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Technikärgernis Autolicht: Glühbirne wechseln? Auto demontieren! (Spiegel Online, 29.10.2008)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
4 minuten gelesen

Technikärgernis Autolicht

Glühbirne wechseln? Auto demontieren!

Kühlergrill abschrauben, Batterie ausbauen, dann endlich die Birne wechseln: Je moderner die Autos, desto komplizierter oft der Glühbirnenwechsel. Manche Hersteller geben Laien gar keine Wechselanleitung mehr, nur den Rat: Werkstatt! Dabei geht es auch sehr einfach.

Spiegel Online, 29.10.2008

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So klingt Autoschrauberfrust: "Ewig geschuftet und nichts erreicht
außer wunder Hände" – wer beim Renault Clio eine Scheinwerferglühbirne
wechselt, schreibt sich etwas später gerne in Web-Foren den Ärger von
der Seele (wenn die Hände noch heile sind).

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Da lesen Leidensgenossen mit,
kommentieren
die Horrorgeschichten mitfühlend ("Ich schraube doch nicht mein halbes
Auto auseinander, nur um eine Glühbirne zu wechseln – eigentlich eine
Frechheit!"), die Erfolgsberichte staunend ("Mach mal Bilder, wie Du da
noch eine Hand reinbringst!") und die Hilferufe mit nützlichen Tipps
wie:

  • "Aber die Batterie hast Du ausgebaut auf der Fahrerseite, oder?"
  • "Habe nur die Abdeckung von Batterie und Sicherungskasten
    weggemacht. Dann halt elendige Fummelei, aber wenn man weiß, wie es da
    ungefähr aussieht, kann man alles gut ertasten."
  • "Schrauben vom Radkasten-Spritzschutz entfernen, darunterliegende
    Schrauben entfernen, Schrauben vom Unterfahrschutz entfernen, Schrauben
    oberhalb des Grills entfernen, dann am besten zu zweit die Stoßstange
    nach vorn wegheben."

Ist es wirklich so schwierig, ein Auto zu konstruieren, bei dem ein Nicht-Mechaniker an die Glühbirnen kommt?

Es scheint so. Tester des Magazins "Auto Bild" haben 2008 bei 36
aktuellen Pkw-Modellen den Glühlampenwechsel versucht. Ergebnis: Nur
bei 18 Autos ist der Wechsel einfach. Einige der Negativbeispiele laut
"Auto Bild":

  • Audi A4: "Zuerst Verkleidungen demontieren, dann Scheinwerfer ausbauen. Besser in die Werkstatt."
  • Audi A6: "Wechsel nur in der Werkstatt möglich."
  • Renault Clio: "Wechsel nur in der Werkstatt möglich."
  • Honda Civic: "Auf der Fahrerseite muss die Batterie ausgebaut werden. Wir empfehlen die Werkstatt."

An der Größe des Autos kann es also nicht liegen – der Wechsel ist
bei manchen Pkw-Riesen genauso kompliziert wie bei einigen Kleinwagen.

Warum das bei einigen Audi-Modellen so schwierig ist, erklärt
Audi-Sprecher Eric Felber so: "Das Vorhalten von Greifraum für
Lampenwechsel führt zu permanenten Nachteilen hinsichtlich CW-Wert und
Design."

Außerdem gelte für alle Hersteller, so der Audi-Sprecher, dass "mehr
Innenraum bei weniger äußerer Größe und einer stetig steigenden Zahl
von Komfortsystemen angeboten werden muss." Abgesehen davon sei bei
Audi-Modellen ein Wechsel immer seltener nötig – wegen spezieller
Longlife-Lampen und der Vermeidung von Überspannungen durch ein
spannungsgeregeltes Bordnetz.

"Demontage einiger Bauteile im Motorraum nötig"

Ähnlich erklärt Renault-Sprecher Thomas May-Englert den manchmal
komplizierten Wechsel – durch die "gestiegenen Anforderungen an
Sicherheit (Insassen- und Fußgängerschutz) und Komfort (Klimaanlage)
wurde der Motorraum zu klein, um große Freiräume zum Wechsel der Birnen
zu lassen."

Renault rät Kunden vom eigenständigen Glühbirnenwechsel generell bei
den Modellen Modus, Clio, Mégane, Koleos, Laguna und Vel Satis ab, da
hier die "Demontage einiger Bauteile im Motorraum" nötig sei. Grund
dafür laut May-Englert: "Die spezifische Anordnung dieser Teile ist
notwendig, um die bestmögliche Crash-Sicherheit zu erzielen, die bei
der Entwicklung von Renault-Modellen oberste Priorität hat."

Es stimmt schon – heute bringen die Hersteller viel mehr Technik in
immer kleineren Motorräumen unter als noch vor zehn Jahren. Da war der
Glühbirnenwechsel meistens viel einfacher als heute – es war einfach
mehr Platz da. Das bestätigt Bernd Volkens, Redakteur im
Ratgeber-Ressort bei "Auto Bild": "Servolenkung, Klimaanlage und so
weiter, da ist der Platz inzwischen bis auf den letzten Millimeter
ausgereizt."

Im neuen Golf kann man die Lampen selbst wechseln

Natürlich leidet darunter die Erreichbarkeit einzelner Teile –
generell. Doch einige Hersteller schaffen es, trotz Platzmangel die
Glühbirnen einigermaßen erreichbar zu gestalten. Autotester Volkens:
"Bei manchen Modellen kann man als Laie mit etwas Mühe die Glühbirnen
wechseln, bei anderen geht das kaum ohne Verletzungen an den Armen und
viel Zeit."

Ein Positivbeispiel ist der VW Golf: Beim Modell IV riet Volkswagen
noch allen Kunden, zum Lampenwechsel in die Werkstatt zu fahren. Denn
beim Golf IV muss man die Front samt Stoßfänger und Kühlergrill
demontieren, um den Scheinwerfer ausbauen und dann endlich die Lampe
wechseln zu können. Das nervt heute noch Hunderttausende von
Golfbesitzern. Das Nachfolgemodell Golf V zeigt, dass es auch ganz
einfach geht: Hier sitzen die Lampen auf Trägern, die man ohne Werkzeug
lösen kann.

Alter Smart muss zum Glühlampentausch in die Werkstatt

Dazugelernt haben auch die Smart-Konstrukteure. 2004 kritisierte der
ADAC in einem Test,
dass die ganze Frontschürze abgebaut werden muss, um die Glühlampe zu
wechseln und dass Smart diese heikle Demontage nicht mal ordentlich im
Handbuch beschreibt, sondern Kunden gleich zum Wechsel an einen
Smart-Betrieb verweist. Vier Jahre später lobt "Auto Bild" den simplen
Lampenwechsel beim Smart Fortwo – der sei "ohne Werkzeug in fünf
Minuten" zu erledigen.

Nachdem also ein so simpler Vorgang wie der Glühlampenaustausch bei
vielen modernen Autos lange Zeit immer schwieriger wurde, gibt es
inzwischen bei manchen Modellen Besserung. Ein Grund dafür könnte eine
seit 2007 geltende neue technische Vorschrift (eine Ergänzung der
sogenannten ECE-Regelung R 48, mehr bei SPIEGEL WISSEN) sein. Demnach muss die Lichtquelle bei neuen Pkw-Modellen mit Bordwerkzeug auszutauschen sein.

Wer sich heute für ein paar Zehntausend Euro einen Neuwagen leistet,
hat also bessere Chancen, ein Modell zu erwischen, bei dem auch
Nicht-Mechaniker die Glühlampen wechseln können.

Außer natürlich, er kauft ein Auto mit Xenon-Licht (muss wegen
Hochspannung zum Wechsel in die Werkstatt) oder LED-Leuchtmitteln
(meist gar nicht wechselbar).

Aber die sollen auch ein Autoleben lang halten. Theoretisch.

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Versteckte Einschaltknöpfe, verwirrende Anleitungen, verrückte Automaten – in der Reihe "Fehlfunktion" stellen wir in loser Folge Technikärgernisse vor, die Millionen nerven. Schicken Sie uns Ihre Anregungen mit einer kurzen Begründung. Am besten per E-Mail.

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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