Systemkameras J1 und V1: So gut sind Nikons Kamera-Mischlinge (Spiegel Online, 8.11.2011))
Systemkameras Nikon J1 und Nikon V1
So gut sind Nikons Kamera-Mischlinge
Schnell und kompakt: Nikons erste Systemkameras mit Wechselobjektiven sind ungewöhnliche Mischlinge. Die Bedienung erinnert an Anfängerkameras, die Geschwindigkeit bei Autofokus und Serienaufnahmen an Spiegelreflexmodelle. Eine Kamera für Kindergeburtstag und Katzensport.
SPIEGEL ONLINE, 8.11.2011
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Bislang war das Geschäft des Kamerariesen Nikon übersichtlich: Für Gelegenheitsfotografen gab es Kompaktkameras mit kleinen Bildsensoren und fest verbauten Objektiven. Spiegelreflex-Kameras waren für alle da, die viel Zeit mit dem Fotografieren verbringen – beruflich oder privat.
Nun hat Nikon seine ersten Systemkameras vorgestellt, die nicht in dieses Schema passen: Die Nikon J1 und V1 sind Mischlinge – die Objektive kann man auswechseln wie bei Spiegelreflexkameras, doch die Bedienung erinnert eher an Einsteiger-Kompaktkameras.
Die Bedienung der Nikon J1 und des teureren Modells V1 ist recht ähnlich. Als erstes fällt auf, dass Nikon bei beiden Modellen viele Elemente weggelassen hat, die Fotografie-Enthusiasten schätzen. Es gibt zum Beispiel kein Modus-Drehrad, mit dem man zwischen Automatik- und Halbautomatikprogrammen wählen oder ganz in einen manuellen Modus schalten kann.
Spielerische Modi wie bei der Kompaktkamera
Diese Einstellungen sind bei den Nikon-Systemkameras in einem Untermenü versteckt. Überhaupt gibt es wenig direkte manuelle Einstellmöglichkeiten: Die ISO-Empfindlichkeit ist nur über ein Untermenü veränderbar. Und die vier bisher verfügbaren Nikon-Objektive für das neue Kamerasystem lassen sich mangels Fokussierring nicht manuell scharf stellen.
Trotz dieser reduzierten Bedienung lassen sich bei den Nikon-Systemkameras Blendenöffnung und Verschlusszeit von Hand bestimmen – ein Drehrad und ein Wippschalter an der Rückseite taugen dazu leidlich. Die Nikon-Ingenieure gehen offenbar davon aus, dass Besitzer der J1 und V1 viel lieber im Vollautomatik-Modus fotografieren. Das Moduswahlrad an der Rückseite der Kamera bietet nur diese Optionen: Videoautomatik, Fotomodus, bewegter Schnappschuss und Smart Photo Selector.
Das ist eine Auswahl, die man bei Einsteiger-Kompaktkameras vermutet: Der bewegte Schnappschuss bastelt aus einer Aufnahme einen vertonten Mini-Clip, der ins Foto hineinzoomt und zur Seite scrollt. Untermalt wird das von merkwürdigen Musikstücken, man kann zwischen vier voreingestellten Werken wählen.
Schneller Serienbild-Modus
Der Smart Photo Selector ist interessanter: Hier nutzt die Kamera die verblüffende Serienbild-Geschwindigkeit aus: Bis zu 60 Fotos in voller Auflösung können die J1 und V1 aufnehmen – begrenzt wird das nur von der Kapazität des Zwischenspeichers. Im Automatikmodus Smart Photo Selector nimmt die Kamera bis zu 20 Fotos eines Motivs auf und lässt den Nutzer zwischen fünf von der Software als beste markierten Aufnahmen wählen. Diese Funktion ist sicher hilfreich, wenn man Kinder auf dem Spielplatz oder Katzen beim Kartonhüpfen fotografiert.
Kompakte Objektive, kleiner Fotosensor
Beim Fotografieren fällt auf, dass die Nikon-Systemkameras auch sonst schnell arbeiten: Sie sind fix eingeschaltet – allerdings muss man jedes Mal die Objektive per Knopfdruck entsichern und ausfahren, was diesen Geschwindigkeitsvorteil relativiert. Der Autofokus stellt sehr schnell und zuverlässig scharf, auch in der Dämmerung und nachts. Und auch wenn die Kamera in kurzer Abfolge mehrere Aufnahmen im Rohdatenformat speichert, friert sie nicht ein wie manche anderen Modelle.
Die J1 ist deutlich handlicher als die größere V1. Die größere, recht klobige und teurere Systemkamera hat unter anderem diese Vorteile gegenüber der kleinen Schwester: Der Bildschirm auf der Rückseite hat eine höhere Auflösung, man kann auch durch einen elektronischen Sucher blicken, es gibt einen Klinkenanschluss für ein externes Mikrofon, der Akku hält länger.
Ordentliche Bildqualität, sparsame Auflösung
Trotz dieser Vorzüge: Wer nur fotografiert, dürfte mit der eleganteren und günstigeren J1 mehr Freude haben, die V1 wirkt im Vergleich recht klobig. Ein Vorzug des Nikon-Systems ist die Größe der Objektive: Sie sind recht kompakt, das fällt insbesondere bei den Zoom-Objektiven auf, die deutlich kleiner ausfallen als vergleichbare Brennweiten für Kameras mit größeren Fotosensoren.
Das ist zugleich der Nachteil der Nikon-Systemkameras: Der Bildsensor ist knapp halb so groß (1,16 Quadratzentimeter) wie der Sensor von MicroFourthirds-Kameras (2,25 Quadratzentimeter). Dafür, dass der Sensor so klein ist, fällt die Bildqualität ordentlich aus. Bildrauschen ist bei Aufnahmen in der Dämmerung zu sehen, auch wenn man die Aufnahmen im Rohdatenformat speichert und später mit der Nikon-Software entwickelt. Dem Seheindruck bei unseren Aufnahmen nach ist die Bildqualität der Nikon Systemkameras gleichauf mit MicroFourthirds-Kameras wie der Panasonic GF3, die Messergebnisse der Softwarefirma DxO-Labs erlauben eine ähnliche Einschätzung.
Schnappschusskamera für Katzen und Kinder
Die J1 und V1 bieten eine merkwürdige Mischung: Einerseits sind sie schneller als viele teure Systemkameras, was Autofokus und Serienbilder angeht. Andererseits orientiert sich die Bedienung an der von Schnappschuss-Kompaktkameras – direkte manuelle Einstellmöglichkeiten fehlen, ein Touchscreen auch. Die Auswahl bei den Objektiven ist gering: Festbrennweiten mit großen Blendenöffnung fehlen, ebenso ein Makroobjektiv. Der kleine Bildsensor macht es sehr schwierig, gezielt Schärfe auf bestimmte Bildbereiche zu legen – bei den Nikon-Systemskameras ist qua Bauweise und Objektivauswahl einfach sehr viel standardmäßig scharf.
Für wen hat Nikon diese nicht ganz billigen Systemkameras gebaut? Die Bildqualität ist ordentlich, aber nicht überragend, die Bedienung richtet sich an Gelegenheitsfotografen, die Objektivauswahl und die Gestaltungsmöglichkeiten sind eingeschränkt. Die Nikon Systemkameras sind wohl am besten geeignet für Menschen, die schnelle Serienaufnahmen von Katzen, Kindern und allem anderen in Bewegung machen wollen. Kompaktkameras sind dafür oft zu langsam, die Geschwindigkeit in Verbindung mit ordentlicher Bildqualität, kompaktem Gehäuse und recht handlichen Zoomobjektive sprechen für die Nikon J1.
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