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Sony PRS-T2: Schöner E-Reader, lieblose Software (Spiegel Online, 12.9.2012)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Sony PRS-T2

Schöner E-Reader, lieblose Software

Erweiterbar und vergleichsweise offen: Sonys Lesegerät PRS-T2 ist ein Gegenstück zu Amazons geschlossener Kindle-Plattform. Doch gute Ideen sind in der Software lieblos umgesetzt. Immerhin stimmt die Hardware: Der Sony-Reader ist überraschend leicht.

Spiegel Online, 12.9.2012

{jumi [*3]}

Wenn man nicht auch einmal E-Books kaufen müsste, wäre Sonys neues Lesegerät rundum gelungen.

Das gefällt: Der PRS-T2 ist angenehm leicht, leichter noch als der vergleichbare Kindle Touch. Man kann den Sony-Reader beim Lesen lange Zeit in einer Hand halten. Und man kann ohne Mühe auch einhändig umblättern. Dazu wischt man entweder über den Touchscreen oder man drückt mit dem Daumen auf eine sinnvoll im unteren Bereich platzierte Taste.

An der Hardware des Lesegeräts gibt es nichts auszusetzen: Der Bildschirm ist so kontrastreich wie die der besten aktuellen Kindle-Lesegeräte (vom Paperwhite einmal abgesehen, da fehlt mir der Vergleich) und anders als beim Kindle lässt sich der Speicherplatz des Sony-Readers über eine MicroSD-Karte erweitern.

Nicht so schön: Die Software allerdings kann mit der Technik nicht mithalten. Es beginnt bei den ganz grundlegenden Dingen, dem Einkauf von E-Books zum Beispiel. Im Hauptmenü hat Sony zentral das Logo seines E-Book-Ladens Reader Store platziert. Tippt man darauf, erscheint die Fehlermeldung: “Leider gibt es für Ihr Land noch keinen Reader Store.” Warum verschwendet der Hersteller ein Viertel des Platzes im Hauptmenü für dieses sinnlose Logo statt einfach direkt auf einen Shop zu verweisen, der tatsächlich existiert?

Immerhin, es gibt noch die Menüoption “Weitere Shops”, dort muss man dann noch einmal auf ein Logo tippen, zum Beispiel das des deutschen E-Book-Shops Libri. Von einem tatsächlich integrierten E-Book-Shop kann allerdings kaum die Rede sein. Tatsächlich führt der Menüpunkt nur auf eine spezielle Libri-Website, die im Browser des Lesegeräts geöffnet wird. Hier muss man sich registrieren, die Präsentation der Bücher, die Auswahl von Titeln, die Eingabe des Logins – das alles funktioniert mehr schlecht als recht, mit dem Komfort von Amazons Kindle lässt es sich nicht vergleichen.

Die Notizfunktion zum Markieren von Textpassagen ist ähnlich lieblos integriert. Sony hat einen eigentlich sehr löblichen Weg eingeschlagen, statt eines eigenen Notizbuchdienstes wie Amazon bei seiner geschlossenen Kindle-Plattform bindet Sony ein Programm des Anbieters Evernote ein. Man kann Passagen auf E-Books an das Evernote-Programm übertragen und von dort übers W-Lan auf Evernote-Server laden.

Die Textauswahl ist unnötig kompliziert gestaltet: Bei jedem Zitat muss man erneut auswählen, ob man die markierte Passage nun an Facebook oder an Evernote schicken will. Und nach jeder Markierung muss man erneut die sinnlose Meldung “Upload abgeschlossen” mit einem Tippen auf okay bestätigen. Sony übergibt der Evernote-Software keine Seitenzahlen und auch keine anders geartete Angabe, wo denn nun in dem E-Book das Zitat zu finden ist. Den Kontext eines Zitats findet man so nur schwer wieder. Sony erschwert das noch weiter: Aus irgendeinem Grund darf man das Evernote-Notizbuch, in dem man Zitate speichert, nicht auf den E-Reader laden.

Fazit: Die Hardware des Sony-Readers ist der des Kindle Touch zumindest gleichwertig. Zum selben Preis (129 Euro) erhält man ein spürbar leichteres Gerät, bei dem zudem der Speicherplatz erweiterbar ist. Allerdings ist das Einkaufen von E-Books mit dem Sony-Reader so unnötig kompliziert wie schon beim Vorgängermodell. Binnen eines Jahres ist Sony bei der Integration von Shops nicht wesentlich weiter gekommen. Die Einbindung der Evernote-Notizbuchfunktion ist eine gute, derzeit aber lieblos umgesetzte Idee. Wer E-Books nur lesen (und nicht etwa Zitate darin wiederfinden) will, ist mit dem Sony-Reader gut beraten. Man kann zwischen mehreren E-Book-Shops wählen, natürlich aber nicht bei Amazon einkaufen. Sony unterstützt – anders als Amazon – das E-Pub-Format. Allerdings ist Sony-Kunden derzeit noch zu empfehlen, die E-Books zu Hause am Computer zu kaufen und per USB-Kabel auf das Lesegerät zu übertragen.

E-Reader: Kindle, Sony, Kobo
Gerät Kindle Paperwhite Kindle Sony PRS-T2 Kindle Touch Kobo Glo
Maße (cm) 17 x 11,68 x 0,91 16,6 x 11,4 x 0,87 17,3 x 11 x 0,91 17,2 x 12 x 1 15,7 x 11,4 x 1
Gewicht (Gramm) 212 / 221 (mit 3G) 170 164 213 185
Auflösung (Pixel) 1024 x 768 800 x 600 800 x 600 800 x 600 1024 x 768
Bildschirm (Diagonale) 15 cm 15 cm 15 cm 15 cm 15 cm
Anzeige 16 Graustufen, 212 dpi 16 Graustufen, 167 dpi 16 Graustufen, 170 dpi 16 Graustufen, 167 dpi 16 Graustufen, 216 dpi
Speicher (Gb) 2 2 2 4 2
Schnitt-
stellen
W-Lan, Micro-B USB, optional: 3G W-Lan, Micro-B USB W-Lan, Micro-USB W-Lan, Micro-B USB W-Lan, Micro USB
Besonder-
heiten
beleuchtetes Display, optional: kostenloser Mobilfunk-Zugriff auf Amazon Micro-SD-Slot, Stylus Touchschreen beleuchtetes Display, Touchscreen, Micro-SD-Slot
Preis 119 USD / 179 USD (3G) 79 Euro 129 Euro 129 Euro 130 Euro

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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