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Spiegelreflex-Qualität, leicht wie zwei Schokotafeln

Konrad Lischka
Konrad Lischka
4 minuten gelesen
Spiegelreflex-Qualität, leicht wie zwei Schokotafeln

Das Gehäuse ist 215 Gramm leicht und klein genug für die Hosentasche, der Bildsensor so groß wie der in Spiegelreflexkameras. Die Ricoh GR ist eine außergewöhnliche Kamera und deutlich günstiger als die Konkurrenz. Der Test zeigt, wie gut die Kleine fotografiert.

Spiegel Online, 16.07.2013

Der Ricoh GR sieht man nicht an, dass im Inneren ein Bildsensor arbeitet, wie man ihn sonst in großen Spiegelreflexkameras findet. Die GR ist so hoch und breit wie ein Smartphone und wiegt nur etwas mehr als 200 Gramm. Die Kamera passt locker in die Hosentasche, liefert aber auch bei wenig Licht Aufnahmen mit wenig Bildrauschen, in denen feine Details erhalten sind.

Mit der Mischung aus großem Sensor, kleinem Gehäuse und Weitwinkelobjekt macht die Ricoh GR vor allem Nikon Konkurrenz. Der Fotokonzern hatte im Frühjahr eine ähnliche Kamera veröffentlicht, die Coolpix A. Die neue Ricoh ist allerdings deutlich leichter und schon zum Start 180 Euro billiger als die seit vier Monaten erhältliche Nikon.

Das gefällt: Gewicht, SensorBedienung

Bildqualität: Die Aufnahmen der Ricoh GR haben eine verblüffende Qualität für eine Kamera dieser Größe. Auch bei Aufnahmen in der Dämmerung mit hoher ISO-Empfindlichkeit (1600) sind auf den Aufnahmen feine Details deutlich abgebildet, zum Beispiel Sandkörner oder kleine Bläschen in der Gischt. Das Bildrauschen ist gering und auch in der 100-Prozent-Ansicht nicht als störend auszumachen. Was Details und Rauschen angeht, sind die Aufnahmen der Ricoh GR im Raw-Format mit bloßem Auge nicht von denen der Nikon Coolpix A zu unterscheiden. Die Labortests von Digitalkamera.de bestätigen den Seheindruck.

Gehäuse: Die Ricoh GR ist leichter als die Nikon Coolpix A. Es sind zwar nur gut 80 Gramm weniger, doch unterwegs ist der Unterschied spürbar. Die Ricoh GR hält man beim Gehen mühelos lange Zeit in einer Hand oder steckt sie in die Hosentasche. Eine automatische Sperre verhindert, dass sich das Moduswahlrad dabei verstellt. Die etwas größere und schwerere Nikon steckt man eher in die Tasche. Trotz des schlanken Gehäuses liegt die Ricoh GR sehr gut in der Hand, dank einem gummierten Griff und der leicht aufgerauten Gehäuseoberfläche.

Bedienung und Funktionsvielfalt: Am Gehäuse der GR sind acht einfache Knöpfe, ein Wippschalter, ein Hebelschalter, eine Vier-Wege-Wippe, ein Drehrad und ein Moduswahlrad angebracht. Das ist mehr als genug, um nahezu alle Funktionen der Kamera über spezielle Knöpfe direkt aufzurufen, anstatt lange durch Bildschirmmenüs zu blättern. Viele der Schalter lassen sich nach persönlichen Vorlieben mit Einstellungen belegen. In all diese Möglichkeiten muss man sich allerdings einarbeiten. Die vielen Einstellhilfen der Ricoh GR sind auch dem enormen Funktionsumfang geschuldet – Belichtungsreihen, Intervallaufnahmen, Fixfokus in Stufen.

Autofokus: Die Ricoh GR fokussiert deutlich schneller und zuverlässiger als ältere Ricoh-Digitalkameras mit vergleichbarem Sensor. Bei Tageslicht erscheint der Autofokus etwas schneller als der der Nikon Coolpix A (das bestätigt der Labortest von Digitalkamera.de). Bei Dämmerung sucht die Software der Ricoh GR bisweilen etwas länger die korrekte Einstellung. Die Kamera ist schnell genug, um sie bei Tag auf der Straße einzuschalten, zu fotografieren und sicher sein zu können, dass das Motiv erfasst und scharf abgebildet wird.

Erweiterbarkeit: Ein Vorteil der Ricoh GR ist die leichtere Erweiterbarkeit im Vergleich zu Coolpix A. Mit einem speziellen Vorsatz zum Aufschrauben (ca. 60 Euro) kann man an der GR alle möglichen Filter mit 49 Millimetern Durchmesser anbringen. So kann man zum Beispiel mit einem Polfilter Reflexionen auf Glas vermeiden.

Nicht so gut: spezielles Objektiv, manuelles Fokussieren, Ladegerät

Objektiv: Das Gehäuse der GR ist trotz des großen Sensors so kompakt, weil ein spezielles Objektiv eingebaut ist. Die Festbrennweite mit moderatem Weitwinkel nimmt nicht so viel Platz ein, wie ein Zoomobjektiv für diesen Sensor es täte. Die feste Brennweite ist der Preis, den man für den großen Sensor und das kompakte Gehäuse zahlt. Dabei ist das Objektiv überhaupt nicht schlecht. Im Gegenteil: Die Auflösung ist hoch und fällt zum Bildrand nicht übermäßig stark ab. Durch den geringen Mindestabstand zum Motiv im Makromodus (zehn Zentimeter) und die große Sensorfläche gelingen beeindruckende Nahaufnahmen mit verschwimmendem Hintergrund und deutlich hervorgehobenen Details vorne. Für Nahaufnahmen von Tieren im Zoo ist die Ricoh GR mangels Zoom allerdings wirklich nichts.

Manueller Fokus: Die Handhabung ist zwar insgesamt sehr gut, doch einige Details sind nicht perfekt umgesetzt. Bei manuellem Fokussieren kann man mit dem Drehrädchen der Ricoh GR nicht so schnell präzise scharf stellen wie beispielsweise mit dem Fokussierring am Objektiv der Nikon Coolpix A.

Ladegerät: Ricoh liefert kein Ladegerät mit, man muss den Akku der Ricoh GR in der Kamera aufladen. Für einen Zweitakku muss man sich also Zubehör kaufen – das ist ärgerlich bei einer derzeit immerhin 729 Euro teuren Kamera.

Vorteile, Nachteile, Fazit

+ hohe Bildqualität
+ detailreiche, rauscharme Aufnahmen bei wenig Licht
+ leicht und kompakt
+ gute Handhabung
+ Filter nutzbar
+ schneller Autofokus
– festes verbautes Weitwinkel-Objektiv

Fazit: gut für Reisen und günstiger als die Coolpix A

Die Ricoh GR ist eine spezielle Kamera. Viele Einsteiger dürften eine Zoomfunktion vermissen, auch die gute, aber Einarbeitung erfordernde Handhabung ist nichts für jedermann. Ein Nischenmodell ist die GR aber nicht. Sie ist eine gute Kamera für Touren – leicht, auch nachts einsetzbar, gut für Landschafts- und Naturaufnahmen geeignet.

Wer sich für Fotografie interessiert, Aufnahmen mit Schärfentiefe, längeren Verschlusszeiten und Filtern gestalten will, kann von einer Kompaktkamera auf die GR umsteigen. Zum Zoomen bei Tageslicht taugt die alte Kompakte als Zweitkamera weiterhin, für anspruchsvoller gestaltete Aufnahmen nutzt man die Ricoh GR. Im Vergleich mit der Nikon Coolpix A gewinnt die GR derzeit: Sie ist leichter und günstiger, der Fokussierring der Coolpix A fällt da nicht so ins Gewicht.

Kompakte Kameras mit großem Sensor: Ricoh GR, Nikon Coolpix A & Co.
Kamera Ricoh GR Nikon Coolpix A Fujifilm X100S Sigma DP2 Merrill
günstigster Preis * (mit / ohne Objektiv) 729 879 1199 762
Maße (Gehäuse) 11,7 x 6,1 x 3,5 11,1 x 6,4 x 4 12,7 x 7,5 x 5,4 12,1 x 6,67 x 5,92
Volumen (Gehäusell-
maße), cm³
249,795 284,16 514,35 477,78544
Gewicht (Gramm) 215 299 405 330
Objektiv 28mm, f/2,8 28mm, f/2,8 35 mm f/2 fest 45 mm, f/2,8
Naheinstell-
grenze (cm)
10 cm 10 cm 10 cm 28 cm
Auflösung (Megapixel) 16,2 16,2 16,3 15,3 / 46 (15,3 in drei Schichten)
Sensorgröße (cm²) 3,72 3,68 3,73 3,69
Megapixel pro cm² 4,35 4,4 4,37 4,15 / 12,46
Display (Diagonale Zoll / cm) 3 / 7,6 3 / 7,6 2,8 / 7,1 3 / 7,6
Display Auflösung (Pixel / Subpixel) 410.000 / 1.230.000 153.333 / 460.000 153.333 / 460.000 306.666 / 920.000
Besonderheiten kein Tiefpassfilter kein Tiefpassfilter kein Tiefpassfilter, Hybrid-Sucher Foveon-Bildsensor, kein Tiefpassfilter
* im deutschen Online-Handel (laut geizhals.at, Stand 9.7.2013)

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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