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Technik-Kauderwelsch: Haste dein Streichelbrettchen dabei? (Spiegel Online, 4.7.2010)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
5 minuten gelesen

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Tablet, Netbook, Gadget: Was bedeutet dieses Technik-Blabla eigentlich genau? Für viele Alltagsgeräte gibt es nur schwammige englische Begriffe. SPIEGEL ONLINE klärt, woher sie kommen, was sie bezeichnen – und wie man all die Apparate viel schöner auf Deutsch nennen könnte.

Spiegel Online, 4.7.2010, mit Matthias Kremp

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In knapp 10.000 Texten auf SPIEGEL ONLINE taucht der Begriff auf: Gadget. Mit dem erstbesten Begriff aus dem Wörterbuch übersetzt heißt das “Apparat”, aber natürlich ist ein Gadget viel mehr. In einem Artikel über die “coolsten Gadgets der letzten 30 Jahre” 2005 gelten als solche: der Sony Walkman, Nintendos Game Boy, Apples Organizer Newton und MP3-Abspieler sowieso.

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So oft der Begriff benutzt wird, so unklar ist eigentlich, was er genau bedeutet: Technik? Geräte, die klein genug zum Mitnehmen sind? Wer einmal versucht, auf Deutsch auszudrücken, was aus dem Englischen übernommene Begriffe wie Gadget oder Smartphone genau beschreiben, kommt schnell ins Trudeln.

Der Text von 2005 erklärt das Fremdwort Gadget so: “Was wäre die Welt ohne die kleinen Spielzeuge für die Hosentasche! Nicht immer waren Gadgets, zu deutsch Apparat, technische Spielerei oder auch Schnickschnack, so klein wie heutige Handys oder MP3-Player.”

So ganz stimmt das nicht. Gadgets sind auch heute nicht unbedingt klein – das iPad (etwa A4-Format) wird oft Gadget genannt. Und der Technik-Schnickschnack der Zeichentrickfigur “Inspector Gadget” (ausfahrbare Roboterarme! Zusammenklappbare Helikopter-Rotorblätter!) ist das beste Beispiel dafür, dass mit Gadget nicht nur Computer-Spielereien gemeint sind.

Smarte Telefone, Gadgets und Tablets: SPIEGEL ONLINE sucht schönere Begriffe für die Technik-Floskeln – und veröffentlicht die besten Vorschläge der Leser.

Gadget – wie britische Matrosen vor gut 100 Jahren den Begriff erfanden

In dem Gadget-Artikel von 2005 – einer der ersten, in denen der Begriff länger eingeführt wird – taucht ein erster Eindeutschungsversuch auf: Technik-Spielzeug.

Diese Übersetzung ist ein bisschen lang, ein wenig zu kompliziert auszusprechen für ein Schlagwort – und sie gibt die Bedeutung nicht so ganz wieder. Mit Gadget assoziiert man nicht vorrangig Kinder-Spielsachen. Im Englischen kommt der Begriff aus einer ganz anderen Ecke. Der britische Etymologe Michael Quinion zeichnet in einem Essay die Begriffsgeschichte nach. Seinen Funden in alten Texten zufolge nannten Briten im späten 19. Jahrhundert Dinge Gadgets, wenn ihnen kein treffenderer Begriff einfiel.

Gadget war das Gegenstück zum deutschen Dingens oder dem schlesischen Wihajster (abgeleitet von “Wie heißt er?”). Dem Etymologen Quinion zufolge könnten die Briten das Gadget ähnlich wie die Schlesier aus einer anderen Sprache entlehnt haben – vielleicht vom französischen Dialektbegriff “gagée” für Werkzeug. Quinion führt einen Text von 1886 an, in dem Matrosen zitiert werden, die an Bord von “gadjets” sprechen, wenn sie über Ausrüstung reden.

Inzwischen ist im englischen Sprachraum Gadget aber nur noch für Technik-Kram gebräuchlich. Es gibt kein perfektes Gegenstück im Deutschen, das müsste man erst mal erfinden. Was gefällt Ihnen am besten?

  • Technik-Spielzeug?
  • Technik-Dingsda?
  • Oder einfach Gerät?

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Smartphone – so wurde das Telefon zum Zwerg-Computer

Der Begriff Smartphone taucht schon 1999 in Texten auf SPIEGEL ONLINE auf. Damals stellte man sich die schlauen Telefon so vor: Sie “strahlen in bunten Farben und bestehen fast nur noch aus Display, Minikamera und Spracherkennungssystem. Der Fingerabdruck macht das Mobiltelefon dabei zur personalisierten Allzweckwaffe, einsatzfähig als persönlicher Autoschlüssel oder elektronische Geldbörse.”

Das Smartphone sollte so etwas wie ein Lebensbegleiter werden, mit dem man alles immer und überall erledigen kann. Vor elf Jahren stellten sich Experten da gar nicht so abwegige Dinge vor: Flugtickets buchen, bei der Fluggesellschaft einchecken, Speisekarten abrufen, bei Online-Auktionen mitbieten, Nachrichten lesen, Eintrittskarten kaufen. In diese Richtung geht auch der erste Eindeutschungsversuch: Westentaschen-Tausendsassa nannte SPIEGEL ONLINE das Smartphone damals.

DER SPIEGEL schwärmt vom “Westentaschen-Tausendsassa”

Lustigerweise gab es damals schon seit Jahren Geräte, die genau das erledigen sollten. Sie trugen den passenden Namen persönlicher digitaler Assistent (PDA) und waren im Grunde genommen abgespeckte, aber dafür Jackentaschen-große Computer. Der Unterschied: Niemand dachte damals, dass die PDAs online sein müssen.

Ein paar Jahre später, 2006, war es mit den PDAs dann auch vorbei. SPIEGEL ONLINE definierte damals Smartphones als “Hybriden aus Handy und PDA”. Der Bedeutung des Begriffs hatte sich binnen sieben Jahren entscheidend gewandelt: Auf einmal assoziierte man mit dem Smartphone einen Computer. Die Idee, dass jeder Nutzer auf seinem Telefon Programme installieren kann, die er braucht, war da schon allgemein akzeptiert. “Notebooks für die Hosentasche” nannte SPIEGEL ONLINE damals die Smartphones. Das Beispiel Smartphone zeigt, wie schnell sich die Bedeutung so eines Fremdworts verschieben kann.

Auf SPIEGEL ONLINE tauchen einige Smartphone-Übersetzungsversuche auf, die all das ganz gut wiedergeben. Was gefällt Ihnen am besten?

  • Überall-Computer
  • Westentaschen-Rechner
  • Computer-Telefon
  • Hand-Computer

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Netbook – wie klein ist klein?

Günstig, bei der Technik etwas abgespeckt und recht klein – so könnte man Netbooks umschreiben, jene Klapp-Computer wie den Asus EeePC und seine Epigonen. Als diese Geräteklasse 2008 so richtig populär wurde, probierte SPIEGEL ONLINE zwei Übersetzungen aus: Mal hießen die Netbooks Billig-Laptops, mal Kleinstrechner.

Anders als die Übersetzungsversuche spielt der Begriff Netbook weder auf die Größe noch auf den Preis an – ein Netbook ist der Wortbedeutung nach ein Computer in Notebook-Bauform (Klapp-Prinzip), der vor allem fürs Surfen im Netz, weniger für rechenintensive Aufgaben wie Bildbearbeitung oder Spiele ausgelegt ist.

Mit Begriffen wie Kleinstrechner muss man vorsichtig sein – sie sind arg schwammig. 1987 nannte DER SPIEGEL die Heimrechner von Apple, Commodore und den IBM-PC “Mikrocomputer”. Klar – die kiloschweren Maschinen waren ja auch erheblich kleiner als die Großrechner damals. Aber wenn heute ein Netbook als Kleinstcomputer durchgeht – was ist dann ein erheblich kleineres iPhone? Relative Größenangaben sind da anschaulicher: Ein iPhone passt in die Jackentasche, ein Netbook nur ins Handgepäck.

Hier einige Übersetzungsversuche von SPIEGEL ONLINE. Welches Gegenstück zum Netbook gefällt Ihnen am besten?

  • Handtaschen-Computer
  • Schmalspur-Klapprechner
  • Billig-Laptop
  • Unterwegs-Computerchen

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Tablets – die Brettchen-Rechner

Die Begriffsgeschichte des Tablets ist besonders bitter für Microsoft: Vor zehn Jahren zeigte Microsoft-Chef Bill Gates den Computer der Zukunft, nannte ihn Tablet-PC und hatte damit nie so richtig Erfolg. Zehn Jahre später verkauft Apple binnen zwei Monaten drei Millionen iPads, die jeder als Tablets bezeichnet. Das Anhängsel PC ist weggefallen, die Schiefertafel-Form hat das Gerät behalten.

Das iPad bietet heute viel von dem, was Bill Gates für seinen Tablet-PC versprach: digitale Notizen, Zugriff aufs Internet, der Einsatz unterschiedlicher Programme. Auf Basis dieser Versprechen versuchte SPIEGEL ONLINE es damals mit diesen Übersetzungen: Mini-Computer und Notizbuch-PC. Da die Bildschirme der Tablets heute bunter, besser und berührungsempfindlich sind, hat sich die primäre Nutzung ein wenig verschoben.

Das Notieren steht nicht mehr im Vordergrund, Surfen und Gucken (auf dem Sofa!) sind wichtiger. Entsprechend haben sich die Übersetzungsversuche für den Begriff Tablet auf SPIEGEL ONLINE verändert. Welcher gefällt Ihnen am besten?

  • Flunder-Rechner
  • Flach-Computer
  • Surfbrettchen
  • Streichel-Computer
  • Wohnzimmer-Surfbrett

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Touchscreen, App Store, Hotspot – sind diese Fachbegriffe übersetzbar?

Einige englische Fachbegriffe halten sich seit Jahren hartnäckig, ohne dass allzu viele Übersetzungsversuche auftauchen. Vielleicht gibt es einfach kein gutes Gegenstück. Oder vielleicht haben wir noch nicht lange genug gesucht? Hier einige Begriffe, die dringend ein paar schöne Synonyme bräuchten, es im Archiv von SPIEGEL ONLINE aber nur auf einen einzigen Übersetzungversuch bringen. Gefällt der Ihnen?

  • App Store – Software-Supermarkt
  • Hotspot – Web-Verteiler
  • Touchscreen – Streichel-Bildschirm
  • Portable Medien-Player – Kino-Klötze

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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