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Profil-Neugestaltung: Facebook saugt Lebensläufe auf (Spiegel Online, 6.12.2010)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Profil-Neugestaltung

Facebook saugt Lebensläufe auf

Größere Fotos und viele Fragen an die Mitglieder – Facebook hat die Profilseiten überarbeitet und würde gern wissen: Wer arbeitet mit wem an welchen Projekten? Und wie heißen die wichtigsten Freunde?

Spiegel Online, 6.12.2010

{jumi [*3]}

Die Fotos sind nun etwas prominenter platziert bei Facebook, das ist auf den ersten Blick die wesentliche Neuerung beim größten sozialen Netzwerk der Welt. Erst wenn man die neue Facebook-Version freischaltet (das geht hier), zeigt sich, dass es bei der Renovierung um mehr geht. Die Facebook-Macher wollen die Nutzer dazu verleiten, ihr soziales Umfeld noch genauer mit den Facebook-Werkzeugen zu digitalisieren.

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Die Fotos sind nun etwas prominenter platziert bei Facebook, das ist auf den ersten Blick die wesentliche Neuerung beim größten sozialen Netzwerk der Welt. Erst wenn man die neue Facebook-Version freischaltet (das geht hier), zeigt sich, dass es bei der Renovierung um mehr geht. Die Facebook-Macher wollen die Nutzer dazu verleiten, ihr soziales Umfeld noch genauer mit den Facebook-Werkzeugen zu digitalisieren.

Wer will, kann Facebook eine Reihe neuer Informationen geben. Zum Beispiel diese: Mit wem hat man in welcher Firma gearbeitet? An welchen Projekten? Wie lange? Und in welchen Lehrveranstaltungen saß man an der Universität mit wem? Viele der Unternehmen kennt Facebook schon, man fängt an zu schreiben und nach ein paar Zeichen schlägt Facebook einem den korrekten Firmennamen vor, meist sogar mit einem passenden Logo, damit das im Profil auch etwas hermacht.

Facebook analysiert Beziehungen zwischen Lebensläufen

Die Vorschläge verdeutlichen: Facebook pflegt eine intelligent aufgebaute Datenbank, die Lebensläufe analysieren und in Beziehung zu anderen setzen kann. Facebooks Datenbank versteht, was ein Arbeitgeber ist. Und je mehr von den 500 Millionen Facebook-Mitgliedern die Datenbank um Einträge zu den neuen Details ergänzen, desto besser kann die Facebook-Datenbank abschätzen, wer mit wem wo gearbeitet hat, in welcher Art Beziehung diese Personen stehen könnten, welche Projekte in welchen Unternehmen liefen oder laufen.

Damit möglichst viele Mitglieder derart detailliert Auskunft über ihr Leben geben, lenkt Facebook mit der Neugestaltung der Profilseiten die Aufmerksamkeit auf diese Details: Über jedem neuen Profil steht nun eine kurze Zusammenfassung der – nach Ansicht von Facebook für die Besucher wohl relevantesten – Details: Wo arbeitet man, wo hat man gelernt, welche Sprachen spricht man, wo kommt man her, wie sieht man aus?

Die Facebook-Mitglieder teilen ihr Wissen über andere und die Welt

Facebook stellt mit dieser Überarbeitung die wichtigste Eigenschaft des Netzwerks heraus: Die Seite muss Mitglieder animieren, Beziehungen anzugeben, einzugehen, Fotos, Fundstücke zu teilen, zu bewerten, zu kommentieren. Kurz: Facebook braucht 500 Millionen unbezahlte Mitarbeiter, die ihr Wissen über sich, andere, die Welt und das Netz nach vorgegebenen Kategorien digitalisieren und ordnen. Facebooks Erfolgsgeheimnis ist das Geschick, diese Informationen so zu zentralisieren und auszuwerten, dass auch für Mitglieder ein spürbarer Mehrwert entsteht.

Die Datenbanklogik auf das eigene Leben anzuwenden, erscheint manchmal etwas merkwürdig. Facebooks Datenbank kategorisiert Freizeit so ähnlich wie den Arbeitsalltag: Was tut man und mit wem? Und auch bei der Ordnung des Freundeskreises soll man quantifizierbare Kriterien finden, die Entwickler schlagen tatsächlich vor, eine Liste mit den “Featured Friends” anzulegen. Auch Glaube und politische Überzeugungen lassen sich mit Stichworten in vier Kategorien angeben – und was derzeit noch nicht als Datenbankeintrag existiert (“Digitalisierung” erkennt Facebook noch nicht als religiöse Überzeugung), wird wahrscheinlich irgendwann zu einem Eintrag werden, wenn genügend Menschen denselben Begriff als Glaubens-Stichwort in ihr Profil getippt haben.

Interessen: “Schlafen”, “Schlafen Und Essen” und “Lange Schlafen”

Bei diesen Kategorien fragt man sich, ob Facebook mehr oder weniger über das Leben weiß als man selbst. Vielleicht führt die Mehrheit der Menschen (oder zumindest der von Facebook online beobachteten Menschen) tatsächlich ein derart ordentlich in Abschnitte, Aktivitäten und Stationen kategorisierbares Lebenslauf-Leben. Vielleicht nimmt aber auch nicht jeder, der da etwas in die Profilkategorien tippt, die Facebook-Version seines Lebens ernst.

Dafür sprechen einige Beobachtungen: In einigen Details ist Facebooks Interessensdatenbank nicht perfekt, tippt man als Aktivität Schlafen ein, schlägt die Datenbank mehrere “Interessen” vor: “Schlafen”, “Schlafen Und Essen”; “Lange Schlafen” aber auch “Arbeiten und Schlafen”. Die Ruhephasen des Lebens sind noch komplizierter als die Facebook-Logik, beziehungsweise nehmen manche Menschen die Lebenskategorisierung nicht ernst genug.

Anders formuliert: Die Datenbank ist noch nicht so weit, Facebook versteht noch keine Witze.

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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