Sicherheit: Informatiker entzaubern Apple - Microsoft flickt fixer (Spiegel Online, 28.3.2008)
Computersicherheit
Informatiker entzaubern Apple – Microsoft flickt fixer
Die Apple-Werbung verspricht: Mac-Sicherheitslücken werden "umgehend" gestopft. Schweizer Informatiker belegen: Microsoft flickt fixer. Eine akute Gefahr für Mac-Rechner besteht zwar nicht. Aber Apple muss nachbessern – schließlich werden Macs immer beliebter, auch bei Crackern.
Spiegel Online, 28.3.2008
Apple ist sich ganz sicher: Mit dem Mac-Betriebsystem OS X kann nichts schiefgehen. So wirbt der Computer-Konzern für sich: "Dank der bewährten Grundlage von Mac OS X ist jeder Mac sicher – sofort nach dem Auspacken." Außerdem bessere man ständig nach. Die Mac-Reklame verspricht: "Apple reagiert umgehend auf mögliche Bedrohungen und stellt rechtzeitig Software-Aktualisierungen bereit." Diese Behauptung relativieren drei Informatiker der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH).
Die ETH-Forscher haben ein Verfahren entwickelt, um die Leistung von Softwareherstellern bei der Sicherung ihrer Programme zu messen. Sie machen das an diesen Kriterien fest:
- Wie viele Sicherheitslücken seines Systems stopft der Hersteller noch am Tag des Bekanntwerdens durch einen sogenannten Patch (eine Art Software-Flicken)?
- Wie viele Lücken sind 30 Tage nach Bekanntwerden gestopft, wie viele nach 90, wie viele nach 180, wie viele bleiben bestehen?
Dieses Verfahren haben die drei Forscher testweise bei Apple und Microsoft angewendet. Sie verglichen, wie schnell die beiden Konkurrenten in den Jahren 2002 bis 2007 Sicherheitslücken stopften. Das Fazit ihres bei der "Black Hat"-Sicherheitskonferenz vorgestellten Berichts : "Unsere Ergebnisse stützen die allgemeine Annahme nicht, dass Apple-Software sicherer als die von Microsoft ist."
Microsoft stopft schneller
Denn, so die Analyse: "Während die Anzahl nicht gepatchter Sicherheitslücken bei Microsoft stabil bleibt, hat Apple Microsoft überholt und zeigt einen sich verstärkenden Trend." Aber natürlich nutzen Cracker nicht jede Lücke für Angriffe.
Die Informatiker belegen ihre Aussagen mit einer statistischen Auswertung. Sie haben alle in speziellen Sicherheitsforen verfügbaren Hinweise auf Sicherheitslücken gesammelt und mit der Veröffentlichung der jeweiligen Abhilfe verglichen. Einige Ergebnisse:
- Die Summe nicht gestopfter Sicherheitslücken schwankt an jedem Tag in den beobachteten sechs Jahren bei Microsoft zwischen 0 und 22, bei Apple zwischen 0 und 55 Lücken.
- Die durchschnittliche Menge gleichzeitig bestehender, nicht geschlossener Sicherheitslücken liegt bei Microsoft fast im gesamten Beobachtungszeitraum unter 20. Bei Apple liegt diese Summe seit 2006 konstant über 20 – mit steigender Tendenz.
- Microsoft schafft es im Beobachtungszeitraum regelmäßig, mehr als 20 Prozent der veröffentlichten Sicherheitslücken noch am Tag des Bekanntwerdens mit einem Flicken zu stopfen – Apple übertrifft die 20-Prozent-Marke nur im Jahr 2004.
Ergebnisse sagen nicht, welches System besser ist
Diese Forschungsergebnisse müssen Mac-Nutzer aber nicht Panik versetzen. Informatiker Stefan Frei, Mitautor des Artikels, erklärt SPIEGEL ONLINE: "Man kann aus unseren Ergebnissen nicht schlussfolgern, dass ein Mac oder ein Windows-PC sicherer ist." Aussagen darüber seien gar nicht beabsichtigt.
Frei: "Wir versuchen, eine Metrik zu entwickeln, mit der man bestimmen kann, wie gut die Verfahren von Herstellern zum Patchen von Software funktionieren." Entsprechend kann man dieses Fazit der Untersuchung ziehen: Microsofts Verfahren funktioniert etwas besser als das von Apple.
Natürlich profitiert – ganz allgemein gesprochen – die Sicherheit eines Betriebssystems, wenn Sicherheitslücken schnell gestopft werden. Je länger bekannte Angriffsmöglichkeiten bestehen, umso mehr Zeit haben böswillige Entwickler, um Schadsoftware zu entwickeln.
Weniger Lücken bedeuten aber nicht mehr Sicherheit, betont Hartmut Pohl, Professor für Informationssicherheit an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg. Er warnt: "Es wäre ein großer Irrtum, hieraus auf die Sicherheitsqualität von Software zu schließen." Pohl gesteht ein, dass Microsoft in den vergangenen Jahren "ganz erhebliche Anstrengungen" unternommen habe, "den Programmcode sicherer zu machen". Aber daraus könnten Anwender eben nicht auf die Sicherheit ihrer Rechner schließen.
Pohl weist auf diese Probleme hin:
- Unveröffentlichte Sicherheitslücken werden von dieser Untersuchung nicht erfasst. Pohl: "Solche unveröffentlichten Sicherheitslücken werden weltweit gegen Bezahlung angeboten und von Interessenten, zum Beispiel Nachrichtendiensten oder Konkurrenzunternehmen, gekauft."
- Dass es insgesamt weniger ungepatchte Sicherheitslücken gibt, macht ein System nicht zwangsläufig sicherer. Pohl: "Einem Angreifer muss nur eine einzige Sicherheitslücke bekannt sein, die er ausnutzen kann." Und die Untersuchung der ETH-Forscher zeige, dass Hersteller durchaus Sicherheitslücken patchen – aber eben "nicht alle und manche erst nach langer Zeit."
Daraus sollten laut Pohl alle IT-Anwender dieses Fazit ziehen: "Wertvolle Daten müssen auf Stand-Alone-Rechnern und in geschlossenen Netzen verarbeitet werden – ohne direkten oder indirekten Anschluss an das Internet."
Apple profitiert noch vom Mini-Marktanteil
Derzeit seien Macs noch kein besonders attraktives Ziel für Attacken, erklärt Andreas Pfitzmann, Informatikprofessor an der Technischen Universität Dresden und Experte für Datensicherheit. Er weist darauf hin, dass die Sicherheit eines Betriebssystems von mehren Faktoren abhängt: "Welcher Art sind die vorhandenen Sicherheitslücken, wie schnell werden diese Lücken gestopft und wie intensiv bemühen sich Profis darum, diese Lücke für Angriffe zu nutzen?"
Pfitzmann sieht Apple zumindest in einem Punkt noch immer im Vorteil: "Es ist für Kriminelle und Sicherheitsdienste effizienter, sich bei der Entwicklung von Angriffen auf das System zu konzentrieren, das mehr als 80 Prozent des Marktes abdeckt." Sprich: So lange Windows-Systeme den Markt dominieren, konzentrieren sich Schadsoftware-Entwickler auf die Lücken dieses Systems.
Umgekehrt bedeutet das aber: Je beliebter Macs werden, umso attraktiver wird es, ihre Sicherheitslücken auszunutzen.
Microsoft wirbt um Hacker-Hilfe
Selbst wenn man aus den Ergebnissen der Schweizer Informatiker also keine akute Gefährdung von Macs ablesen kann, muss Apple sich auf mittlere Sicht etwas einfallen lassen, um Lücken schneller zu stopfen.
Und da könnte Apple sich etwas bei Microsoft abgucken. Informatiker Frei erklärt: "Sie müssen es schaffen, dass Forscher und Hacker, die eine Schwachstelle in ihren Programmen entdecken, ein Interesse daran haben, zuerst mit ihnen an einem Patch zur Schließung der Lücke zu arbeiten und dann erst diese Lücke zu veröffentlichen."
Microsoft habe da in vergangenen Jahren eine "Kehrtwende vollzogen", sagt Frei. Beispiel: "Die Patches erwähnen heute sogar namentlich die Entdecker der jeweiligen Sicherheitslücke. Solche Gesten sind wichtig, so eine Anerkennung ist die Währung unter Hackern."
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