Sony RX100: Kleine Kamera macht große Bilder (Spiegel Online, 16.7.2012)
Sony RX100
Kleine Kamera macht große Bilder
Kleine Kamera mit großem Sensor: Die kompakte Digitalkamera RX100 wiegt so viel wie zwei Tafeln Schokolade und liefert auch in der Dämmerung rauscharme Fotos – allerdings mit einer Auflösung von 20,1 Megapixeln.
Spiegel Online, 16.7.2012
{jumi [*3]}
Warum sollte man sich heute eine Kompaktkamera kaufen? Die Vorzüge gegenüber Fotohandys werden kleiner, inzwischen bietet sogar ein Smartphone (das Nokia 808 Pureview) einen erheblich größeren Bildsensor (mit entsprechend guter Bildqualität) in einem kleinerem Gehäuse als jede kompakte Digitalkamera. Wenn die technische Entwicklung so weiterläuft, ist für teure Hemdentaschenkameras mit winzigen Bildsensoren bald kein Platz mehr. Sicher, die Bedienung ist leichter, sie speichern Fotos im Rohdatenformat und haben bessere Objektive als Fotohandys – aber das reicht wohl kaum.
Sonys Kompaktkamera RX100 ist da eine echte Neuerung: Der Fotoapparat ist nur wenig größer als die Canon S100, eine der bislang leichtesten Edelkompakten. Doch in dem kleinen Gehäuse der RX100 bringt Sony einen Bildsensor mit fast zweieinhalb mal so großer Fläche unter, dazu ein Zoomobjektiv mit einer erstaunlich großen Blendenöffnung (f/1,8).
Wie gut ist diese Neuerfindung der Kompaktkamera?
Schön: Der große Bildsensor und die große Blendenöffnung erweitern die Gestaltungsmöglichkeiten deutlich. Man kann bei Aufnahmen den Hintergrund in Unschärfe verschwimmen lassen und das Motiv im Vordergrund herausstellen, viel mehr als das bei bisherigen Kompaktkameras möglich ist. Bei Aufnahmen in der Dämmerung sind die Fotos der RX100 im Vergleich zu denen herkömmlicher Kompaktkameras mit ihren kleineren Bildsensoren rauscharm, aber detailreich.
Die Bedienung der Sony RX100 ist klarer strukturiert als die der Sony-Systemkameras aus der Nex-Reihe. Die Kamera kombiniert übersichtliche Bildschirmmenüs mit physischen Bedienelementen wie dem Moduswahlrad (zum schnellen Wechsel zwischen Vollautomatik, Blenden- und Zeitpriorität) und einem Drehrad am Objektiv, das wie der Blendeneinstellring an Objektiven konstruiert ist. Dieses Bedienelement hat sich Sony bei Canons Edelkompaktkameras abgeschaut (den Modellen S90, S95 und S100).
Mit dem Einstellring kann man fokussieren, zoomen, Blendenöffnung oder Verschlusszeit einstellen. Zwischen diesen Funktionen wechselt man mit Hilfe des Schnellwahlmenüs. Dank vieler Hilfsmittel ist manuelles Fokussieren mit der RX100 einfacher als bei den meisten Kompaktkameras: Man kann den fixen Autofokus jederzeit zur Hilfe nehmen und dann von Hand nachjustieren, dabei hilft ein spezieller Anzeigemodus, der die Kanten scharf gestellter Gegenstände in auffälligen Farben hervorhebt.
Nicht so schön: 22,1 Megapixel Auflösung können eine Bereicherung sein, wenn man zum Beispiel bei der Aufnahme aus irgendwelchen Gründen nicht nah genug ans Motiv herankam und im Nachhinein einen Bildausschnitten im A4-Format ausdrucken will. Aber von solchen Sonderfällen einmal abgesehen: 22,1 Megapixel sind für einen Sensor in dieser Größe zu viel, mit weniger Bildpunkten auf der Fläche könnte die Kamera störungsärmere Aufnahmen liefern. Die Bildqualität ist trotz der hohen Auflösung der vieler Kompaktkameras überlegen. Denn bei der RX100 kommen aufgrund der größeren Sensorfläche weniger Bildpunkte auf einen Quadratzentimeter als bei der Konkurrenz, die Bildqualität bei schlechter Beleuchtung ist der einer Canon S100 überlegen.
Doch das könnte besser sein, man sieht bei einer ISO-Empfindlichkeit von 500, dass die Rauschunterdrückung der RX100 eingreift und Details verloren gehen. Weniger Megapixel wären mehr gewesen. Nokias Ingenieure haben beim Kamerahandy 808 Pureview diesen Kompromiss gewählt: Im Standardmodus rechnet die Software benachbarte Punkte des Bildsensors zu einem Pixel zusammen, maximal acht Megapixel hat so eine Aufnahme. Ärgerlich ist, dass der Akku der RX100 in der Kamera geladen werden muss, aber hier dürften Drittanbieter Abhilfe schaffen und externe Ladegeräte bauen.
Die Konkurrenz: Die RX100 ist gängigen Kompaktkameras (auch teuren Modellen wie der Canon S100, der Fujifilm X10 oder der Panasonic LX5) überlegen, der Bildsensor und die weiteste Blendenöffnung sind größer, dennoch ist das Gehäuse sehr klein. Selbst zu Systemkameras wie der Nikon J1 ist die RX100 eine echte Alternative – wenn man auf die Möglichkeit verzichten kann, Objektive zu wechseln.
Fazit: Eine Universalkamera ist die RX100 nicht, aber sie bietet Fotografen weit mehr Gestaltungsmöglichkeiten als die bisherigen Kompaktkameras. Gemessen an Bildqualität pro Gehäusevolumen setzt die RX100 einen neuen Maßstab.