Sigma DP2M / DP2 Merrill: Kamera-Exot glänzt mit detailreichen Fotos (Spiegel Online, 31.8.2012)
Sigma DP2M / DP2 Merrill
Kamera-Exot glänzt mit detailreichen Fotos
Klare Aufnahmen mit enormer Detailtiefe: Bei günstigem Licht schafft die Sigma-Kompaktkamera DP2 Merrill verblüffend schöne Bilder. Wie gut die Jackentaschen-Kamera funktioniert, verrät der Test.
Spiegel Online, 31.8.2012
{jumi [*3]}
Sigma produziert seit Jahren Kompaktkameras mit enorm großen Bildsensoren. Inzwischen drängen große Fotohersteller in dieses Segment, Sony und Fujifilm haben schon vergleichbare Fotoapparate im Angebot. Die Nachfrage steigt, aber Sigma, der Innovator auf diesem Gebiet, ist nach wie vor ein Nischenanbieter.
Auch die neueste Sigma-Kompaktkamera DP2 Merrill wird wohl kein Bestseller werden. Dabei gelingen mit dieser kleinen Kamera – bei richtiger Beleuchtung – Bilder mit atemberaubender Detailtiefe und traumhaften Farben.
Das liegt an der speziellen Sensortechnik der Kamera: Sigma nutzt als einziger Hersteller die Foveon-Bildsensoren. Entwickelt hat sie maßgeblich der 2008 verstorbene US-Ingenieur und Fotograf Richard B. Merrill. Foveon-Sensoren zeichnen das einfallende Licht der Grundfarben Rot, Grün und Blau in unterschiedlichen Schichten auf. Das ist möglich, weil der Siliziumsensor die unterschiedlichen Wellenlängen unterschiedlich tief einfallen lässt. Diese Konstruktion gibt Foveon-Aufnahmen eine ganz eigene Charakteristik, ähnlich wie bei bestimmtem Filmmaterial.
Die interessante Sensortechnik kam bei älteren Sigma-Kameras in Kombination mit einem trägen Autofokus und langen Schreibzeiten. Das hat sich bei der DP2 Merrill geändert.
Vorteile: Schneller Prozessor, höhere Auflösung
Geschwindigkeit: Die DP2 Merrill speichert die enorm großen Bilddateien schneller auf die Speicherkarten als die Vorgängerkameras. Mit einer schnellen SD-Speicherkarte (Panasonic 8 Gigabyte Class 10) muss man nicht warten, bis man erneut auslösen kann. Selbst wenn man Rohdaten und JPGs speichert, läuft die Datenverarbeitung im Hintergrund, während man ohne Verzögerung weiter fotografieren kann. Im Serienbildmodus hat unser Testgerät dank eines großen Zwischenspeichers sieben Raw-Dateien in einem Durchlauf gespeichert, danach muss man warten, um erneut aufnehmen zu können.
Autofokus: Die DP2 Merrill ist schneller als sämtliche Vorgänger, aber im Vergleich zur Konkurrenz ist das Tempo bei der Bildverarbeitung nicht überragend. Um ein gerade aufgenommenes Bild zu betrachten, muss man nach wie vor kurz warten, aber es geht schneller als bei früheren Sigma-Kompaktkameras. Der Autofokus arbeitet auch erheblich fixer und zuverlässiger – nicht überragend, aber gut brauchbar. Für Sportfotografie ist die DP2 Merrill bei dieser Geschwindigkeit eher nichts, für Landschaften und Straßenszenen hingegen ist sie gut geeignet. Die Kombination aus Automatik und manuellem Fokus ist bei der DP2 Merrill sehr gut gelöst: Man drückt den Auslöser halb durch zum automatischen Scharfstellen, dann kann man am Objektiv manuell nachstellen, die Darstellung auf dem Display wird automatisch vergrößert.
Sensor: Der Foveon-Bildsensor liefert bei entsprechendem Licht hervorragende Ergebnisse. Die Aufnahmen sind enorm detailreich, scharf und haben einen ganz eigenen charakteristischen Ton. Der Sensor ist derselbe wie in der erheblich teureren Profi-Kamera SD1 – die Auflösung ist gut dreimal so hoch wie bei früheren DP-Modellen (15 Megapixel nach herkömmlicher, 46 nach Sigmas Rechnung).
Nachteile: Software-Unterstützung, Extras, Preis
Größe: Die DP2 Merrill ist größer und etwas schwerer als die Vorgängermodelle. Das liegt vermutlich am größeren Bildsensor, jedenfalls passt diese Kamera in keine Hemdentasche, so gerade eben noch in manche Jacke. Die Bedienbarkeit profitiert davon, die Kamera liegt gut in der Hand – für manchen Fotografen ist das Wachstum vielleicht sogar ein Vorzug.
Software: Wie bei einigen Vorgängermodellen muss man die Raw-Dateien der DP2 Merrill mit einer speziellen Sigma-Software entwickeln und in JPG-Dateien umwandeln. Das ist unpraktisch, wenn man Fotos verlustfrei mit Programmen wie Lightroom oder Bibble verwaltet und entwickelt. Nicht alle Foveon-Kameras werden von den Bildverwaltern unterstützt, manchmal muss man auf den Komfort verzichten, alle Originaldateien und die verschiedenen Bearbeitungsstufen in einer Datenbank zu verwalten. Die Sigma-Software (getestet auf dem Mac) läuft stabil, der Funktionsumfang ist ausreichend, aber nicht mit Bildverwaltern wie Aperture oder Lightroom zu vergleichen.
Extras: Die DP2 Merrill filmt nur in VGA-Auflösung, ein Blitz ist nicht eingebaut, Schnickschnack wie Gesichtserkennung, Panoramamodi oder spezielle Aufnahmemodi für absurde Details wie Mittag- oder Abendessen gibt es nicht. Dass all das fehlt, wird aber potentielle Käufer wahrscheinlich nicht stören, die wollen in der Regel fotografieren.
Fazit: Ein schönes, teures Nischenangebot
Die DP2 Merrill ist eine besondere Kamera: In bestimmten Situationen gelingen mit ihr außergewöhnliche Aufnahmen, die man sowohl nur mit dieser Sensortechnik als auch nur mit diesem Objektiv machen kann. Allerdings fotografiert man nicht immer Landschaften und statische Strukturen im Sonnenlicht. Als Immer-dabei-Kamera sind Modelle wie die Sony RX100 oder die Fujifilm X10 oder X100 besser geeignet. Die DP2 Merrill ist eine Kamera für bestimmte Stunden, und sie kostet 1000 Euro – so schön die Foveon-Aufnahmen auch sind, dieser Fotoapparat ist ein Nischenangebot.