Spotify, Simfy, Rdio, Deezer: Spot an fürs Gratis-Streaming (Spiegel Online, 12.3.2012)
Spotify, Simfy, Rdio, Deezer & Co. – Streaming-Dienste im Vergleich
Spot an fürs Gratis-Streaming
Zehn Millionen Nutzer in zwölf Staaten hat der Online-Musikdienst Spotify schon, jetzt geht er auch in Deutschland an den Start. 16 Millionen Songs sind im Angebot, kostenlos und werbefinanziert. Der deutschen Konkurrenz ist der schwedische Anbieter überlegen – zumindest in der Startphase.
Spiegel Online, 12.3.2012
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Dieses Angebot ist in Deutschland derzeit einmalig: Der schwedische Online-Musikdienst Spotify bietet deutschen Nutzern von Dienstag an einen kostenlosen, werbefinanzierten Zugriff auf gut 16 Millionen Musikstücke. Mit einer speziellen Software kann man die Musik unbeschränkt auf jedem Computer von Spotify-Servern abrufen. Wer werbefrei Musik hören will, muss 4,99 Euro im Monat zahlen, wer Spotify ohne Internetverbindung auch auf Smartphones nutzen will, zahlt dafür 9,99 Euro Abogebühren monatlich.
Dieses Angebot macht Spotify bislang in zwölf Staaten weltweit, zehn Millionen aktive Nutzer hat der Dienst derzeit. Drei Millionen der Kunden zahlen nach Angaben des Unternehmens. In Deutschland gibt es viele andere Streaming-Anbieter, doch ein komplett kostenloses, werbefinanziertes Angebot war bislang nicht darunter. Der deutsche Streaming-Dienst Simfy beschränkt den kostenlosen Zugriff nach zwei Monaten auf fünf Stunden im Monat.
Spotify schränkt in anderen Ländern den Zugriff beim Gratisangebot nach sechs Monaten auf zehn Stunden monatlich ein, zudem können Songs nicht mehr als sechsmal abgespielt werden. Ob dies in Deutschland in Zukunft auch der Fall sein wird, sagt Spotify nicht.
Seit Jahresbeginn haben einige Streaming-Anbieter wie Deezer und Rdio ihre Dienste auf den deutschen Markt ausgedehnt. Doch bisher wagte es niemand, in Deutschland ein ähnlich umfassendes Gratisangebot wie Spotify anzubieten. Das liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit an den Gebührenforderungen der Gema. Die Verwertungsgesellschaft verlangt von werbefinanzierten Streaming-Angeboten mit hoher Interaktivität (direkte Songsuche, Überspringen) laut Preisliste einen mit 0,006 Euro vergleichsweise hohen Mindestbetrag je Abruf eines Musikstücks.
Es kann sein, dass Spotify in langen Gesprächen mit der Gema einen eigenen, womöglich niedrigeren Tarif ausgehandelt hat. Aber es ist unwahrscheinlich, dass die Gema vom Grundsatz einer fixen Mindestvergütung je Songabruf abgerückt ist.
Zwangsregistrierung über Facebook
Diese Kosten dürfte Spotify als Marketingausgaben verbuchen. Spotify will laut Manager Axel Bringéus in Deutschland zu einem “Mainstream-Angebot” aufsteigen. Bekannt soll Spotify allein durch das Gratisangebot und Facebook werden. Bringéus : “In Deutschland gibt es um die 23 Millionen Facebook-Nutzern, die meisten davon sind wohl auch Musikfans. Wir haben große Ambitionen.” Der Spotify-Manager erklärt, dass Nutzer den Dienst gerne weiterempfehlen, dass darauf ankomme, die Zugangshürden so niedrig wie möglich zu machen – durch den Gratisdienst etwa. Bringéus: “Je länger jemand Spotify nutzt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er zahlt. Auf drei Millionen zahlende Nutzer wären wir ohne das Free-Angebot nicht gekommen.”
Dieses Phänomen ist bei vielen sogenannten Freemium-Angeboten zu beobachten. Der Geschäftsführer des Online-Notizbuchs Evernote, Phil Libin, beschreibt das Geschäftsmodell so: “Wir sind nicht darauf angewiesen, Kunden sofort zum Zahlen zu drängen. Wir wollen, dass sie Evernote lange nutzen. Dann haben wir den Rest ihres Lebens Zeit, um Geld zu verdienen.”
Bei Spotify kommt hinzu, dass die Gratisvariante mit Raubkopien konkurriert. Spotify-Manager Bringéus: “Es ist Marketing, aber auch perfekte Segmentierung: Die Kunden, die nicht zahlen wollen und sonst wohl Piraterie nutzen würden, bringen so der Musikbranche immerhin noch Werbeumsätze.”
Ein Preis, den deutsche Nutzer des Gratisangebots von Spotify zahlen müssen, ist die Zwangsregistrierung über Facebook. Wer sich bei Spotify anmeldet, muss sein Facebook-Konto mit dem Dienst verknüpfen. Standardmäßig ist damit auch ein Dienst aktiviert, den Spotify euphemistisch als “automatisches Posten” bezeichnet: Spotify veröffentlicht auf Facebook für jeden ersichtlich, was man gerade hört. Man kann dies nachträglich in der Spotify-Software unterbinden (Bearbeiten > Einstellungen > Musik, die ich höre, auf Facebook teilen).
Der Funktionsumfang von Spotify ist den Konkurrenzangeboten in vielen Punkten überlegen:
- Wer zahlt, kann zusätzlich zum Spotify-Angebot mit der Software seine eigenen MP3-Dateien auch auf Mobilgeräten wiedergeben. So lassen sich Lücken im Spotify-Bestand (die Beatles etwa) schließen.
- Die App-Plattform ist einmalig: Man kann über Erweiterungen von Drittanbietern beispielsweise die aktuellen Empfehlungen von “Rolling Stone”, “Pitchfork” oder dem “Guardian” direkt im Spotify-Player abspielen, ebenso personalisierte Empfehlungen auf Basis des eigenen LastFM-Profils.
- Die Möglichkeit, von anderen Nutzern angelegte Playlists zu übernehmen, macht das Entdecken neuer Songs und Künstler bei Spotify sehr einfach, vor allem Verbindung mit Apps von Plattformen wie ShareMyPlaylists. Es gibt viele interessante Playlists, kuratierte Klassik, aber auch alle Songs, die in den Romanen von Bret Easton Ellis’ vorkommen.
Allein ein browserbasierter Player fehlt bei Spotify im Gegensatz zu Simfy, Deezer und Rdio. Den vermisst man beispielsweise im Büro, wo sich die Software nicht auf dem Rechner installieren lässt. Wer allerdings Spotify auf seinem Smartphone installiert hat, kann das verschmerzen.
Das werbefinanzierte Gratisangebot von Spotify ist besser als das der Konkurrenz von Simfy – man kann länger mehr Musik hören. Beim Premiumdienst sind die Unterschiede nicht ganz so groß: Der Preis ist derselbe (4,99 / 9,99 Euro) im Monat. Die Spotify-Software ist flexibler, man hat ein großes Angebot an Apps und von anderen angelegten Playlists.
Ob man nun Spotify der deutschen Konkurrenz von Simfy vorzieht, sollte man vielleicht nicht allein auf Basis der Vorzüge von Software und Katalog entscheiden. Konkurrenz ist gut, und es wäre nicht unbedingt gut, wenn der Streaming-Markt sich ähnlich entwickelt wie der für soziale Netzwerke. Kontrolliert am Ende ein Dienst den Markt? Spotify-Manager Bringéus sagt, bislang habe man keine großen Unterschiede bei der Nutzung in einzelnen Staaten bemerkt. Das spricht für ein skalierbares Geschäftsmodell.
Spotify-Manager Bringéus ist sich sicher, dass Streaming-Dienste wie Spotify bei Digitalmusik in Zukunft das einzige Modell sein werden: “Downloads sind ein Übergangsphänomen.” Und für viele Streaming-Anbieter sieht er Platz auf dem Markt? Bringéus: “Wer diesen Markt übernimmt, müssen die Nutzer entscheiden. Wenn man sich den Markt etwa für Social Media anschaut, ist eine Entwicklung klar: Früher gab es viele Angebote, jetzt nur noch einen und viele Spezialanbieter.”