Zum Inhalt springen

Online-Poker: Konto gesperrt, Kohle weg (Spiegel Online, 11.6.2008)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
14 minuten gelesen

Online-Poker

Konto gesperrt, Kohle weg

In Deutschland ist Online-Pokern mit Geldeinsatz verboten, wird aber kaum verfolgt. Doch Zockern kann ein böses Erwachen drohen: Wenn die im Ausland ansässigen Kasinos entscheiden, die Gewinne der Spieler einzuziehen – wegen Verstößen gegen die oft undurchsichtigen Regeln.

Spiegel Online, 11.6.2008

280 Dollar! Das ist nicht viel Geld für Andre W. (Name von der
Redaktion geändert). Der Projektmanager bei einem deutschen
Beratungsunternehmen hat beim Online-Poker schon mehr gewonnen – und
auch mehr Echtgeld eingezahlt. Bis das Online-Kasino vor kurzem
plötzlich sein Spielkonto sperrte und die 280 Dollar darauf einzog.
Warum, wurde W. nicht mitgeteilt.

Der Freizeitspieler reimte sich selbst zusammen, was die Sperrung
provoziert haben könnte: "Ich gehe davon aus, dass es damit
zusammenhängt, dass ich von Brasilien aus auf die Seite zugegriffen
habe – ich war dort im Urlaub." Auf seine Anfragen ging der
Kundendienst nicht ein: "Sie meinten nur, ich hätte gegen die AGB
verstoßen und die Entscheidung sei endgültig. Immer derselbe Text. Da
der Firmensitz irgendwo auf Gibraltar ist, muss man auch keinen
Gedanken daran verschwenden, rechtliche Schritte einzuleiten."


Fazit: Das Geld ist weg.

Von ähnlichen Problemen berichten viele Spieler in Poker-Foren.
Erstaunlich dabei: Sie gestehen dabei alle freimütig, mit Klarnamen und
für jeden lesbar ein, dass sie Straftaten begangen haben. Denn das
Zocken um Echtgeld bei Poker-Portalen im Web ohne behördliche Erlaubnis
verstößt gegen Paragraph 285 des Strafgesetzbuchs: Wer sich an
unerlaubtem Glücksspiel beteiligt, kann danach mit "Freiheitsstrafe bis
zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig
Tagessätzen" bestraft werden.

Verboten, aber kaum verfolgt

Der Hamburger Anwalt Martin Bahr, Experte für Glücksspielrecht und
das Recht der Neuen Medien, sieht bei diesem Gesetz wenig
Interpretationsspielraum: "Wer in Deutschland bei einem Online-Anbieter
im Ausland mit mehr als 50 Cent Einsatz spielt, macht sich strafbar,
ohne Wenn und Aber. In der Begründung dieses Ende der neunziger Jahre
neu formulierten Paragraphen ist ausdrücklich das Glücksspiel im
Internet aufgeführt."

Die Kasino-Betreiber sehen das – natürlich – anders. Die schwedische
Firma Ongame Network, die die Portale Europoker und Pokerroom betreibt,
sieht zum Beispiel überhaupt keine Rechtsunsicherheit. Denn, so führt
die Firma in einer Stellungnahme gegenüber SPIEGEL ONLINE aus: "§ 284
StGB ist nicht anwendbar, weil es sich bei der von uns angebotenen
Poker-Variante um Texas Hold’em handelt und diese Poker-Variante
rechtlich als Geschicklichkeitsspiel und damit nicht als (unerlaubtes)
Glücksspiel anzusehen ist." Unabhängig davon verfüge Ongame über
EU-Lizenzen, die nach den europäischen Grundfreiheiten auch in
Deutschland gelten würden.

Das Problem dabei: Man
weiß nicht, ob ein deutsches Gericht dieser Argumentation folgt, weil
es bisher keine entsprechenden Prozesse gegeben hat. Deutsche
Staatsanwaltschaften verfolgen diese Online-Vergehen kaum. Laut Anwalt
Bahr lassen sich die angestrengten Verfahren wegen Beteiligung am
unerlaubten Online-Glücksspiel "an einer Hand abzählen". Der Experte
für Glücksspielrecht erklärt das damit, dass die Staatsanwaltschaften
ohnehin schon mit den Gewaltdelikten überlastet seien: "Beim illegalen
Glücksspiel haben sie dann noch mehr als genug mit den Sportwettbüros
und Pokerturnieren vor Ort zu tun. Es ist personell einfach nicht zu
leisten, alle online zockenden Bürger zu verfolgen."

Geld fließt ungehindert an Web-Kasinos

Zocken können sie problemlos online, weil der deutsche Gesetzgeber
zwar ein restriktives Verbot erlassen und das Glücksspiel monopolisiert
hat, aber wenig für die Durchsetzung tat. In den Vereinigten Staaten
zum Beispiel verbietet es der "Unlawful Internet Gambling Enforcement
Act" Banken und Finanzdienstleistern, Zahlungen zwischen US-Bürgern und
Online-Zock-Angeboten im Ausland abzuwickeln (siehe Kasten unten). In
Deutschland gibt es kein vergleichbares Gesetz.

 

ONLINE-ZOCK-VERBOT: DIE US-STRATEGIE GEGEN DAS WEB-GLÜCKSSPIEL


Harte Strafen
Der kalifornische Börsenhändler Jay Cohen nahm auf Antigua über eine
Web-Seite Sportwetten an – früher auch von US-Bürgern. Cohen wurde
angeklagt, reiste freiwillig in die Vereinigten Staaten, um sich zu
verteidigen und wurde im Jahr 2000 zu fast zwei Jahren Haft verurteilt,
nach einem US-Bundesgesetz, das zum Beispiel übers Telefonnetz im
Ausland abgeschlossene Wetten verbietet. 

 

Neue Gesetze
Trotz der WTO-Entscheidungen legt die US-Regierung eifrig neue Gesetze
nach: Im vorigen Herbst unterzeichnete Präsident Bush den "Unlawful
Internet Gambling Enforcement Act". Das Gesetz verbietet es Banken und
Finanzdienstleistern, Zahlungen zwischen US-Bürgern und
Online-Zock-Angeboten im Ausland abzuwickeln. Erste Opfer des Gesetzes
wurden die Kanadier Stephen Lawrence und John Lefebvre, die den
Online-Bezahldienst Neteller betreiben. Sie wurden von US-Behörden
verhaftet, angeklagt und haben im Juli das Verfahren mit der Zahlung
von 136 Millionen Dollar Geldbuße abgeschlossen. 

Entschädigungs-Deals
Vorige Woche haben sich die Vereinigten Staaten mit der EU auf eine
Entschädigung für das Online-Zock-Verbot geeinigt. Der Vertrag soll
EU-Unternehmen laut dem Fachdienst "Heise Online"
Handelserleichterungen auf dem US-Markt für "Post-, Paket-, Lager-,
Test- und Analysedienstleistungen" garantieren. Der Vertrag soll
weniger als 100 Millionen Dollar wert sein. Handelspolitikexpertin
Sallie James vom Cato-Institute beurteilt die Vereinbarung gegenüber
SPIEGEL ONLINE so: "Den europäischen Glücksspielanbietern bringt das
überhaupt nichts." Aber das liege in der Natur solcher Vereinbarungen.
James: "Wenn in einem Bereich Markterleichterungen zurückgezogen
werden, können Entschädigungen dafür natürlich nur in anderen Bereichen
gewährt werden."

In einem der wenigen bekannten Online-Glücksspielfälle, die vor
einem deutschen Gericht landeten, wurde die Angeklagte gar nicht wegen
des Glücksspielparagraphen verurteilt, sondern wegen versuchten Betrugs
beim Erschleichen von Krediten zur Finanzierung ihrer Spielsucht.
Interessantes Detail: Die Angeklagte soll 40.000 Dollar in
Online-Kasinos erspielt und mehr als 120.000 Dollar verloren haben, wie
die " Neue Presse Coburg" im vorigen Oktober berichtete. Soviel zum Schutz vor Spielsucht per Glücksspielmonopol.

Restriktives Gesetz, aber kaum Unrechtsbewusstsein

Die Folge der kaum stattfindenden Verfolgung: Kaum jemandem scheint
das Verbot bekannt zu sein – und falls doch, wird es nicht ernst
genommen: Zwischen 500.000 und drei Millionen Deutsche spielen trotz
Verbots regelmäßig bei ausländischen Online-Kasinos um Geld. Soweit die
Zahlen aus diversen Umfragen und Studien – repräsentative
Untersuchungen mit belastbaren Zahlen gibt es nicht.

Viele Spieler wie Projektmanager W. merken erst nach dem Einzug des
Guthabens, dass sie keinen Anspruch auf das Geld haben, das sie an
Online-Kasinos überwiesen oder dort gewonnen haben. Faktisch ist die
Auszahlung Ermessenssache der Unternehmen. Man kann nur darauf hoffen,
dass sie ihre Macht auch tatsächlich nur gegen Betrugsversuche nutzen –
und dass sie nur selten falsch entscheiden.

Der Pokerportal-Betreiber Ongame Network aus Schweden erklärt zu
diesem Rechtsproblem in einer Stellungnahme gegenüber SPIEGEL ONLINE,
dass "die Spieler aus Deutschland selbstverständlich einen rechtlichen
Anspruch auf ihr Geld haben, der auch einklagbar ist". Nur, so Ongame:
"Natürlich ist – wie bei allen anderen im Ausland bestellten Waren
beziehungsweise Dienstleistungen – die gerichtliche Durchsetzung
aufwendiger als im Inland."

Das formulieren auch die meisten Anbieter klar in ihren
Geschäftsbedingungen – wer diese langen, etwas versteckten Rechtstexte
liest, bekommt nach langer Studienzeit einen recht guten Eindruck
davon, worauf er sich einlässt (siehe Kasten unten).

 

ONLINE-POKER: DAS STEHT IN DEN GESCHÄFTSBEDINGUNGEN DER KASINOS

Spielergeld darf ohne Widerspruchsrecht eingezogen werden, Guthaben
verfällt nach einer zu langen Spielpause – hier die kritischsten Punkte
aus den Geschäftsbedingungen von Online-Kasinos. 

Geld einfrieren bei Verdacht
In fast allen Geschäftsbedingungen von Online-Poker-Portalen finden sich Formulierungen wie diese bei Pokerroom und Europoker: Die Seite darf "Auszahlungen, Boni und Gewinne einbehalten und die Vereinbarung beenden", wenn eine von vielen Bedingungen erfüllt ist. Zum Beispiel: "Die SITE hat Grund zu der Annahme, dass Sie eine Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder eine der Richtlinien, Vorgaben oder Regeln verletzt haben" oder "Wir können bestimmte Informationen nicht verifizieren oder authentifizieren, die Sie der SITE geben."

Dazu erklärt die schwedische Firma Ongame Network Ltd., Betreiber von Europoker und Pokerroom:
"Bei bloßem Verdacht wird hier nicht gehandelt. Es handelt sich hier um
Fälle des bewiesenen Betruges. Zuvor wird versucht, mit dem Betroffenen
eine Regelung zu finden. Diese Fälle sind bisher in Deutschland noch
nicht aufgetreten. Ein anderer Anwendungsfall wäre unerlaubtes Spielen
Minderjähriger. In diesen Fällen wird aber das Echtgeldguthaben nicht
einfach eingezogen, sondern rückabgewickelt."

Quellen: Europoker-AGB

Firmenentscheidungen sind endgültig
Entscheidungen – wie zum Beispiel die, Guthaben in Verdachtsfällen einzuziehen – erklären die Pokerportale gerne für endgültig. Pokerstars zum Beispiel lässt per AGB dieses bestätigen: Die "in Bezug auf ein Nutzerkonto, Nutzung des Services oder Streitbeilegung getroffene Entscheidung des Managements von PokerStars ist endgültig, und die Möglichkeit der erneuten Vorlage oder einer Berufung ist nicht gegeben." 

Dazu erklärt die schwedische Firma Ongame Network Ltd., Betreiber von Europoker und Pokerroom:
"Generell ist zu den AGB zu sagen, dass wir als schwedisches
Unternehmen die nach der dortigen Rechtslage zulässigen AGB haben. Wir
passen die AGB nicht jedem Land an, in dem unser Angebot abrufbar ist.
Das Risiko, dass unsere in Schweden zulässigen AGB in anderen Ländern
möglicherweise nicht gelten, tragen wir. Wir möchten aber betonen, dass
wir die AGB generell gegenüber unseren Kunden sehr kulant auslegen.
Dies hat seinen Grund auch darin, dass sich Unregelmäßigkeiten in der
Internet-Community natürlich schnell herumsprechen und unserem Ruf als
verantwortungsvoller europäischer Anbieter schaden würden."

Pokerstars hat auf die Fragen „Bedeutet, dass bei bloßen
Verdachtsfällen Echtgeld-Guthaben eingezogen werden kann? Welche
Möglichkeiten haben Spieler, gegen solche Entscheidungen vorzugehen?“
nicht in der von SPIEGEL ONLINE gesetzten Frist geantwortet.

Quellen:Europoker-AGB, Pokerstars-AGB

Guthaben verfällt bei Nicht-Nutzung
Wenn ein Spieler sich zu lange nicht beim Portal Partypoker einloggt und spielt, zieht der Anbieter Monat für Monat fünf Euro vom Spielerkonto ein. Dieses Detail findet man unter Punkt 11 der Partypokker-Geschäftsbedinungen, wo es heißt, dass "die Gruppe" nach 180 Tagen ohne Einloggen und Spielen diese Accounts mit einer Verwaltungsgebühr belegen darf. Deren Höhe nennt Partypoker auf einer anderen Seite mit dem Hinweis: "Gebühren können sich von Zeit zu Zeit ändern."

Dazu erklärt Partypoker auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE:
"Jede Passage unserer Geschäftsbedingungen ist eingeschlossen worden,
weil sie wichtig ist. Spieler stimmen ausdrücklich zu, dass sie die
Geschäftssbedingnugen gelesen haben und ihnen zustimmen, bevor sie Geld
einzahlen. Es ist üblich, eine Verwaltungsgebühr zu erheben, wenn
Kosten entstehen, um das Konto für den Spieler aufrechtzuerhalten. Man
kann nicht von uns erwarten, dass wir Konten ewig pflegen. Wenn Spieler
inaktiv sind, werden sie per Mail gewarnt, dass eine monatliche Gebühr
erhoben wird, falls sie nicht spielen oder das Geld komplett abheben.
Die Punkte der Geschäftsbedingungen sind nicht nach Wichtigkeit
sortiert. Es würde keinen Vor- oder Nachteil bringen, diese Passage
höher oder tiefer einzuordnen, da alle gleich wichtig sind und der
Spieler angibt, alles gelesen und verstanden zu haben."

Quellen: Partypoker-AGB, Partypoker-Gebührenordnung

Im Spiel-Chat nicht kritisieren
Im Prinzip nachvollziehbar, aber völlig überzogen formuliert ist die Passage in den Pokerstars-AGB, die Nutzern der vom Portal angebotenen Chat-Optionen verbietet, "Äußerungen zu tätigen, in denen für eine andere Dienstleistung oder ein Produkt einer Partei außer PokerStars geworben wird." Das Unternehmen geht aber noch weiter und untersagt "Äußerungen über PokerStars oder den Service zu tätigen, welche unwahr sind oder berechtigterweise als verleumderisch oder kritisch aufgefasst werden können." Extrem scharf ausgeleget, bedeutet das: Wer Pokerstars auf der Plattform kritisiert, verstößt gegen die AGB, wer gegen die AGB verstößt, kann gesperrt und ausgeschlossen werden. 

Pokerstars hat auf die Fragen "Beudeutet das, dass wer
Pokerstars auf der Plattform kritisiert, gesperrt und ausgeschlossen
werden kann? Was ist der Grund für diese Regelung?" nicht in der von
SPIEGEL ONLINE gesetzten Frist geantwortet.

Quellen: Pokerstars-AGB

Was geschieht mit dem Geld, wenn die Site schließt?
Beunruhigende Klausel in den Geschäftsbedingungen von Europoker: Unter den Bedingungen, unter denen man "Auszahlungen, Boni und Gewinne einbehalten und die Vereinbarung beenden" kann, führt Europoker auch diesen Passus auf: "Die SITE entscheidet sich, den Betrieb einzustellen oder die SITE auf andere Weise ganz oder teilweise stillzulegen."

Dazu erklärt die schwedische Firma Ongame Network Ltd., Betreiber von Europoker und Pokerroom:
"Hier handelt es sich um eine Standardklausel. Natürlich werden die
Spielerguthaben vorher ausgezahlt, falls dieser sehr unwahrscheinliche
Fall eintreten sollte. Alles andere wäre auch nicht zulässig."

Quellen: Europoker-AGB

Datenschutz und Spähprogramme
Zur Aufdeckung und Abwehr von Betrug per Schummel-Software lassen sich fast alle Betreiber von Online-Poker-Portalen in den Geschäftsbedinungen weitreichende Rechte zum Scannen der Rechner, auf denen die Spiel-Software läuft, einräumen. Zugespitzt gesagt: Viele Online-Poker-Programme funktionieren wie Trojaner. Um die "Sicherheit und Integrität des Spiels zu gewährleisten", fahndet Europoker zum Beispiel "auf den Computern der Spieler selbst" nach "Software-Programmen, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten, z. B. Poker-Bots".

Auf die Frage, ob das die einzigen Informationen sind, die gescannt
werden, antwortet die schwedische Firma Ongame Network Ltd., Betreiber
von Europoker und Pokerroom: "Bei Auszahlung wird eine Ausweiskopie verlangt (Altersschutz) und wir haben ein sehr umfassendes Fraudprevention-System."

Quellen: Europoker-AGB

Klagen bitte auf der Isle of Man, in Kanada oder Schweden
Aberwitzig ist es, wie die Pokerportale per AGB den Gerichtsstand in beliebige Staaten verlegen. Bei Partypoker ist das für EU-Bürger Gibraltar, für andere die Insel Alderney. Pokerstars zum Beispiel erklärt kategorisch: "Diese Vereinbarung und alle mit ihr verbundenen Angelegenheiten unterliegen dem Recht der Isle of Man und sollen nach diesem ausgelegt werden."Europoker lässt sich von seinen Kunden abnicken, dass sie sich "für die Klärung von Disputen, Kontroversen oder Forderungen, die sich aus oder in Verbindung mit diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder dem Verhältnis zwischen Ihnen und der SITE ergeben, der ausschließlichen schwedischen Gerichtsbarkeit" unterwerfen.

Dazu erklärt Partypoker: "Wir bieten einen Spieldienst von
Standorten unter der Gerichtsbarkeit von Alderney und Gibraltar aus an.
Wir werden von den Aufsichtsbehören dieser Gerichtsbarkeiten überwacht.
Es ist Teil unserer dortigen Lizenzauflagen, unsere
Geschäftsbedingungen der dortigen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen. Das
erleichert es der Aufsichtsbehörde, alle Streitigkeiten zu regeln, die
auftauchen mögen. Aufgrund der globalen Ausrichtung unserer
Dienstleistungen wäre es nicht möglich, unsere Angebote den Gesetzen
jeder Gerichtsbarkeit, aus der Kunden stammen, zu unterwerfen. Dies
würde zu Konflikten und Rechtsunsicherheit führen, was dem Kunden nicht
nutzen würde. Gerade deshalb bemüht sich die EU ständig, einheitliche
Rahmenbedingungen zum Schutz der Verbraucher zu schaffen. Die Gesetze
von Gibraltar und Alderney, an die wir gebunden sind, bieten mehr als
das notwendige Maß an Verbraucherschutz."

Dazu erklärt die schwedische Firma Ongame Network Ltd., Betreiber von Europoker und Pokerroom:
"Grund ist, dass die Firma Ongame aus Schweden stammt. Bisher ist noch
kein Fall eingetreten, in dem eine gerichtliche Lösung nötig war. Wir
sind unseren Kunden gegenüber sehr kulant und regeln mögliche Probleme
außergerichtlich."

Pokerstars hat auf die Frage "Diese Formulierung widerspricht
nach Einschätzung von Juristen deutschen Gesetzen, da für deutsche
Verbraucher generell deutsches Recht gilt. Warum schließt Pokerstars
das dennoch in den Geschäftsbedingungen aus?" nicht in der von SPIEGEL
ONLINE gesetzten Frist geantwortet.

Quellen: Europoker-AGB, Pokerstars-AGB, Partypoker-AGB

 

Viele dieser Passagen widersprechen deutschem Recht. Der Experte für
Glücksspielrecht Martin Bahr erklärt: "Für deutsche Verbraucher gilt
deutsches Recht, auch wenn die Online-Poker-Anbieter das in ihren
Geschäftsbedingungen ausschließen. Das ist aber bedeutungslos."

Faktisch ist Online-Zocken in Deutschland unreguliert

Denn nach deutschem Recht sind die Verträge zwischen den Spielern und
Unternehmen gegenstandslos, da sie gegen das Verbot unerlaubten
Glückspiels verstoßen. Die Folge: Die Unternehmen haben nach deutschem
Recht keinen Anspruch auf Zahlungen der Spieler, die Spieler haben
keinen Anspruch auf Auszahlung erspielter Gewinne oder eingezahlter
Beträge.

In Deutschland wird niemand gegen die Betreiber eines Poker-Portals
klagen, weil sein Guthaben eingefroren wurde. Anwalt Bahr erläutert:
"In Deutschland können die nicht klagen, und auf der Isle of Man oder
sonstwo wird das kaum jemand tun angesichts der Kosten. Sollte das mal
angesichts hoher Summen jemand dennoch versuchen, müsste er angesichts
der zu erwartenden Publicity eine strafrechtliche Verfolgung in
Deutschland fürchten." Und womöglich auch Forderungen des Finanzamts,
wenn die Tätigkeit gewerblich erscheint (siehe Kasten unten).

ONLINE-GLÜCKSSPIEL: MÜSSEN ZOCKER IHRE GEWINNE VERSTEUERN?

Glücksspielgewinne generell steuerfrei
Grundsätzlich müssen Privatleute für Spielgewinne keine Steuern zahlen – gleich ob diese aus legalem Glücksspiel, also den staatlich geschützten Monopolkasinos oder illegaler Online-Zockerei bei ausländischen Anbietern ohne deutsche Lizenz anfallen. Der Hamburger Steuerberater Michael Schleifer fasst die Rechtslage so zusammen: "Grundsätzlich sind Spielgewinne nach derzeit vorliegender Rechtsprechung keiner der sieben Einkunftsarten zuzuordnen, da sie in der Regel ohne Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und ohne nachhaltigen Leistungsaustausch mit Anderen erzielt werden (Lottogewinne, Roulettegewinne)." Folge: Im privaten Vermögensbereich bleiben diese Einnahmen einkommensteuerfrei.

Einschränkung: gewerbliche Berufsspieler müssen zahlen
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat allerdings in einigen Entscheidungen bei sogenannten Berufsspielern in Kasinos Anfang der neunziger Jahre eine Steuerpflicht auf Spielgewinne festgestellt (XI R 48/91, V R 20/91). In diesen Entscheidung definiert das Gericht eine Grenze zwischen der privaten Vermögensebene und den Ausnahmefällen einer "gewerblichen und daher einkommensteuerpflichtigen Tätigkeit eines Berufsspielers", wie Steuerberater Michael Schleifer zusammenfasst.

Wann ist Online-Poker gewerblich?
Auf das Online-Glücksspiel hat bislang noch kein Gericht diese BFH-Entscheidungen übertragen. Steuerberater Schleifer erklärt: "Entscheidungen zur Frage, ob regelmäßige Gewinne aus der Teilnahme an Online-Pokerrunden Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes – entweder gewerbliche/berufliche oder auch sonstige Einkünfte – sind, liegen meines Wissens nach noch nicht vor." Darüber, wie Richter entscheiden werden, falls ein Online-Poker-Fall einmal vor Gericht landet, kann man nur spekulieren. Steuerberater Schleifer hält es für plausibel, dass Finanzgerichte "bei einer quasi hauptberuflichen Qualität zu dem Ergebnis kommen könnten, die Gewinne einer Einkunftsart zuzuordnen und damit einkommensteuerpflichtig werden zu lassen." Dazu müsste aber eine Erwerbstätigkeit mit Einkünfteerzielungsabsicht nachweisbar sein. Steuerberater Schleifer. "Zum Beispiel der Berufsspieler mit besonderen Fertigkeiten, die ihm die Planung einer nachhaltigen Einkünfteerzielung ermöglichen."

Meldet das Finanzamt Online-Zocker der Staatsanwaltschaft?
Wie gehen Finanzämter mit Einnahmen aus Online-Pokerspielen um? Eine theoretische Frage, erklärt Sebastian Panknin, Sprecher der Hamburger Finanzbehörde und verweist darauf, dass die Teilnahme an solchen von Behörden nicht erlaubten Glücksspielen in Deutschland illegal ist. Grundsätzlich müssten Privatleute aber für Gewinne aus Glücksspiel keine Steuern zahlen – unabhängig, ob diese nun bei legalen deutschen Kasinos oder Lotterien anfallen oder in Internetkasinos erspielt wurden. Sollte nun ein Spieler diese Einnahmen dennoch dem Finanzamt melden, würde man ihn wohl nicht zwangsläufig der Staatsanwaltschaft melden. Denn, so Panknin: "Laut der Abgabenordnung müssen Amtsträger das Steuergeheimnis wahren. Eine Ausnahme gilt, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, Verbrechen und vorsätzliche schwere Vergehen gegen Leib und Leben zu verfolgen." Und darunter dürfte die Teilnahme an unerlaubtem Glücksspiel nicht fallen, schätzt Panknin. 

Hartes Gesetz schützt nicht vor Spielsucht

Wer sich in seinem Bekanntenkreis und in deutschen
Online-Poker-Foren umhört, merkt bald, dass deutsche Glücksspielgesetze
online ähnlich kontraproduktiv wirken wie die strengen Auflagen für in Deutschland ansässige Pornoanbieter beim Jugendschutz (mehr…):
Die Anbieter ziehen allesamt ins Ausland und machen dort alles, wofür
Kunden zahlen – auch und erst recht, was deutsche Gesetze verbieten.

Harte Pornografie ist in Deutschland online ohne jede Altersprüfung
verfügbar, und beim Onlinezocken kann jeder Bundesbürger mit
Kreditkarte und Internet-Zugang so viel Geld verspielen, wie er will
und kann, ohne dass irgendwelche deutschen Restriktionen greifen. Der
Coburger Fall ist dafür ein krasses Beispiel.

Der Rechtsexperte Bahr formuliert daher sein Fazit so: "Unerlaubtes
Glücksspiel ist verboten, das Bundesverfassungsgericht hat diese
Monopolisierung erlaubt, da sie dem Schutz vor Spielsucht dienen soll.
Tatsächlich greift dieser Schutz nicht, unerlaubtes Glücksspiel mit
Echtgeldeinsatz wird online millionenfach praktiziert – und das völlig
unreguliert."


Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
Immer gut: Newsletter abonnieren


auch interessant

Wer investiert in die Zukunft, wenn alle sparen?

Der common senf aktueller Debatten um Staatsausgaben, Tarifverhandlungen und Zinspolitik scheint mir gerade ein gefährlicher: Alle sollen sparen. Der Staat soll weniger ausgeben und damit der Gesamtwirtschaft Geld entziehen. Arbeitnehmer sollen Reallohnverluste akzeptieren, sparen und damit der Gesamtwirtschaft Geld entziehen. Und Unternehmen sollen sparen, bloß keine Kredite aufnehmen für Investitionen

Wer investiert in die Zukunft, wenn alle sparen?

Paradox der Gegenwart

Einerseits sehen so viele Menschen ihre individuellen (Konsum)Bedürfnisse als das wichtigste Gut, als absolut schützenswert. Überspitzte Maxime: Was ich will, ist heilig – alles geht vom Individuum aus. Andererseits erscheint genauso viele Menschen das Individuum ganz klein, wenn es darum geht, etwas zu verändern in der Welt. Überspitzte Maxime: Ich

Paradox der Gegenwart

Wie Schmecken funktioniert

Gelernt: Geschmack und Aroma sind zwei ganz unterschiedliche Wahrnehmungen. Für jede ist ein anderer Teil im Gehirn verantwortlich. Und jede basiert auf unterschiedlichen Daten: Für den Geschmack kommen Eindrücke von der Zunge, fürs Aroma von Rezeptoren in der Nase. Beides vermischt das Gehirn zum Gesamteindruck Schmecken. Sehr lesenswerter Aufsatz darüber

Wie Schmecken funktioniert