Technikärgernis Steckdosenleiste: Bitte hinten ganz fest drücken! (Spiegel Online, 20.11.2008)
Technikärgernis Steckdosenleiste
Bitte hinten ganz fest drücken!
Die meisten Steckerleisten haben den Schalter am falschen Fleck: An der Seite, wo das Kabel zur Steckdose wegführt. Deshalb lassen sich die Stromspar-Helfer kaum komfortabel an- und ausknipsen. Bitte bücken! Ein simpler Seitenwechsel des Schalters würde helfen.
Spiegel Online, 20.11.2008
Wer ein wenig Strom sparen und die Umwelt schützen will, muss sich täglich bücken: Vorm Fernseher, unterm Schreibtisch, in der Diele, neben den Boxen – um Stromfresser richtig abzuschalten und vom Stromnetz zu trennen.
Die abschaltbare Steckerleiste gilt als Stromspartipp schlechthin, als bester Helfer gegen heimlichen Standby-Verbrauch. Wer etwas dagegen hat, dass die ganze Nacht lang Kontrolllämpchen von Fernseher, DVD-Player, Computer und Router die Wohnung beleuchten, stöpselt die Geräte in eine Steckerleiste mit Zentralschalter – und schaltet sie dann wirklich aus.
Nur sitzt bei den meisten dieser Steckerleisten der Schalter am
falschen Ende, dort wo das Kabel herauskommt, das die Steckerleiste mit
der Steckdose verbindet und mit Strom versorgt. Die Folge: Wer die
Steckerleiste hinterm Fernsehtisch versteckt, kann den Schalter nicht
einfach so bedienen, weil er an der zu versteckenden Seite liegt. Zum
Ausschalten bitte die Steckerleiste unter Fernseh- oder Schreibtisch
hervorziehen!
Oder, wie ein SPIEGEL-ONLINE-Leser beklagt: "Der Schalter ist
einfach mit dem Fuß zu bedienen, aber dafür ragt das Kabel in den Raum
hinein, bevor es im Schlenker zur Wand und Steckdose führt." Thomas
Kuther vom Fachmagazin "Elektronikpraxis" bestätigt: "Dieses Problem
bei Steckdosenleisten nervt mich selber, und ich habe auch keine
Ahnung, warum das so ist. Allerdings rate ich davon ab, herkömmliche
Steckerleisten als Fußschalter zu missbrauchen."
Ein simples Problem, das den vielen Leserzuschriften nach zu
urteilen so manchen Stromsparer ärgert. Dabei wäre die Lösung doch ganz
einfach: Den Schalter am anderen Ende der Steckerleiste unterbringen.
Kein Kippeln mehr, kein Hervorziehen, keine Kabelschlangen.
Warum gibt es kaum Steckerleisten mit dem Schalter am rechten Fleck?
Ingenieur Peter Leunig, der vor allem Industrie und Banken
Spezialelektronik wie Steckdosenleisten mit IP-Adressen liefert sieht
viele Ursachen, aber nur einen möglichen Grund: "Der einzige
ernsthaftere Grund sind die erhöhten Anforderungen an die
Sicherheitsabstände innerhalb der Leiste. Die stromführenden Leitungen
müssen ja auf die andere Seite verlegt werden." Aber, so Leunig: "Das
ließe sich mit einem cleveren Gehäusekonzept bei etwa ein Euro
Mehrkosten durchaus lösen."
Warum man trotzdem im Baumarkt Berge an Steckerleisten mit
Bück-Schaltern sieht, erklärt Leunig so: "Denkfaulheit, Lieblosigkeit
des Marketing, mangelnde Kundenorientierung, die Hersteller fürchten
den höheren Preis von etwa einem Euro in einem heftigen Preiskampf."
Die Hersteller argumentieren genau so. Axel Hoffmann,
Produktmanager beim deutschen Elektrotechnik-Hersteller Brennenstuhl
zum Beispiel erklärt: "Wenn der Schalter gegenüber dem Kabeleingang
positioniert wird, muss das Kabel innerhalb der Steckdosenleiste der
kompletten Länge nach durchgeführt werden. Diese interne Kabellänge
kostet zusätzlich Geld."
Billig statt brauchbar
Arnold Löffler vom Elektronik-Riesen Bachmann sieht im Massenmarkt
wenig Chancen für solche Innovationen: "Der Aufwand der Produktion ist
deutlich höher. Im Niedrigpreis-Segment der Kunststoffsteckdosen kann
er aus Marktpreisgründen nicht realisiert werden."
Wer aber etwas mehr Geld ausgeben will (um die 20 Euro) und lange
genug sucht, findet auch einfach bedienbare Steckdosenleisten –
vielleicht nicht im Baumarkt, eher im Elektro-Fachhandel und ganz
sicher online.
Die robusten Alu-Steckdosenleisten von Herstellern wie Brennenstuhl
und Bachmann haben den Schalter oft am richtigen Ende – gegenüber vom
Kabeleingang. Außerdem gibt es einige raffinierte Konstruktionen mit
Extra-Fußschalter. Die Steckdosenleiste liegt irgendwo gut versteckt
und unsichtbar, der per Kabel verbundene Schalter gut erreichbar
anderswo.
Für solch einen Entwurf mit dem schönen Namen "Money Saver" hat die
Solinger Firma Zweibrüder in diesem Jahr eine lobende Erwähnung beim
Design-Preis "red dot award" bekommen und ein "sehr gut" im Test beim
Heimwerkermagazin "Selbst ist der Mann".
Im Baumarkt sucht man solche Steckdosen-Innovationen trotzdem vergeblich – wer sich dort einen Billigleiste vom Plastikberg schnappt, muss sich eben bücken.