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Selbstblockade: Gängel-Drucker streiken wegen angeblich leerer Patronen (Spiegel Online, 24.1.2008)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
6 minuten gelesen

Selbstblockade

Gängel-Drucker streiken wegen angeblich leerer Patronen

Tintenstrahldrucker blockieren, wenn Patronen nicht aus Deutschland kommen, zu lange im Schrank lagen oder ein vorab definiertes Limit erreichen. Wie unzufrieden Kunden darüber sind, zeigen die Zuschriften von SPIEGEL-ONLINE-Lesern. Die Hersteller antworten auf die Vorwürfe.

Spiegel Online, 24.1.2008

Unternehmensberater Jürgen Malberg aus Saarbrücken wundert sich, als sein Tintenstrahldrucker den Dienst verweigert. Das Gerät meldet: Die Tintenpatronen seien leer, müssten gewechselt werden. Malberg öffnet den Drucker, entnimmt die Patronen, schüttelt sie und stellt fest: "Man hört noch mehr als genügend Tinte plätschern." Der Verdacht des Unternehmensberaters: Druckerhersteller lassen einen Zähler mitlaufen, der registriert, wie oft gedruckt wurde. Ist das vorab definierte Ausdrucklimit erreicht, streikt das Gerät: Malberg wähnt da einen Gängel-Mechanismus wie beim Auffangvliesdrucklimit, über das SPIEGEL ONLINE berichtet hat.

Hintergrund: In manchen Tintenstrahldruckern fängt ein Vlies überschüssige Tinte bei Reinigungsvorgängen auf. Irgendwann könnte es voll sein, dann würde Tinte aus dem Drucker laufen. Um das zu vermeiden, baut Hersteller Epson Tintenstrahldruckern eine Selbstblockade ein.

Von ähnlichen Blockadefunktionen bei ihren Druckern berichten mehr als hundert Leser wie Jürgen Malberg SPIEGEL ONLINE in E-Mails. Drucker streiken, weil Tintenpatronen angeblich leer sind, vor zu langer Zeit gekauft wurden oder aus dem falschen Land stammen.

SPIEGEL ONLINE beschreibt die Probleme mit Gängel-Druckern und konfrontiert die von Lesern am häufigsten erwähnten Hersteller mit der Kritik.

Drucker meldet volle Patronen als leer

Viele Leser beschreiben ähnliche Erlebnisse wie Unternehmensberater Malberg. Dessen Epson-Tintenstrahldrucker (Modell Stylus DX4000-Serie) warnt vor leeren Patronen, doch beim Schütteln der angeblich ausgesaugten Behälter plätschert darin noch Resttinte.

Deklarieren Epson-Drucker Tintenpatronen vorzeitig als leer?

Epson antwortet:
"Die Reichweite aller Epson Patronen wird gemäß dem ISO/IEC Standard 24711/24712 angegeben ( vgl. ISO-Seite). Dies entspricht einer internationalen Norm, bei deren Entwicklung viele Experten aus unterschiedlichen Bereichen mitgearbeitet haben. Epson kann nicht garantieren, dass für alle möglichen Druckbedingungen diese Reichweite erreicht wird."

Außerdem gesteht Epson ein: "Es bleibt zudem auch bei einer als leer angezeigten Patrone eine kleine Menge Tinte als Sicherheit zurück."

Diese Reserve sei eine Vorsichtsmaßnahme, argumentiert Epson:
Es ist notwendig, die Epson-Druckköpfe stets mit Tinte gefüllt zu halten. Epson-Tintenstrahldrucker arbeiten ausnahmslos mit Micro-Piezodruckköpfen, die während des ganzen Druckerlebens nicht gewechselt werden müssen. Um zu vermeiden, dass Luft in die hochfeinen Tintenkanäle gelangt, ist es notwendig, die Druckköpfe stets mit Tinte gefüllt zu halten. Eingedrungene Luftbläschen können zu ernsten Störungen des Druckers führen oder sogar den Druckkopf zerstören."

Tintenstrahl-Drucker schätzen Patronen-Füllstand nur

Aber was messen Epson-Tintenstrahldrucker genau? Wird die Anzahl der erfolgten Ausdrucke gezählt, das Alter der Patrone überprüft oder der tatsächliche Füllstand der Patronen gemessen? Ein Leser, der nicht namentlich genannt werden will, berichtet von einem Experiment: Er habe von seiner als leer deklarierten Epson-Tintenpatrone einen Chip abgelöst und auf einer neuen, unbenutzte Epson-Tintenpatrone aufgebracht. Diese Patrone habe dann sein Epson-Drucker (Stylus DX4250) als leer deklariert. Was misst also das Epson-System?

Epson antwortet:
Es werden alle Vorgänge, die Tinte benötigen, nachgehalten. Der aktuelle Tintenstand wird in einem Smart-Chip gespeichert, der in der Patrone eingebaut ist. In dem Chip, der in jeder Epson-Patrone eingebaut ist, wird der Tintenstand gespeichert. So kann man Patronen aus dem Drucker entnehmen und später wieder einsetzen."

Drucker-Totalblockade wegen leerer Tintenpatronen

Viele Leser berichten, dass ihre Tintenstrahldrucker den Dienst wegen als leer deklarierter Patronen komplett verweigern, obwohl die Ausdrucke zuvor nicht verblasst wirkten. Lassen Tintenstrahldrucker noch – möglicherweise verblasste, aber brauchbare – Ausdrucke mit der Resttinte zu, nachdem sie den notwendigen Wechsel einer Tintenpatrone anzeigen und verlangen?

Epson antwortet:
"Nein. Es ist notwendig, die Epson-Druckköpfe stets mit Tinte gefüllt zu halten. Epson-Tintenstrahldrucker arbeiten ausnahmslos mit Micro-Piezodruckköpfen, die während des ganzen Druckerlebens nicht gewechselt werden müssen. Um zu vermeiden, dass Luft in die hochfeinen Tintenkanäle gelangt, ist es notwendig die Druckköpfe stets mit Tinte gefüllt zu halten. Eingedrungene Luftbläschen können zu ernsten Störungen des Druckers führen oder sogar den Druckkopf zerstören."

Eine Patrone leer, Drucker verlangt Kompletttausch aller vier

Jörg Hoffmann aus München beschreibt eine merkwürdige Erfahrung mit seinem HP-Multifunktionsgerät Officejet d135 (Scanner, Farb- und Schwarzweißdrucker): Der Drucker akzeptierte eine Farbpatrone nicht, weil diese zu alt war. Aber diese Patrone hinderte das Gerät nicht nur am Drucken, sondern blockierte auch alle anderen Funktionen des Geräts: "Auch die Scan-Funktion und das reine Schwarz-Weiß drucken (hierfür ist eine separate Patrone vorhanden) waren deaktiviert."

Ähnlich ging es Lars Schulze aus Frankfurt an der Oder mit seinem HP "K 60". Er drucke mit dem Gerät "grundsätzlich nur Texte, also schwarz-weiß". Als der Drucker eine neue Farbpatrone verlangte, "weigerte er sich auch nur einfachste Textdokumente zu drucken", obwohl die Schwarz-Patrone voll gewesen sei.

HP antwortet:
Die Frage, ob HP Drucker weiterdrucken, wenn eine Farbe zu Ende ist, lässt sich leider nicht pauschal beantworten. Das Verhalten variiert. So wird zum Beispiel der Photosmart 3210 All-in-One beispielsweise auch mit einer leeren Gelbpatrone weiterhin schwarz-weiß drucken, solange die Qualität gewährleistet ist. Nicht gewährleistet ist die Qualität zum Beispiel, wenn sowohl die Schwarz- als auch die Cyan-Patrone leer ist, denn dann ist ein Graufstufen-Drucken nicht mehr möglich."

Von einem ähnlichen Erlebnis mit seinem Epson-Tintenstrahldrucker berichtet der Berliner Georg Schütte: "Ich drucke zum größten Teil Schwarz-Weiß. Jedoch meldet der Drucker jedes Mal, dass alle Patronen leer sind. Wenn ich die schwarze Patrone schüttele, ist auch nichts zu hören, dagegen ist beim Schütteln aller drei anderen Patronen deutlich zu hören, dass noch Farbe drin ist." Verlangen Epson-Farbtintenstrahldrucker also den Austausch aller vier Patronen, wenn nur eine völlig leer ist? Müssen die Farbpatronen zwingend zusammen mit der Schwarz-Patrone gewechselt werden?

Epson antwortet:
Nein, bei dem Epson-Einzelpatronensystem muss nur die Patrone gewechselt werden, die verbraucht ist."

Drucker akzeptiert unbenutzte, ältere Patronen nicht

Mehrere Leser berichten über ein – auf den Packungen vermerktes – Deaktivierungsdatum bei den Original-Tintenpatronen des Herstellers HP. Heinrich Heidt aus Berlin schreibt, dass nach dem Einsetzen nachgefüllter Patronen (Typ 14) sein Drucker den Dienst verweigerte: "Es wird das Alter der Patronen abgefragt – kundenfeindlicher Mist."

Hans-Jürgen Reitmeyer aus Recklinghausen hat seinen HP Colorinkjet CP1700 bei demselben Problem überlistet. Im Web entdeckte er eine Anleitung, wie man eine Knopfbatterie im Druckerinneren abklemmen kann, um die Altersprüfung zu verhindern: "Lange gesucht und Batterie gefunden. Für meine Hände war der obige Druckerschlitz zu klein, aber meine Tochter konnte die Pappe reinfummeln. Und siehe, der Drucker läuft bis heute mit der alten Tinte."

HP antwortet:
"HP-Patronen speichern das Herstellungsdatum. Es wird davon abgeraten, Drucker mit alter Tinte zu betreiben, weil das die Qualität der Ausdrucke mindern kann. Hintergrund ist, dass mit der Zeit Wasserdampf aus den Patronen verdunstet. Das geschieht schneller, sobald die Patronen in einem Drucker installiert sind, geschieht aber auch, während die Patronen noch in der Verpackung lagern – deshalb das Verfallsdatum. Patronen vom Typ 14 sind die einzigen, bei denen der Nutzer die Warnung wegen zu alter Tinte nicht ignorieren kann. Der Grund dafür ist, dass das Drucken mit dickflüssiger Tinte die Druckköpfe beschädigen kann. Deshalb warnen wir davor."

Deutsche Drucker diskriminieren ausländische Patronen

Petra Clös aus Kassel hat in den Vereinigten Staaten gelebt, dort einen HP-Tintenstrahldrucker gekauft und benutzt. Sie wollte das Modell nach der Rückkehr in Deutschland weiterverwenden. Das ist nicht möglich: "Der Drucker verweigert den Dienst, wenn deutsche und ansonsten baugleiche, mechanisch einwandfrei passende Patronen verwendet werden, welche für dasselbe Modell hier in Deutschland verkauft werden."

HP antwortet:
"Sollte einer unserer Kunden einen Drucker in den Vereinigten Staaten gekauft haben, wird der HP-Kundendienst selbstverständlich dabei helfen, das Gerät für eine Nutzung mit den im europäischen Raum verkauften Tintenpatronen zu konfigurieren."

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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