PC und Mac beschleunigen: Mehr Speed dank Flash-Festplatte (Spiegel Online, 20.1,2010, mit Matthias Kremp)
PC und Mac beschleunigen
Mehr Speed dank Flash-Festplatte
Darf’s ein bisschen schneller sein? SSD-Laufwerke sollen PC und Mac spürbar beschleunigen, sind dafür aber auch spürbar teurer als herkömmliche Festplatten. SPIEGEL ONLINE hat zwei solche Flash-Festplatten in verschiedenen Rechnern getestet, zeigt, wie man sie einbaut und was sie bringen.
Spiegel Online, 20.1,2010, mit Matthias Kremp
Bis das Betriebssystem läuft, kann man einen Kaffee kochen und bis der Firefox-Browser startet, ist der Kaffee schon wieder kalt. Wenn alte Rechner nur ein bisschen schneller arbeiten könnten… Den Wunsch kennt wohl jeder: Mit jedem Monat wird der Computer auch langsamer, zumindest gefühlt. Tipps und Tricks, wie man dem schleichenden Verfall entgegenwirken kann gibt es in der Fachpresse viele.
Oft wird da zu schnelleren Prozessoren, gar neuen Hauptplatinen oder komplizierten Festplatten-Zusammenschlüssen, sogenannten Raids, geraten. Dabei gibt es eine moderne Technik, die verspricht, den Rechner schneller zu machen, ohne dass man dafür stundenlang herumschrauben muss: SSD-Festplatten. Was die bringen, haben wir mit zwei Modellen und drei Rechnern ausprobiert.
Doch zuerst die Theorie: Das Kürzel SSD steht für den englischen Begriff Solid State Drive. Er bezeichnet Festplatten in denen anstelle der sonst üblichen rotierenden Magnetscheiben Speicher-Chips verbaut sind. Im Gegensatz zu den Chips die den Arbeitsspeicher von Computern bilden (Ram), funktionieren Flash-Bausteine allerdings etwas anders. Während nämlich der Inhalt von Ram-Chips gelöscht wird, sobald man den Computer ausschaltet oder vom Stromnetz trennt, bleiben die Informationen bei den sogenannten Flash-Speicher-Chips auch ohne Stromversorgung erhalten.
Die herausragenden Vorteile solcher SSD-Festplatten: Sie verbrauchen wenig Energie, sind unempfindlich gegen Erschütterungen und vor sind sie allem sehr schnell, wenn es darum geht Daten zu lesen. Schreibvorgänge können sie nicht sonderlich beschleunigen, dafür erreichen sie beim Lesen Geschwindigkeiten, die deutlich über dem liegen, was mit herkömmlichen Festplatten machbar ist. Und weil die Lesegeschwindigkeit der Festplatte viel damit zu tun hat, wie schnell ein PC ist, wie schnell er sich anfühlt, kann man einen Alt-Rechner auf diese Weise hervorragend beschleunigen, sagen die Hersteller.
Um zu testen, ob SSD-Festplatten dieses Versprechen tatsächlich einlösen können, haben wir solche Laufwerke in verschiedene Rechner eingebaut. Mit einer 128 Gigabyte großen Supertalent Ultradrive ME/GX MLC ersetzen wir das vorinstallierte Laufwerk eines Mac Mini. Mit einem Preis von rund 300 Euro gehört dieses Modell allerdings auch schon in die Oberklasse. Billiger war die Kingston SSD Now V, die wir sowohl in einen Power Mac G5 als auch in einen Windows-7-PC mit Quadcore-Intel-Prozessor einsetzten. In der 40-GB-Ausführung ist sie derzeit schon ab 90 Euro zu bekommen.
Wichtig ist es dabei, darauf zu achten, dass der Inhalt der alten Systemfestplatte deutlich kleiner ist als die Kapazität der neuen Flash-Platte. Empfehlenswert ist es, die neue Platte zu nicht mehr als etwa drei Viertel zu befüllen. Sollten auf der alten Systemplatte größere Datenmengen gespeichert sein, müssen diese beispielsweise auf eine externe Festplatte oder einen USB-Stick ausgelagert werden. Das ist nötig, weil später der gesamte Inhalt der Systemplatte 1:1 auf das Flash-Laufwerk übertragen wird.
Klonen per Software
Glücklicherweise liefert Kingston für diese Arbeit die Software Acronis True Image HD auf einer startfähigen CD mit. Die ist einfach zu bedienen und kopiert zuverlässig den Inhalt des alten Laufwerks auf das neue. Einzige Hürde: Nachdem man die Acronis-Scheibe aus dem Laufwerk entfernt und den Rechner neu gestartet hat, muss man im BIOS des Rechners die SSD als Startlaufwerk definieren. Wie das geht steht meist in der Bedienungsanleitung von PC oder Motherboard. Üblicherweise erhält man Zugriff auf die BIOS-Einstellungen, wenn man beim Rechnerstart die Taste “Entf”, manche Hersteller verwenden aber auch andere Tastenkürzel, wie etwa “F1”.
Macintosh-Besitzern legt Kingston zwar keine solche Kopierautomatik bei, doch die können sich selbst helfen. Die Shareware ” Carbon Copy Cloner” erledigt denselben Job wie das Acronis-Paket, nur, dass man dafür nicht einmal den Rechner neu starten muss. “Carbon Copy Cloner” kann man zwar auch kostenlos nutzen, doch ist sie es allemal wert, dass man dem Autor Mike Bombich dafür einen gewissen Betrag zukommen lässt. Wie viel das ist, überlässt Bombich seinen Kunden. Beiträge ab fünf Dollar (ca. 3,50 Euro) werden dankend entgegen genommen. Als Startlaufwerk definiert man die neue SSD im Mac OS X indem man in den Systemeinstellungen unter “System” das Kontrollfeld “Startvolume” aufruft. Bei nächste Rechnerstart wird dann die SSD genutzt.
Rechner- und Programmstart mit Turbolader
Ist das erledigt und das neue System samt SSD ausgiebig gestestet, lässt sich der alte Massenspeicher seiner Bezeichnung gemäß als ebensolcher, also als Massenspeicher, verwenden. Idealerweise formatiert man die alte Platte dazu und kopiert dann sämtliche Nutzerdaten, wie Texte, Bilder, Musik, Videos und Fotos darauf. Spätestens an dieser Stelle des Umbaus geht dann förmlich die Sonne auf. Bei allen getesteten Computern war der Geschwindigkeitszuwachs deutlich zu spüren. Das Betriebssystem startet deutlich schneller, Programme wie Word oder iTunes springen förmlich auf den Bildschirm, statt sich unter Festplattengeratter langsam in den Arbeitsspeicher zu schrauben.
Und dafür lohnt sich der Aufwand tatsächlich. Vor allem der Mac Mini lief mit Hilfe der schnellen Supertalent-Platte zu neuer Form auf, vertrieb jeden Gedanken an eine Ersatz des betagten Klein-Rechners durch ein neues Mac-Modell. Ähnlich, aber nicht ganz so drastisch, machte sich die Flash-Platte in dem Power Mac G5 bemerkbar, der trotz seiner beiden Power-PC-G5-Prozessoren auch schon zum Altmetall zählt. Selbst der moderne Quadcore-PC profitierte noch von der Platten-Beschleunigung. Da dieser Rechner aber ohnehin schon recht flink zu Werke geht, fiel der fühlbare Geschwindigkeitszuwachs hier am geringsten aus.
Messungen bestätigten der Kingston-Platte allerdings Leseraten von deutlich über 120 MB, bis zu 150 MB pro Sekunde, Werte mit denen nur wenige herkömmliche Festplatten mithalten können. Die Supertalent-Platte ist sogar noch ein wenig schneller. Zudem punkten die SSD-Laufwerke mit kurzen Zugriffszeiten. Weil sie nicht warten müssen, bis der Schreib-Lesekopf an der richtigen Stelle positioniert ist, finden sie gesuchte Datensätze einfach schneller. Enttäuschend ist dagegen, zumindest bei der Kingston SSD Now V, die Schreibgeschwindigkeit, die vom Anwender viel Geduld erfordert. Das Supertalent-Laufwerk hat mit solchen Problemen nicht zu kämpfen.
Luxus, der Spaß macht
Als Ersatz für das Startlaufwerk in einem Desktop-Rechner sind aber beide SSD-Platten uneingeschränkt empfehlenswert, zumindest in Kombination mit einer zweiten Festplatte als Datenlager. Aufgrund der geringen Schreibgeschwindigkeit taugt die Kingston SSD Now V allerdings in erster Linie für Betriebssystem und Programme. Daten sollte man darauf nur auslagern, wenn man nicht vorhat diese zu verändern. Eine Musiksammlung etwa, kann man schon darauf kopieren, Fotos, die man bearbeiten will, sollten lieber anderswo gesichert werden.
Betriebssystem und Programme auf der Flash-Platte, Fotos und Daten auf einer externen Platte – diese Lösung hat bei unseren Versuchen einen deutlichen Geschwindigkeitsschub bei der Bildbearbeitung und dem System überhaupt gebracht. Häufig veränderte Daten (wie zum Beispiel Fotosammlungen) auf einen externen Datenträger zu schreiben ist auch aus einem anderen Grund sinnvoll: Die Datenübertragungsraten bei SSDs können nach langer Nutzung sinken, wenn es immer weniger komplett freie Datenblöcke gibt, wo noch nie Daten gespeichert waren. Einmal verwendete Datenblöcke erneut zu beschreiben, dauert bei SSDs länger. Die SSD-Hersteller arbeiten an diesem Problem: Es gibt inzwischen für viele Laufwerke entsprechende Firmware-Updates und sogenannte Trim-Tools (mehr dazu in der c’t-FAQ zum Thema).
Für kleine Rechner mit nur einem Festplattenplatz, so wie den Mac Mini, ist deshalb die Supertalent-Platte besser geeignet. Sie geht auch bei Schreibvorgängen zügig zur Sache, kann bedenkenlos für System, Programme und Daten zugleich genutzt werden. Allerdings nur, wenn man darauf keine all zu großen Datenbestände ablegen will. Denn der Speicherplatz auf SSDs ist zur zeit noch knapp bemessen und teuer. Während rotierende Speichermedien schon für sechs bis acht Cent pro Gigabyte zu bekommen sind, zahlt man bei SSDs zwischen zwei und fünf Euro für dieselbe Kapazität.
SSD-Laufwerke sind deshalb Luxus. Sie sind die Sportwagen des PC-Zubehörs. Sie sind nicht praktisch, aber sie machen Spaß, viel Spaß.