Solo-Parodie: Medienkünstler verhöhnt Gitarren-Giganten - fliegt bei YouTube raus (Spiegel Online)
Solo-Parodie
Medienkünstler verhöhnt Gitarren-Giganten – und fliegt bei YouTube raus
Die Stars toben, die Web-Community jubelt: In seinen Netzfilmchen verspottet Santeri Ojala legendäre Musiker wie Eddie Van Halen. Die Veralberten protestierten, und Youtube schmiss den Finnen wegen Copyright-Vergehen raus. Doch er macht weiter.
Spiegel Online, 19.2.2008
Eric Clapton hebt zum Solo an, lässt die Gitarre jaulen – und je schlimmer es klingt, je weniger Töne er trifft, umso verzückter schaut Clapton in die Menge, dann an die Decke, den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen halb geschlossen. Ekstase zu Schrammelsound. Die Mimik und die Posen kennt man aus unzähligen Solo-Mitschnitten. Nur stimmt bei diesem Clip etwas nicht: Die Misstöne passen zu Claptons Bewegungen, aber nicht zu ihm – so grandios würde Clapton doch nie versagen. Die Tonspur hat der finnische Medienkünstler und Freizeitgitarrist (spielt seit 15 Jahren) Santeri Ojala über den Clapton-Clip gelegt. Ojala, der 33-jährige Parodist aus Tampere, hat in den vergangenen Monaten 16 solcher Clips produziert. Einige seiner Opfer: Steve Vai (Ex-Gitarrist in Frank Zappas Ensemble), Eddie Van Halen, Metallica, Iron Maiden, Slash. Die Komik funktioniert in jedem der Spott-Clips nach diesem einfachen Prinzip: Musiker post wie ein Gott, Musik klingt wie Kindergarten.
Niemand spielt schlechte Musik besser als Ojala
Das ist Santeri Ojalas großes Talent: Er spielt schlechte Musik richtig gut, jault schiefe Töne so punktgenau und synchron zu den Gesten der Parodierten, dass viele Zuschauer die Patzer sogar für echt halten. Ein Zuschauer kommentiert den Clapton-Clip bei MySpace: "Clapton ist in experimenteller Musik so gut wie Bush beim erfolgreichen Unterjochen von Nationen. Fürchterlich. Richtig schlecht. Ich hätte gern Freejazz von Clapton gehört – aber das! Urgh!" Sogar im US-Musiker-Webforum Gearslutz haben sich anfangs einige Mitglieder über die "unglaublich miesen" Auftritte ihrer Idole amüsiert.
Monatelang haben Ojalas Satire-Clips bei YouTube Zuschauer gelockt. Etwa sieben Millionen Mal riefen die Nutzer von Googles Videoportal Ojalas Clips ab. Dann wurde es einem der 16 parodierten Musiker zu viel: Vor zwei Wochen bekam Ojala Post von YouTube: "Malmsteen Management" habe bei YouTube geltend gemacht, dass Ojalas Clip "Yngwie Malmsteen shreds with The New Japan Philharmonic" Urheberrechte der Firma verletzte. Ojala zu SPIEGEL ONLINE: "Als ich mich dann bei YouTube einloggen wollte, war schon alles gelöscht."
YouTube: Ojala soll sich einen Anwalt nehmen
Eine weitergehende Erklärung bekam Ojala nicht von YouTube. Eine Sprecherin des Videoportals erklärte auf Nachfrage des US-Magazins "Wired" zu dem Fall, es sei Unternehmenspolitik, von Copyright-Beschwerden betroffene Accounts zu sperren. Um den Zugang wieder zu aktivieren, müsse Ojala wohl mit einem Anwalt gegen die Vorwürfe vorgehen. Diese brüske Abfuhr muss man vor dem Hintergrund sehen, dass YouTube seit Monaten bemüht ist, sich der Musik- und Filmindustrie als verlässlicher Partner anzudienen.
Das muss YouTube auch, schließlich ist noch immer eine Klage des US-Medienkonzerns Viacom anhängig. Der fordert mehr als eine Milliarde Dollar Schadensersatz, weil gut 160.000 Videoclips von Viacom-Fernsehshows ohne Erlaubnis auf YouTube zu sehen waren. Seit Oktober testet YouTube eine Filtertechnik, die solchen Stoff für immer von der Plattform verbannen soll (siehe Kasten unten).
Urheberrechtlich sind Ojalas Satire-Clips heikel. Ob sie unter das Zitatrecht fallen, wie der Finne glaubt, müsste ein Gericht abwägen. Die minutenlangen Übernahmen von Videos anderer Urheber dürften aber nur schwer durchgehen. Der Finne, der sein Geld mit Videoinstallationen (zum Beispiel in den Unterführungen Tamperes) verdient, will sich auf einen solchen Rechtsstreit nicht einlassen. Sein Fazit: "YouTube ist kein verlässlicher Kanal, um zu veröffentlichen. Alles kann in Sekunden verschwunden sein."
"Habt ihr Internet in Finnland?"
Derzeit veröffentlicht Ojala seine Satire-Clips bei MySpace – knapp 40.000 Mal haben Zuschauer sie dort schon abgerufen. Die sieben Millionen YouTube-Klicks haben den Finnen im Januar nach Hollywood gebracht: Bei der US-Late-Night-Show "Jimmy Kimmel Live!" durfte er Slash parodieren, während der Gitarrist brav im Sessel saß und zuhörte. Vorher hatte er dem Finnen in dem zu engen, himmelblauen Jackett brav die Hand geschüttelt, während Moderator Jimmy Kimmel die üblichen Finnen-Witze riss ("Habt ihr Internet in Finnland?").
Später, erzählt Ojala, habe Slash ihm zu den Parodien gratuliert. Andere bekennende Ojala-Fans:
- Garbage-Gitarrist Duke Erikson zur Londoner "Times": "Das ist beeindruckend. Wer so gut ist – und das ist er eindeutig -, kann nur mit großer Mühe so schlecht spielen."
- Gitarrist Steve Vai zu "Wired": "Wenn ich so schlecht spielen würde, könnte ich es vielleicht endlich zu MTV und in den ‘Rolling Stone’ schaffen und eine richtige Karriere haben."
Ojala hat auf YouTube ein kleines Web-Phänomen begründet. Es gibt derzeit Clips von Nachahmern, in denen der Panter-Sänger wie ein Löwe röhrt, Pat Metheny heult und ein trauriger Kermit mit einer Nadel im Arm "Hurt" von den Nine Nich Nail in Johnny Cashs Version covert.
Wie lange diese Filmchen noch bei YouTube zu sehen sein werden?
Ojala ist da skeptisch: "Vielleicht ist Youtube nicht der richtige Ort für so etwas. Wenn ich ein Video eingestellt hätte, in dem ich vom Skateboard falle oder einen Furz anzünde, wäre das sicher noch online."