Teuer-Gadgets: Glaubenskrieg um das 500-Euro-Kabel (Spiegel Online, 19.5.2008)
Teuer-Gadgets
Glaubenskrieg um das 500-Euro-Kabel
Riesenstreit um ein Superkabel: In
Technikblogs diskutieren Experten, Leser und Audiophile über das
aberwitzig teure Audiokabel AK-Dl1. Es sieht aus wie ein normales
Netzwerkkabel, kostet aber 500-mal so viel – und klingt angeblich
besser.
Spiegel Online, 19.5.2008
Anderthalb Meter Kabel für 500 Euro? Diesen stolzen Endpreis
empfiehlt der japanische Elektronikriese Denon deutschen Händlern für
sein "HighEnd Denon Link-Kabel". Die Endstücke des Kabels kommen
Computer-Besitzern allerdings sehr vertraut vor: Die
Billig-Netzwerkkabel, die Büro-PCs zuverlässig mit dem Netzwerk
verbinden und Daten schnell genug für Filmdownloads übertragen, sehen
genauso aus. Und diese (allerdings beigen Kabel) kosten ein, zwei Euro
je Meter.
Technik-Blogs spotten über Denons schwarzblaues Wunderkabel:
Boingboing
amüsiert sich über diesen "Angriff" aus dem "Audiophilenland" und
rechnet vor, warum dieses Wunderkabel den Preis wohl kaum wert sein
kann. Denons Wunderkabel soll Klangdaten zum Beispiel zwischen Denons
DVD-Playern und der Stereoanlage übertragen. Der dabei genutzte
digitale Übertragungsstandard "Denon Link" verlangt angeblich Denons
Superkabel, weil er auf Algorithmen zur Fehlerkorrektur setzt.
Denon umschreibt in seinem
Technik-Lexikon
blumig, warum der eigene Digital-Standard anders ist als die anderen
digitalen Übertragungsarten: "DENON Link kann die Musikdaten in ihrer
natürlichen Form übertragen, nämlich als fortlaufenden Bitstrom." Und:
Anders als bei anderen Formaten "wo die Daten neu verpackt und
entsprechend gekennzeichnet werden müssen, bevor sie dann blockweise
auf die Reise gehen" sei diese "den Klang negativ beeinträchtigende
Prozedur bei DENON Link nicht notwendig".
Weil nicht gepackt wird, rät Denon zum 500-Euro-Kabel. Weil da
irgendwie mehr durchpassen soll. Im Werbeprospekt führt der Hersteller
als Argumente unter anderem auf:
- "Ultraschnelle Übertragung mit hoher Bandbreite durch den Einsatz von Fluoropolymeren und hochreinen Kupferleitern."
- "Exzellente Übertragungsqualität dank der nach klanglichen Gesichtspunkten ausgewählten edlen Materialen."
- "Edles Gewebegeflecht zur Abschirmung des Kabels (Blau / Schwarz)"
Alles klar?
Dem Boingboing-Autor Rob Beschizza nicht. Er rechnet vor, dass
Standard-Netzwerkkabel für einen Datendurchsatz von einem Gigabit je
Sekunde auf "Strecken, die länger sind als sie je ein Stereoanlage
brauchen könnte" zugelassen sind. Diese Bandbreite entspricht in etwa
den 1,2 Gigabit je Sekunde, die Denon-Link schaffen soll. Ist das Kabel
die 500 Euro wert? Die Einschätzungen der Diskutanten in Hifi- und
Computer-Foren gehen weit auseinander:
- "Die Bandbreite wird die von GBit Ethernet NIE übersteigen, daher ist das wirklicher High-End-Voodoo." (
Gizmodo-Forum) - "Ich muss auch gestehen, dass die Klangqualität durchaus zugelegt hat durch das neue Kabel." (Superkabel-Besitzer im
Hifi-Forum) - "Denon Link arbeitet digital, daher ist
so’n spezielles Kabel – sofern nicht speziell verdrahtet – einfach nur
Voodoo – aber davon gibt’s ja in der HiFi-Welt genug." ( Gizmodo-Forum) - "Habe es zwar noch nicht gekauft, aber
schon beim Händler im Vergleich zu dem Standard und einem CAT7
getestet. Kann deine Erfahrungen bestätigen. Es klingt deutlich besser
als die beiden anderen." (Superkabel-Fan im Hifi-Forum)
Eine Glaubensfrage? Irgendetwas werden die Käufer schon an dem Kabel
finden, wofür es sich lohnt, 500 Euro auszugeben – ähnlich wie bei den
anderen Luxusspielzeugen.
Sonderangebot: 113 Tasten für 1200 Euro
Tütftler Artemy Lebedev begeistert Medien und Käufer seit Jahren für
seine aberwitzig teuren Tastaturen: Seit Anfang des Jahres liefert er
nun sein Meisterwerk aus. Die Tastatur Optimus Maximus kostet knapp
1200 Euro, dafür ist jede der 113 Tasten mit einem in 48×38 Pixel
auflösenden OLED-Display unterlegt. Die Tastaturbelegung lässt sich
beliebig anpassen, zum Lieferumfang gehören vorgefertigte
Belegungs-Layouts für fast alle Sprachen der Welt.
Entwickler Lebedev hat inzwischen ein neues Projekt
angekündigt:
Er arbeitet derzeit an einer günstigeren und kleineren Variante der
Supertastatur: Die Optimus Popularis getaufte Tastatur soll laut
Lebedev "weniger als 1000 Dollar" kosten. Ein Schnäppchen!
1200 Euro für einen Stereoanlagen-Untersetzer
Der Berliner Möbelbauer "finite elemente" hat sich auf Hifi-Möbel
spezialisiert. Eines der günstigeren Teile aus dem Programm ist die
"Pagode Master Reference Plattform", eine gut 60 mal 40 Zentimeter
große Holzfläche aus "kanadischem Ahornholz." Preisempfehlung: 1200
Euro.
Stellt man da seine Hifi-Komponenten drauf, klingt die Musik einfach
besser, verspricht der Möbelbauer. Denn zu dem Ahornbrett gehört auch
allerlei HiFi-Hightech-Zeug mit schönen Beschreibungen wie:
- "spikegelagerte Absorberböden"
- "Kontrollierte Resonanzdämpfung durch vier auf das jeweilige Modell abgestimmte Resonatoren"
- "Dämpfung und Zentrierung des Bodens über Elastomerdämpfe"
1200 Euro für Alltagstgegenstände wie eine Tastatur und einen Ahornuntersetzer? Eine Glaubensfrage. Und Marktwirtschaft eben.