Schlechte Laune (Süddeutsche Zeitung, 21.3.2001)
Schlechte Laune
Das Symbol der Missvergnügten ist zum Warenzeichen geworden
Süddeutsche Zeitung, 21.3.2001
Wer unzufrieden sein will, muss zahlen. Zumindest wer das in E-mails oder Internetforen kundtut. Bisher zieht hier jeder ohne Bedenken seine Mundwinkel mürrisch mit Hilfe dreier Tasten herab: :-(. Das ist der sogenannte Frowny. Das globale Symbol der Strinrunzler, der Missvergnügten, der Stänkerer. Jetzt haben sie wenigstens einen gewichtigen Grund fürs Unwohlsein. Denn der Frowny ist zum eingetragenen Warenzeichen des US-Unternehmens Despair geworden.
Nicht verwunderlich angesichts der weltweiten Rollback-Politik der Inhaber geistigen Eigentums. Unter dem Deckmantel eines Überlebenskampfes gegen die vermeintliche Anarchie der Digitalisierung werden die Kontrollansprüche der Urheberrechte etwa bei DVDs in nie gekannte Ausmaße gesteigert. Nun ist also auch schlechte Laune geistiges Eigentum. Das amerikanische Patent- und Markenamt USPTO billigte im Mai vergangenen Jahres den Antrag von Despair auf den Schutz ihres Frownies. Wer das nicht glaubt, kann unter der Seriennummer 75502288 in der USPTO-Datenbank suchen. „Wir werden jeden verklagen, der den sogenannten Frowny in seiner Email-Korrespondenz verwendet“, drohte Despair-Gründer Edward Kersten dann auch. Die Welt protestierte. Wütende E-mails – auch ohne Frownies sehr missgestimmt – verstopften Despairs Postfächer.
Jetzt zeigt das Unternehmen Erbarmen: „Zuerst wollte ich der Sache keine Beachtung schenken, da die ersten Beschwerden aus Frankreich kamen und Franzosen sich ja über alles beschweren“, setzt Kersten an. Aber: „Ich konnte nicht anders – ich war bewegt durch das Schreien und Flehen dieser verzweifelnden Seelen. Sind dies nicht jene, für die ich Despair gründete? Sind es nicht diese Seelen, deren Missmut mich reich gemacht hat?“ Despair verkauft unter anderem Kaffeetassen, auf denen in der Mitte zu lesen ist: „Diese Tasse ist nun halb leer.“ Auch beliebt die Baseballmütze mit der Aufschrift: „Ein weiterer unzufriedener Kunde.“
Nun also können auf der Internetseite von Despair Frownies bestellt werden. Das Stadardmodell sogar kostenlos! Allerdings kommen noch Versandkosten hinzu. Und es kann Lieferprobleme geben. Wie Kersten freimütig bekennt, hat sein Unternehmen die Nachfrage überschätzt: „Ich kann keine Details nennen, aber für die Produktion von Frownies braucht man einen Computer, ein Textverarbeitungsprogramm und einen Menschen. Da unsere einzige legale Kopie von Microsoft Word für den Korrekturleser Dane Burke registriert ist, haben wir ihm die Verantwortung für den Produktionsprozess übertragen.“ Leider ist Burke Legastheniker. Und so kommt es zu einer Ausschussquote von 30 Prozent bei der Produktion von Frownies. Meistens fehlt die Nase. Oder sie lachen statt zu grummeln. Doch Kersten bleibt zuversichtlich: „Es ist eine unglaubliche Möglichkeit, die Kommunikation so vieler unglücklicher Menschen zu bereichern und mich persönlich dabei sogar noch mehr zu bereichern.“
Wer es noch nicht verstanden hat: Das ist eine Satire. Despair verkauft keine unzufriedenen Mienen. Allerdings unterscheidet sich die Wirklichkeit nicht wesentlich hiervon. Denn Despair könnte tatsächlich voller Hoffnung gegen Menschen vorgehen, die das Warenzeichen „:-(“ etwa in Internetforen unerlaubt öffentlich verwenden. In den Vereinigten Staaten wird zur Zeit um ein Patent des Internetbuchhändlers Amazon prozessiert. Die Firma will Geld von Konkurrenten haben. Für eine einmalige Erfindung: Einkauf mit einem Mausklick.