Technikärgernis Zeitumstellung: Stromsparen macht die Xbox senil (Spiegel Online, 25.6.2008)
Technikärgernis Zeitumstellung
Stromsparen macht die Xbox senil
Die simple Zeitmessung überfordert manches High-Tech-Spielzeug: Wer seine Xbox oder den HD-DVD-Player ausstöpselt, muss bei jedem Einschalten die Uhr neu stellen. Und selbst bei neuen Handys ist Zeitumstellung Handarbeit – obwohl die Geräte ständig im Funknetz online sind.
Spiegel Online, 25.6.2008
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Mein HD-DVD-Player protestiert gegen Umweltschutz. Wenn der
Toshiba-Abspieler ein paar Stunden vom Stromnetz getrennt war (Energie
sparen!), motzt er beim Start immer so: Ein verärgertes Piepsen, ein
blauer Startbildschirm mit dem Kommando "Uhr einstellen". Dann braucht
man mindestens fünf Klicks mit der Fernbedienung, um sich durch das
eingeblendete Einstellungsmenü für Zeitzone, Jahr, Monat, Tag und Zeit
bis zum OK-Knopf zu hangeln.
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Wer die Uhr korrekt einstellt, ist noch viel länger beschäftigt –
aber wer will das schon, der DVD-Abspieler vergisst die Uhrzeit ja
sowieso, wenn er nicht im Standby-Modus läuft.
Kann das denn so schwierig sein?
Seit 1923 gibt es auf diesem Planeten Automatikuhren – da kann man
doch erwarten, dass eine immer funktionierende Uhr in einem 300 Euro
teuren HD-DVD-Player steckt. Aber nein – wer seinen Toshiba HD-EP10
nicht ständig laufen lässt, wird bei jedem Start aufgefordert, die Zeit
neu einzustellen. Der Hersteller hat sich offensichtlich den Miniakku
für die Zeitpufferung gespart.
Natürlich lässt sich die nervige Zeitstell-Ermahnung nicht abschalten.
Aber immerhin lässt sich beim Toshiba-Player die Uhrzeit ohne
größere Probleme einstellen (wenn auch jedes Mal neu). Das endet bei
anderen Geräten oft im totalen Chaos. Denn selbst die teuerste
Alltagstechnik beherrscht eine der simpelsten und ältesten Aufgaben
kaum – die Zeitmessung.
Senile Xbox, Zeitreise-Handy, Kilometer-Uhrzeit – SPIEGEL ONLINE zeigt, wie Designer an der Zeitumstellung scheitern.
Xbox vergisst ohne Standby die Uhrzeit
Der DVD-Player ist nicht unbedingt auf die aktuelle Zeit angewiesen,
um Filme abzuspielen. Anders ist das bei Microsofts etwa 250 Euro
teuren Spielkonsole Xbox 360 – hier ist eine konstante Zeitmessung ganz
sinnvoll, damit die Software nachvollziehen kann, welchen Spielstand
die Besitzer zuletzt gespeichert haben.
Aber auch Microsoft hat offensichtlich am Zeitpuffer gespart. Viele frustrierte Spieler beklagen das in Internetforen:
- "MS geizt da wohl an einer Knopfzelle.
Dabei ist die Uhrzeit bei diesem Gerät sogar richtig sinnvoll – sie
wird bei Spielständen mitgespeichert und angezeigt." ( Heise-Forum) - Die Folge sind Speicherprobleme, wie sie
ein Leser des Spielemagazins "Gamepro" im Titel "Far Cry Instinct"
beklagt: " Egal wie weit ich im Level vorankomme, das Spiel speichert
zwar, aber ich werde immer zu der Stelle mit dem LKW zurückversetzt." (
Gamepro-Forum)
Zumindest bietet die Microsoft-Konsole eine leidlich brauchbare
Alternative zum Dauer-Standby oder ständigem Neustellen der Uhr: Wenn
die Konsole online ist, holt sich die Software die aktuelle Uhrzeit
nach dem Einschalten automatisch von einem Microsoft-Server.
Es klingt vielleicht ein wenig umständlich, ein Netzwerkkabel in
einen Router zu stöpseln, um die aktuelle Uhrzeit abzurufen. Aber das
ist geradezu komfortabel im Vergleich zu den Methoden, die manche
Handyhersteller ausgetüftelt haben.
LG-Handy stellt die Uhr nur im Winter korrekt
Obwohl Mobiltelefone ja die meiste Zeit online sind und in fast
jedem Mobilfunknetz die aktuelle Uhrzeit abfragen könnten, machen das
noch lange nicht alle Geräte. Und wenn sie es versuchen, klappt es
nicht immer. Beim Test des aktuellen LG-Handys HB620T zum Beispiel
versagte die Funktion "automatisch aktualisieren" im Menü "Datum &
Zeit": Wer um neun Uhr deutscher Zeit so die "aktuelle" Uhrzeit abruft,
ist laut LG-Handy plötzlichin einer Zeitzone, in der es acht Uhr früh
ist.
Erklärung: Die Software des 300-Euro-Handys kommt mit der Sommerzeit
einfach nicht zurecht. Wer die Uhrzeit seines LG-Telefons "automatisch
aktualisieren" will, kann das nur, wenn Winterzeit gilt. Für die
anderen Monate hat das LG Handy im Uhrzeitmenü ganz am Ende die Option
"Sommerzeit" (in der logischen Abfolge nach "Zeit", "Datum" und "Autom.
Aktualisieren"). Da muss man dann zwischen den auf Anhieb wenig
aussagekräftigen Optionen "Aus", "1 Stunde" und "2 Stunden" wählen.
Zeitzonen verwirren Palm-Smartphone komplett
Die leichte Sommerverwirrung des LG-Handys ist nichts im Vergleich zum Zeitchaos bei einigen Smartphones des
legendären Taschencomputer-Bauers Palm
Das Treo-Modell 750 hat schon einige Redakteure bei SPIEGEL ONLINE
verzweifeln lassen, weil das Gerät immer wieder Termine nach einer
nicht zu durchschauenden Systematik einen halben Tag zurückverlegte,
gerne auch Notiztermine zu Geburtstagen, so dass die Glückwünsch-Anrufe
einen peinlichen Tag zu früh kamen.
Im Netz findet man schnell Anschluss zur großen Leidensgemeinschaft von Treo-Zeitzonen-Opfern. Einige der Klagen:
- "Immer wenn man in der Uhrzeit und Weckereinstellung Änderungen
vornimmt, springt die Zeitzone auf "GMT -8 zurück. Meine 8 Uhr Termine
stehen dann immer auf 23 Uhr einen Tag vorher", schreibt der Bochumer
Informatiker Michael Recht in seinem Blog. - Ein Treo-Besitzer berichtet in seiner
Amazon-Rezension
des Geräts: "Das neue Teil ändert selbsttätig die Uhrzeit. Mit schöner
Regelmäßigkeit werde ich ohne jegliche Aktivität nach Seattle "gebeamt"
incl. der Verlegung sämtlicher Termine um +8 Stunden. Ein Zurücksetzen
der Uhrzeit und der Zeitzone hält zwischen 5 Minuten und 2 Tagen. Dann
das gleiche Spiel wieder."
Die Lösung dieser Macke ist so absurd wie das Problem selbst: In den
Einstellungen des Palm-Unterwegstelefons muss man die Uhr-Optionen
"Zuhause" und "Besucht" auf dieselbe Zeitzone stellen. Was immer das
bewirkt – den meisten Treo-Opfern in den Leidensforen scheint dieser
Trick geholfen zu haben.
Aber es geht noch einfacher: Palm hat nach Bekanntwerden des Problem
einen Patch für das betroffene System veröffentlicht, der sich
kostenlos von der Palm-Seite laden lässt.
Autos, Kühlschränke, Aquarien – das totale Uhrenchaos
Zähle ich die Uhren in meiner kleinen Wohnung durch, komme ich auf
ein gutes Dutzend. Nicht jede ist so kompliziert zu stellen wie der
chinesische Radiowecker in Kühlschrankform, der fünf völlig gleich
aussehende Knöpfe (abgesehen von den Buchstaben A bis E) hat und deren
Bedienung mit schönen Sätzen wie diesem erklärt:
"Press Button A x 6 to set the time (hour). PS. Press Button B or C to adjust the hour."
Das Problem bei all diesen Uhren ist, dass jede einer anderen, nicht intuitiv zu erfassenden Bedienlogik folgt.
Besonders fies ist die Digitaluhr in meinem Citroen Saxo: Die
Bedienung wirkt auf den ersten Blick so simpel wie einleuchtend: Neben
der digitalen Uhranzeige ragt ein Knopf aus dem Armaturenbrett. Die
Intuition sagt: Dreht man nach rechts, stellt man die Uhr vor. Die
Bedienungsanleitung sagt etwas ganz anderes:
"Durch Druck auf den Knopf A
wird zwischen der Anzeige des Gesamtkilometerzählers und des
Tageskilometerzählers umgeschaltet. Durch langes Drücken des Knopfes
wird der angezeigte Tageskilometerzähler auf Null gesetzt."
Knopf A ist tatsächlich der Knopf neben der Uhr – den Schalter für
die Zeitumstellung haben die Designer ganz rechts, neben dem
Drehzahlenmesser versteckt. Und man dreht ihn nicht, sondern drückt.
O-Ton Bedienungsanleitung:
"Die Einstellung der Uhrzeit
erfolgt bei eingeschalteter Zündung und abgestelltem Motor durch
Drücken des Knopfes B für mehr als drei Sekunden. Kurzer Druck,
langsamer Durchlauf. Wenn der Knopf fünf Sekunden lang nicht gedrückt
wird: Die Stunde wird gespeichert, die Minuten blinken."
Warum muss man hier drücken, wenn man doch von jeder Armbanduhr das Drehen zur Zeiteinstellung verinnerlicht hat?
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