Retro-Design: Google Maps, jetzt mit Klötzchengrafik (Spiegel Online, 1.4.2012)
Retro-Design
Google Maps, jetzt mit Klötzchengrafik
Wie hätten Online-Karten wohl 1986 ausgesehen, auf einer Nintendo-Konsole? Ein japanischer Google-Ingenieur wollte es wissen: Er verpasste dem Kartendienst eine Retro-Grafik – voll funktionsfähig, grüne Drachen inklusive.
Spiegel Online, 1.4.2012
{jumi [*3]}
Südlich von Ghana sitzt ein roter Drache auf einer Felseninsel, und Deutschland besteht zu einem großen Teil aus grauen Gebirgsklötzchen mit etwas Tannenwald und einer Burg in Köln dazwischen. So sieht die Welt in einer neuen Ansicht von Googles Landkartendienst Maps aus – der 8-Bit-Version, die ein Team des japanischen Google-Entwicklers Tatsuo Nomura entworfen hat.
Nomura stellt sein Werk in einem etwas bemühten Google-Werbevideo vor, das eine neue Google-Maps-Variante für die alte Nintendo-Konsole NES vorstellt. 60 Millionen Exemplare seien von der Heimkonsole verkauft worden, erzählt Nomura, deshalb liefere man nun Google Maps auf einer Steckkarte für dieses zu lange ignorierte System aus. Das ist natürlich ein April-Scherz, doch die Google-Maps-Version in NES-Klötzchengrafik ist echt, jeder kann sie im Browser aufrufen.
Wie kommt man darauf, so etwas zu entwickeln? Wahrscheinlich hat Tatsuo Nomura in den Achtzigern viel Zeit an einer Spielkonsole verbracht. Die Landkarte war bei vielen Spielen damals das faszinierendste Element: Stück für Stück, Pixel für Pixel entdeckte man in Klassikern wie “Dragon Quest” und “Final Fantasy” die Welt und ihre Bewohner. Einen schönen Einblick gibt die Seite NESmaps.com.
So abstrakt die Klötzchengrafik war, so ähnlich sich die Wälder und Berge auch sahen – auf diesen Karten fühlten die Spieler sich als Welten-Entdecker. Viele dieser Übersichtskarten entstanden in Japan, nirgends haben sich die Rollenspiele der “Dragon Quest”-Serie so gut verkauft wie hier.
Angesichts dieser Geschichte überrascht es wenig, dass man in Tatsuo Nomuras Neuinterpretation der Google-Landkarten auch einige alte Bekannte aus dem ersten Teil von “Dragon Quest” findet – den kämpferischen Schleim zum Beispiel (hier die Spielversion, hier die Kartenansicht).
Eine Übersicht der “Dragon Quest”-Figuren in der Maps-Neuinterpretation haben die Nutzer bei Reddit zusammengetragen. Wenn man diese Liste mit dem Überblick aller Gegner aus dem Originalspiel vergleicht, haben die Entdecker gute Arbeit geleistet: Schon nach wenigen Stunden hatten sie fast alle Figuren in der neuen Google-Kartenansicht entdeckt – so gesehen ist Tatsuo Nomura mit seiner Klötzchengrafik-Version sogar ein Spiel gelungen, das viele Menschen stundenlang gefesselt hat, die eine neue Spielwelt entdecken wollten.
Ganz neu ist Idee einer 8-Bit-Version realer Karten allerdings nicht. 2010 hat der Entwickler Brett Camper beim US-Crowdfunding-Portal Kickstarter gut 3000 Dollar für sein Projekt 8-Bit-City eingesammelt. Für 18 Städte entwarf Camper neue Online-Karten in Klötzchengrafik, als Hommage an die pixeligen Übersichtskarten der Rollenspiele und Adventures aus den achtziger Jahren, wie er in seiner Projektvorstellung schreibt.
Camper beschreibt, wie seine 8-Bit-Städte entstehen: Als Grundlage dient ihm das Kartenmaterial der Open Street Map. Seine Software analysiert, wie jedes Element der Karte beschaffen ist (Straße? Häuser? Wald? Wasser?). Basierend auf diesen Daten setzt die Software dann in jeder Zoom-Stufe die Karte aus 16 mal 16 Pixel großen Einzelgrafiken zusammen. So ähnlich dürfte auch Googles 8-Bit-Weltkarte funktionieren – hier kommen dann allerdings noch Drachen, Skelette und allerlei niedliche Pixelbauwerke (zum Beispiel Eiffelturm, Google-Campus, Berliner Fernsehturm) hinzu.
{jumi [*20]}