Seltsame Apple-Mails: Steve Jobs, Pornos und ein Geheimnis (Spiegel Online, 16.5.2010)
Seltsame Apple-Mails
Das Steve-Jobs-Orakel über Pornos und Microsoft
“Sind Sie verrückt?” Mit solchen Sprüchen beantwortet jemand Nachrichten an Steve Jobs’ E-Mail-Adresse bei Apple. Manchmal erhalten Technik-Blogger sogar noch spät in der Nacht seltsame Mitteilungen. Wer hinter dem E-Mail-Orakel steckt, verrät Apple nicht – und heizt so den Jobs-Kult an.
Spiegel Online, 16.5.2010
{jumi [*3]}
Technik-Blogger Ryan Tate saß an diesem Freitagabend mit einem Brandy-Cocktail vor seinem Fernseher im kalifornischen Berkeley und ärgerte sich über Apple-Werbung. Das iPad sei eine “Revolution” tönte der Spot. Revolutionär? Ein Gerät, bei dem eine Firma kontrolliert, was man damit tun darf und was nicht? Tate regte sich auf und machte, was man als Technik-Blogger tut: Er schrieb eine E-Mail – an Apple-Boss Steve Jobs. Würde Bob Dylan heute glauben, das iPad habe irgendetwas mit einer Revolution zu tun? Tate: “Bei Revolutionen geht es um Freiheit.”
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Drei Stunden später, kurz vor ein Uhr nachts, kam laut Tate die Antwort von Steve Jobs’ E-Mail Adresse: “Ja, Freiheit von Programmen, die deine privaten Daten klauen. Freiheit von Programmen, die deinen Akku leersaugen. Freiheit von Pornografie. Ja, Freiheit.”
Der Technik-Blogger und der Apple-Boss (oder wer auch immer um ein Uhr morgens seine E-Mails abarbeitet) haben sich dann noch ein kleines Mail-Gefecht um Pornografie und Freiheit geliefert, das Ryan Tate natürlich veröffentlicht hat.
Apple-PR: Kein Kommentar vom Sprecher, offene Briefe von Jobs
Kann das sein? Der Chef einer extrem geheimniskrämerischen Firma plaudert nachts in E-Mails Wildfremden seine Gedanken zu heiklen Themen aus? Seit dem Frühjahr tauchen tatsächlich immer wieder Antwort-Mails von Steve Jobs’ öffentlich bekannter Adresse (sjobs@apple.com) im Web auf ( hier eine Auswahl der besten Sprüche).
Es gibt keinen Beweis dafür, dass jede dieser Nachrichten echt ist. Eine Anfrage von SPIEGEL ONLINE zu diesem Thema beantwortet Apple-Sprecher Georg Albrecht mit “kein Kommentar”. Dieselbe Antwort hat auch die “New York Times” von der US-Zentrale erhalten – ein klares Dementi gab es aber nicht.
In Apples PR-Strategie passt dieses E-Mail-Orakel perfekt. Wie keine andere Firma versteht es der Konzern, Medien, Blogger und Foren für die eigene Öffentlichkeitsarbeit einzuspannen. Das gelingt mit einer Mischung aus Geheimniskrämerei und sehr direkten Kommentaren der Kultfigur Jobs. Im Streit mit dem Software-Konzern Adobe erklärt Jobs nicht in einem Interview, was Apple am Flash-Player stört. Stattdessen schreibt Jobs einen offenen Brief. So ähnlich funktionieren Apples Präsentationen neuer Produkte: Monatelang spekulieren Medien und Apple-Fans, wie das nächste Gerät der Firma aussehen könnte, dann zeigt Steve Jobs persönlich das neue Technik-Spielzeug.
Das als sjobs@apple.com bekannte E-Mail-Orakel funktioniert genauso: Niemand außerhalb des Mac-Konzerns weiß, wer da was tut. Aber wenn etwas passiert, spekulieren alle.
Das E-Mail-Orakel taucht in Ermittlungsakten auf
Es gibt einige Belege dafür, dass jemand bei Apple die Nachrichten an Steve Jobs liest und dass Steve Jobs bisweilen auch selbst tippt. So beschreibt ein Polizeibeamter, der in Sachen Diebstahl eines iPhone-Prototypen ermittelt, in einer eidesstattlichen Erklärung ( PDF-Dokument) die Kommunikation zwischen Apple und dem Besitzer des Prototypen so: “Steve Jobs kontaktierte den Redakteur von Gizmodo.com, Brian Lam. Jobs verlangte, dass Lam das Telefon an Apple zurückgibt. Lam antwortete darauf von seiner E-Mail Adresse, dass er es zurückgeben würde, wenn Apple die Echtheit bestätige.”
Diese E-Mail Lams findet sich in der eidesstattlichen Erklärung der Ermittler – Apple hat sie den Behörden weitergegeben. Das zeigt zumindest, dass durchaus jemand bei Apple Post an die öffentliche Adresse von Steve Jobs liest, ordnet und gegebenenfalls weiterleitet.
Wie das im Detail funktioniert, weiß außerhalb von Apple niemand. Bei Microsoft hatte man vor Jahren Mitarbeiter für die Bearbeitung der E-Mails an Bill Gates abgestellt. Im Jahr 2004 erklärte Microsoft-Manager Steve Ballmer, Gates bekomme täglich vier Millionen Nachrichten, darunter natürlich viel Spam: “Darum kümmert sich fast eine komplette Abteilung.”
Knappe Antworten zur Technik, bissige Kommentare für Kritiker
So ähnlich könnte das bei Apple funktionieren. Der extrem knappe Schreibstil der Jobs-Mails dürfte dabei helfen, dass mehrere Mitarbeiter sie formulieren können, ohne dass Stilbrüche auffallen. Der Italiener Andrea Nepori erhielt auf seine Frage, ob das iPad denn Zugang zu kostenlosen, copyright-freien Büchern biete, diese kurze Antwort von Jobs Mail-Adresse: “Ja.”
So etwas können Assistenten schreiben. Aber Kommentare zur strikten Kontrolle von Anwendungen auf dem iPad oder zur Blockade von Software-Plattformen wie Flash wird wohl kein Assistent ohne Rückversicherung in die Welt hinausschicken. Es gibt also drei Möglichkeiten, was da in der Nacht zum Samstag in Kalifornien passiert ist:
- Ryan Tate hat den E-Mail-Wechsel komplett erfunden, was ziemlich dämlich wäre.
- Irgendjemand bei Apple schiebt E-Mail-Dienst und hat das Vertrauen und die Erlaubnis von Steve Jobs, im Namen der Firma heikle Themen zu kommentieren.
- Steve Jobs liest nachts E-Mails von Wildfremden und antwortet am Samstagmorgen um zwei Uhr in der Frühe.
Blogger Tate genießt seinen Erfolg: 170.000 Leser hat ihm der Mail-Wechsel mit Jobs in 14 Stunden gebracht. Samstagnacht fragt er seine Twitter-Freunde: “Hat jemand die Adresse von Mark Zuckerberg?”
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