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Fallstudie Taeglich.ME - lokaler Onlinejournalismus aus Mettmann

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen
Fallstudie Taeglich.ME - lokaler Onlinejournalismus aus Mettmann

Im Kreis Mettmann machen vier ehemalige Lokalredakteure der “Westdeutschen Zeitung” und ein Entwickler seit dem 9.11.2014 etwas Neues und Mutiges: ein Online-Regionalmedium mit harter Bezahlschranke (60 Euro kostet das Jahresabo). Mitgründer Thomas Reuter erzählt, was Taeglich.ME werden soll und wie viel Abonnenten die Seite braucht. 

Was ist Taeglich.ME für euch und was ist besonders daran?
Zuallererst einmal ein Fulltimejob an diesen Tagen. Dann ist es die Erfüllung des Ziels, an dem wir ein halbes Jahr sehr hart gearbeitet haben. Und es die Überzeugung, dass wir war Gutes hingelegt haben, das zukunftsfähig ist. Und das haben wir im Quintett gestemmt, ohne Geldgeber im Hintergrund. Besonders – und in NRW mindestens ein Alleinstellungsmerkmal: Uns gibt es digital, aber nicht kostenlos.

Wie seid ihr darauf gekommen?
Erste Gedankenspiele gab es schon im Herbst 2013. Die Entwicklung auf dem Regionalzeitungsmarkt hat uns schon früh beschäftigt. Uns war klar, dass der absteigende Ast, auf dem wir saßen, immer brüchiger wurde. Als dann absehbar war, dass die Redaktion, für die die meisten von uns vier Redakteuren arbeiteten, vor dem Aus steht, haben wir nicht gezögert. Dass die Zukunft nicht Print mit beispielsweise einem weiteren Anzeigenblatt sein würde, war klar. Wir sind alle online-affin – und haben dann einfach mal gemacht.

TME-Redaktionskonferenz
Taeglich.ME-Redaktion: Tanja Albrecht, Philipp Nieländer, Thomas Lekies und Patrick Dahm im Wohnzimmer von Thomas Reuter – Redaktionsräume spart sich das Projekt noch.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Taeglich.ME aus?
Wenn ich das schön wüsste: Wir sind ja gerade seit zwei Tagen auf dem Markt. Wir sitzen als Kollegen nicht zentral in einem Büro, sind in den Städten, über die und für die wir schreiben, zuhause oder unterwegs. Wir können mobil Texte auf unsere Seite stellen. Es gibt einen “Stalldienst”, der am Tag nur die Mails im Blick hat, die Polizei im Auge hält, Diskussionen auf Facebook oder Twitter verfolgt und Texte der reportierenden Kollegen redigiert. Wir tauschen uns via Facebook-Chats oder Whatsapp-Gruppe aus, skypen – und sitzen auch sehr gerne analog bei Kaffee zusammen. Aber uns bremsen keine ellenlangen Redaktionskonferenzen mehr aus. Wir können schneller vor Ort bei den Themen und Menschen sein. Und entsprechend auch schneller berichten.

Taglich.ME-Macher:  Thomas Lekies, Philipp Nieländer, Thomas Reuter, Patrick Dahm, Thomas Reuter
Taeglich.ME-Macher: Thomas Lekies, Philipp Nieländer, Tanja Albrecht, Patrick Dahm, Thomas Reuter

Wie viele Menschen müssen in einem Jahr mit Taeglich.ME ihren Lebensunterhalt verdienen und welche Ziele müsst ihr dafür erreichen?
Wir sind zu fünft. Alle mit unterschiedlichen Anforderungen. Der ein oder andere ist noch über eine Transfergesellschaft abgesichert, andere haben weitere Auftraggeber – wir müssen nicht von heute auf morgen allein über Taeglich.Me unser Leben bestreiten. Wir haben so die Chance, langsam, aber gründlich zu wachsen. Lieber etwas langsamer, dafür nachhaltiger. Aber es ist noch nicht abzusehen, wie sich der Anzeigenmarkt entwickeln wird. Im Moment sind wir von den vielen Anfragen überrascht. Aber das “Blatt” soll nicht anzeigenüberfrachtet sein. Wir planen mit 500 Abonnenten im ersten Monat – und da sind wir sehr, sehr gut auf Kurs.

Wenn ihr euch den typischen Leser von Taeglich.ME vorstellt – wie sieht der aus?
Den wird es definitiv nicht geben. Das wissen schon jetzt. Wir registrieren im Moment vor allem viele frustrierte Ex-Tageszeitungsleser – und das im Alter von 30 bis 70 Jahren. Wir wissen von Leuten, die noch nie eine Zeitung abonniert haben und es gestern zum ersten Mal getan haben. Andere wiederum kaufen sich eigens für Taeglich.ME ein Tablet – wie mein Vater, der gerade 80 geworden ist. Wir wollen die Menschen ansprechen, die gerne in unseren eher kleinen Städten leben, die über das Geschehen informiert sein wollen – und das über die eigene Straße hinaus, Menschen, die sich engagieren, die sich selbst einbringen und die mitdiskutieren wollen.

Was sollten mehr Menschen wissen?
Das ist eine tolle Frage. Dass qualitätsvoller Journalismus nicht zum Nulltarif zu haben ist.Dass gute Information gut tut. Dass in ihren auch so kleinen Städten viel mehr los ist, als sie glauben. Ach, ja: Dass das nächste Heimspiel der 1. Handball-Herren des TB Wülfrath schon am Freitagabend um 20 Uhr angepfiffen wird.

FallstudieLokaljournalismus

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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