OMG gehört zum Standardvokabular der sogenannten Image Macros im Netz – Bildwitze, die aus einem absurden Foto und einer hineingeschriebenen Textzeile bestehen.

2010 bekam OMG zufällig ein Tier-Maskottchen, so wie zuvor schon “O RLY” (übersetzt so viel wie “Ach wirklich?”) die O-RLY-Eule. Die Geschichte der OMG-Katze beschreibt das Mem-Lexikon Knowyourmeme so: Im März 2010 schrieb ein Katzenbesitzer besorgt im japanischen Forum 2chan, seine Katze sei krank, sie habe sich das Kinn ausgerenkt, er wisse nicht, was zu tun sei. Er hängte noch ein Foto an, später ein Video. Zwei Tage später war die Katze nach einem Besuch beim Tierarzt wieder fit – und das Video ein Hit im Netz. Die erstaunt wirkende Katze ist seitdem als OMG Cat bekannt.

Auch der zweite Akronym-Zugang im “OED” hat eine erstaunliche Verwendungsgeschichte: LOL steht heute im Netz für “Laughing Out Loud”, seit 2005 kursieren in Onlineforen lustige Katzenfotos mit albernen, absurden und manchmal wirklich witzigen Zeilen – die sogenannten LOLcats, die früher samstags (den caturdays – so wie cat und Saturday) in speziellen Foren veröffentlicht wurden.

LOL hieß 1960 “Little Old Lady”

Im “Oxford English Dictionary” steht das Lach-LOL nun auch. Als erste Fundstelle geben die Sprachwissenschaftler eine Nachricht im Usenet an, in der Eric Raymond den aktuellen Netzjargon zusammenfasst. Das “OED” kennt LOL allerdings auch in einer anderen Bedeutung – als Abkürzung für “Little Old Lady”, die “kleine alte Dame”, zuerst 1960 nachgewiesen.

Kleine alte Damen nennt im Netz heute kaum jemand LOLs, doch der Begriff bleibt als alternative Bedeutung im “OED” erhalten. Einmal aufgenommene Wörter werden nicht entfernt – das “OED” dokumentiert auch die Sprachentwicklung. 1928 erschien nach 70 Jahren Arbeit die erste Ausgabe des Wörterbuchs, 1989 die zweite, an der nächsten arbeiten 80 Lexikografen. Ob die je gedruckt erscheinen wird, ist nicht ausgemacht – derzeit wird die Ausgabe im Netz monatlich aktualisiert.

Damit ein Wort aufgenommen wird, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein, erklärt “OED”-Redaktionsleiter Graeme Diamond dem US-Magazin ” Slate“: “Wir sind sehr vorsichtig, bevor wir etwas aufnehmen. Wir wollen, dass die Wörter etwas gelebt haben, bevor wir ihre Biografie schreiben.”

Für seine 94 Jahre ist OMG heute jedenfalls sehr lebendig.

{jumi [*5]}

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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