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Technik-Tücken: Diese Design-Dummheiten nerven Millionen (Spiegel Online, 12.3.2008)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
6 minuten gelesen

Technik-Tücken

Diese Design-Dummheiten nerven Millionen

Die Feststelltaste zwingt zu permanenter Großschreibung, jede Digitalkamera will ein eigenes USB-Kabel – und Aufzüge halten bei jedem sinnlosen Zwischenstopp. Wenn Ingenieure schlampen, leiden Millionen. SPIEGEL-ONLINE-Leser melden ihre fiesesten Technikfallen.

Spiegel Online, 12.3.2008

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Es ist alles noch viel schlimmer.

Eifrig haben Leser die idiotischsten Technik-Tücken gemeldet, die ihnen am Computer und in der digitalen Welt aufgefallen sind. Sie erweitern die SPIEGEL-ONLINE-Liste der Design-Dummheiten um einige bemerkenswerte Einträge.

SPIEGEL ONLINE hatte in einer illustren Zusammenstellung unter anderem die gut versteckte @-Taste bei Apple-Rechnern als Technikärgernis moniert (mehr…) – eine echte Hürde für PC-Umsteiger, die an ihrem Neu-Mac lang die richtige Tastenkombination suchen. Noch viel schlimmer, klagen nun viele Leser: Am ärgerlichsten sei, dass man mit der am PC gelernten Kombination fürs @ (AltGr+Q) am Mac einfach das laufende Programm beendet (Apfel+Q).

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Da will man eine E-Mail-Adresse eintippen und schließt stattdessen die Software – ohne Nachfrage! Im schlimmsten Fall verliert man den eben getippten Text.

Mag sein, dass Q für Quit, also das Verlassen von Programmen, eine logische Kombination ist. Logisch ist nur manchmal nicht praktisch. Viele Neunutzer des Mac wurden jahrelang am PC konditioniert.

Hätten Apples Designer daran nicht denken können? Als Lösung haben sie sich eben jene völlig ungewohnte Tastenkombination fürs @ ausgedacht, Alt+L.

Das Beste an dem Apfel-Q-Problem ist: Wer erst ein paar Mal aus Versehen sein Programm geschlossen hat, ist allmählich konditioniert – und gewöhnt sich entsprechend schneller an Alt+L.

Durchdachtes Design sieht freilich anders aus. Und es ist nicht das einzige Beispiel, auf das die Leser hinweisen.

USB-Wirrwarr, Brülltaste, Netzteilchaos – SPIEGEL ONLINE zeigt, welche Technikmacken Millionen nerven:

Von wegen universell – das USB-Kuddelmuddel

Ein Anschluss am Computer für alle erdenklichen Geräte, standardisiert, universell, praktisch und schnell – mit diesem Versprechen trat 1996 der "Universal Serial Bus" (USB) an. Schaut man sich die diversen USB-Kabel für Digitalkameras, Handys, MP3-Player und Navigationssysteme an, ist das Versprechen nur halb eingelöst – nämlich auf der Kabelseite, die man in den Rechner stöpselt. Da passt jedes USB-Kabel in jeden USB-Anschluss.

Auf der Geräteseite sieht es allerdings anders aus: Da passt bei weitem nicht jedes USB-Kabel in jedes USB-Gerät. Ein Beispiel aus dem Redaktionsalltag: Der Sandisk MP3-Player E240 kam mit dem USB-Kabel der Videokamera Sanyo Xacti HD 1000 nicht zurecht, ebenso wenig lässt sich mit diesem USB-Kabel die Panasonic-Digitalkamera an den Rechner anschließen.

Hintergrund: Für Mobilgeräte wie Handys und Kameras wurden neue, kleinere Stecker entwickelt – Mini- und Micro-USB. Allerdings basteln sich viele Hersteller ihre eigenen Varianten dieser Micro- und Mini-Stecker. Ein Blick in die Angebote von Elektronikzubehörhändlern offenbart die ganze Vielfalt: Es gibt 4-, 5- und 8-polige Mini-USB-Stecker, manche sind 4,8, andere 6,9 Millimeter breit.

Die Folge: Wer mit Mobiltelefon, MP3-Player, Kamera und Navigationssystem wegfährt, hat gleich mehrere der vermeintlichen Standardkabel im Gepäck. Standard – von wegen.

Die Brülltaste erzwingt GROSSBUCHSTABEN

Wer Großbuchstaben schreiben will, hat am PC und Mac die Wahl zwischen zwei Tasten: Solange man die etwas kleinere Umschalttaste links unten gedrückt hält, schreibt man groß. Bei der etwas breiteren Feststelltaste direkt darüber reicht ein einziger Antipper, und man schreibt fortan alles groß – bis man die tückische Feststelltaste wieder berührt.

Das Problem: Immer wieder vertippt man sich, drückt aus Versehen die große Feststell- anstelle der kleineren Umschalttaste und schreibt permanent große Lettern – bis man auf den Bildschirm blickt und den Fehler bemerkt.

Erfüllt die Feststelltaste überhaupt eine sinnvolle Funktion? Auf Schreibmaschinen vielleicht, da konnte man nur durch permanente Großschreibung einzelne Textpassagen hervorheben. Am Computer hat man dieses Problem nicht – zum Hervorheben gibt es ja fette oder kursive Formatierungen. Und in Internetforen ist Großschreibung als rüdes Brüllen verpönt. Kein Wunder, dass schon zwei verschiedene Web-Initiativen mehr oder minder ernsthaft für die Abschaffung der Feststelltaste kämpfen.

Aber man kann die Brülltaste auch einfacher kaltstellen: Am Mac (OS 10.4 oder höher vorausgesetzt) ist unter Systemeinstellungen, unter dem Punkt Hardware ein Einstellungsfenster für die Tastatur versteckt – da kann man der fiesen Feststelltaste einfach "keine Aktion" zuweisen. Von Windows-Systemen kann man sich über einen Piepser (interner Lautsprecher vorausgesetzt) jedes Mal warnen lassen, wenn die Feststelltaste aktiviert wurde (zu finden unter Einstellungen, dann Systemsteuerung und dort Eingabehilfen).

Mit diesem Piepsgeräusch kann man auch wunderbar Minimalmusik machen – und die Bürokollegen nerven.

Nummernblock ärgert telefonierende Zahlentipper

Ein Minderheitenproblem – aber was für eins! Viele Leser, die den Tag über im Büro Zahlen in Datenbanken tippen, beschweren sich über die aberwitzige Zahlenfolge auf dem Ziffernblock der PC-Tastatur: Hier beginnt die oberste Ziffernreihe mit 7 und endet mit 9, die unterste fängt mit 1 an und hört mit 3 auf – so wie beim Taschenrechner.

Am Tastentelefon allerdings sind die Ziffern von 1 (links oben) bis 9 (rechts unten) angeordnet. Die Folge, so ein Leser: "Ich rufe halt systematisch immer dieselben falschen Telefonnummern an." Wer Zahlen tippt und telefoniert, muss ständig umdenken, auf welchem Ziffernblock er gerade tippt.

CD-Laufwerk versteckt Knopf zum Schließen

Schon als die ersten CD-Laufwerke für Computer erschienen, war der Knopf zum Öffnen und Schließen rechts unter der Öffnung angebracht. Das ist heute so absurd wie vor 20 Jahren: Ist das Laufwerk geöffnet und der Schlitten für den Datenträger ausgefahren, verschwindet der Knopf zum Schließen unter eben diesem Schlitten. Bei den DVD-Laufwerken und DVD-Brennern ist es genauso. Die Folge, so ein Leser: "Wenn der Schlitten herausgefahren ist, muss man sich nicht nur bücken, sondern auch noch um den Schlitten herum und unter den Schlitten greifen, um das Laufwerk wieder zu schließen. Das nervt!"

Statt diesen grundsätzlichen Designfehler zu beheben, haben sich die Laufwerksbauer auf die Hilfe der Programmierer verlassen: Inzwischen kann man den Schlitten des CD- oder DVD-Laufwerks bei fast jedem Betriebssystem per Mausklick ein– und ausfahren. Auf Apple-Tastaturen gibt es dafür sogar eine eigene Taste. Aber Apple-Rechner fahren ja – abgesehen von Mac Pros – ohnehin seit Jahren keine Laufwerksschlitten mehr aus, die irgendetwas verdecken könnten.

Sprachverwirrung auf Laptop-Tastaturen

Laptops haben wenig Raum für Tastaturen, da müssen ein paar Tasten wegfallen, einige enger zusammenrücken, einige doppelt belegt werden. Ärgerlich dabei: Jeder Hersteller pflegt seine eigene Unterwegstastatur-Systematik. Apple spart zum Beispiel bei Macbooks die Entfernen-Taste ein – was jeder Schreiber schmerzlich vermisst, wenn er die Buchstaben hinter dem Cursor löschen will. Der kleinere EeePC hingegen hat eine Entfernen-Taste, Thinkpads ebenso und auch Dell-Notebooks.

Noch eine Notebook-Falle: Fast jeder Hersteller spendiert den Geräten eine zusätzliche "Funktions"-Taste, über die man die zweite Belegung doppelt vergebener Tasten aktivieren kann. Dummerweise plazieren viele Hersteller diese Zusatztaste unten links – da wo PC-Benutzer die Strg-Taste erwarten, über die man per Kombination speichern (Strg+S), markierte Abschnitte kopieren (Strg+C) und einfügen (Strg+V) kann.

Stellvertretend für viele Leserbriefschreiber klagt ein Leser über die Tastaturen von Unterwegsrechnern: "Da kann man mit Standardkürzeln wie Ctrl + C bzw. Ctrl + V ganz schön viel Zeit verlieren, weil man jedesmal merkt, das nichts kopiert wurde. Kann man diese verdammten Notebook-Tastaturen nicht mal normieren?"

Wie herum steckt man USB-Kabel ein?

Es gibt zwei Methoden, einen Speicherstick oder ein USB-Kabel in die USB-Buchse am Rechner zu stöpseln: Entweder steckt man wild drauf los, probiert und dreht den Stecker solange herum, bis er passt. Oder man schaut sich vorher genau die USB-Buchse im Rechner und den Stecker an, vergleicht, wo sich die dicke Kante und wo sich die große Aussparung befindet.

Eine Methode funktioniert aber mit Sicherheit nur selten: Das USB-Kabel intuitiv richtig herum in die Buchse stecken – das klappt nicht. Welche Systematik man den USB-Steckern auch andichtet, irgendeine Kombination von Stecker und Buchse widerspricht ihr. USB-Symbol am Kabel bzw. Lämpchen am USB-Stick zu der Seite drehen, auf die man beim Einstecken schaut? Klingt logisch, funktioniert aber beim Dell-Monitor nicht. Und bei PCs mit senkrechten USB-Buchsen ohnehin nicht.

Warum müssen USB-Stecker eigentlich eine Ober- und eine Unterseite haben?

Man hätte doch ein System konstruieren können, bei dem es gleich ist, wie herum man den Stecker einstöpselt. Ein Ingenieur schreibt: "Wie wäre es mit einem runden oder symmetrischen Stecker?"

Am selben Problem kranken auch andere Geräte: Egal ob Bank-, Parkhaus- oder Fahrkartenautomat – die Karte kann man immer nur in einer von den vier Einsteckvarianten gelesen werden. Wütender Leserkommentar: "Als Abhilfe wird meistens eine unverständliche Anleitung angebracht. Die zu verstehen, dauert meist länger, als alle Möglichkeiten auszuprobieren."

Dumme Aufzüge

Wer kennt das nicht: In den Aufzug gestiegen, falschen Knopf gedrückt, in der falschen Etage angehalten, Zeit verloren, geärgert. Muss das sein? Wer einmal darüber nachdenkt, fragt sich wie ein Leser: "Warum hat es kein Fahrstuhlhersteller geschafft, ein binäres Stockwerkauswahl-Panel zu entwickeln, bei dem man das gedrückte Stockwerk wieder abwählen kann?"

In der Tat: Licht kann man ein- und ausschalten, Telefonhörer abnehmen und auflegen – aber im Aufzug muss man immer schon sinnlose Zwischenstopps einlegen.

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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