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Umstrittene Apple-Praxis: Datenschützer wettern gegen iPhone-Ortung (Spiegel Online, 24.6.2010)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
4 minuten gelesen

Umstrittene Apple-Praxis

Datenschützer wettern gegen iPhone-Ortung

Das iPhone gilt als schick und smart – aber was viele nicht wissen: Apple speichert, wo sich die Nutzer befinden. So steht es zwar in der Datenschutzerklärung, doch Details verrät der Konzern nicht: Was genau wird wie lange wozu protokolliert? Experten verlangen Klarheit.

Spiegel Online, 24.6.2010

{jumi [*3]}

Apple, das ist der Legende nach die Firma mit den Geräten, die einfach funktionieren und der Software, die nur das tut, was man will. Apple ist durchdacht, einfach, benutzerfreundlich – und so soll die Datenschutzpolitik des Konzerns auch aussehen, versprach Apple-Chef Steve Jobs Anfang Juni auf der Technologie-Konferenz D8: “Datenschutz bedeutet, dass die Menschen verstehen, wofür sie sich anmelden.” Jobs’ Credo: “Lass die Nutzer genau wissen, was du mit ihren Daten tust.”

{jumi [*4]}

Ein klarer, knapper Satz – Jobs spricht, wie Apple-Produkte aussehen. Die neue Datenschutzrichtlinie klingt da ganz anders. Einige Passagen in den gut 20.000 Zeichen Text (gut dreimal so viel wie dieser Artikel) hat Apple Anfang der Woche geändert. Eine der neuen Passagen klingt so:

 

“Um standortbezogene Dienste auf Apple-Produkten anzubieten, können Apple und unsere Partner und Lizenznehmer präzise Standortdaten erheben, nutzen und weitergeben, einschließlich des geografischen Standorts Ihres Apple-Computers oder Geräts in Echtzeit. Diese Standortdaten werden in anonymisierter Weise erhoben, durch die Sie nicht persönlich identifiziert werden.”

Die Formulierung ist sehr schwammig. Der Nutzer bekommt keine Antwort auf die zentralen Fragen:

  • Welche Daten erfasst Apple genau?
  • Wie häufig werden diese Daten erfasst?
  • Wie lange werden diese Daten gespeichert?
  • Mit welchen anderen Daten werden die Informationen verknüpft?
  • Gibt Apple Partnern einzelne, pseudonymisierte (Name wird durch eine individuelle aber anonyme Zeichenkette ersetzt) Datensätze weiter oder nur aggregierte Informationen?

Apple hat eine entsprechende Anfrage von SPIEGEL ONLINE bis zum Erscheinen dieses Artikels nicht beantwortet. Thomas Hoeren, Richter und Professor für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht in Münster, kritisiert die Gestaltung der Rechtstexte: “Apple erklärt nicht klar, welche Daten sie eigentlich speichern. Der Nutzer weiß nicht, was wie lange in Verbindung mit welchen anderen Informationen gespeichert wird und wie er widersprechen kann.”

Dabei hängt von den Details bei Speicherung und Anonymisierung ab, ob Apple überhaupt so vorgehen darf. In Deutschland müssen Unternehmen bei allen Daten, die personenbezogen sind, das Datenschutzrecht befolgen. Das schreibt zum Beispiel vor, dass die Verbraucher genau aufgeklärt werden müssen, dass sie bestimmten Nutzungsarten ausdrücklich zustimmen müssen und nicht einfach so nebenbei per Nutzung eines Dienstes oder der Installation eines Programms.

Experten zweifeln an Apples Anonymisierungsversprechen

Apple schreibt in der Datenschutzerklärung, man erhebe “präzise Standortdaten” in “anonymisierter Weise”. Nach deutschem Datenschutzrecht gelten aber nicht alle anonymisierten Daten automatisch als nicht-personenbezogen. Es gibt Ausnahmefälle, bei denen man allein an Standort und Zeitpunkt erkennen kann, wer da war und zu wem der anonymisierte Datensatz gehört (abgelegene Häuser zum Beispiel). Außerdem gilt: Je größer die Bewegungsprofil-Datensätze sind, desto leichter kann man die Identität des Nutzers rekonstruieren. Wenn nur Name oder Gerätenummer durch Pseudonyme ausgetauscht werden, lässt sich anhand der Bewegungsmuster schnell herausfinden, wo der Nutzer arbeitet, lebt, wann und wo er Urlaub macht – das kann genügen, um einen Namen zuzuordnen.

Es hängt also davon ab, wie und wie lange da was gespeichert wird, ob Daten nun personenbezogen sind oder nicht. Datenschützer zweifeln die Aussagen des US-Konzerns an, man speichere nur anonyme Daten: Marit Hansen, stellvertretende Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein erkennt in der Apple-Datenschutzerklärung “einige Hinweise darauf, dass die von Apple erhobenen Daten nach deutschem Recht sehr wohl als personenbezogen gelten”. Ihre Anhaltspunkte: “Da ist von präzisen Standortdaten und Geräteidentifikationsmerkmalen die Rede. Wir nehmen an, dass Apple hier anders als behauptet personenbezogene Daten erfasst.”

Datenschützer verlangen Einblick in die Standortdatenbank

Um das zu prüfen, verlangt Hansen Einblick in die Apple-Daten: “Das Unternehmen muss deutschen Datenschutzbehörden genau über Art und Umfang der Erhebung und Auswertung Auskunft geben, damit wir beurteilen können, ob das Datenschutzrecht greift.” So wie die Nutzerinformationen derzeit gestaltet seien, werde nicht transparent, “welche Daten wozu erhoben werden”.

Falls die von Apple gesammelten Positionsdaten in Deutschland als personenbezogen gelten, muss das Unternehmen das Verfahren zur Zustimmung und die Information der Nutzer völlig umgestalten. Jurist Hoeren erklärt: “Dann kann das Unternehmen nicht einfach so die Bewegungsprofile aller Geräte erfassen, bis die Besitzer irgendwann widersprechen. Da müssten die Nutzer vorab ausdrücklich zustimmen.”

Apple wird dem eigenen Anspruch nicht gerecht

In Apples Datenschutzerklärung fehlt bei den Informationen zu den Standortdaten jeder Hinweis auf eine Möglichkeit, dieser Nutzung zu widersprechen. Besitzer eines iPhones finden allerdings in der aktuellen Version des Betriebssystems eine Option, um “Ortungsdienste” abzuschalten. Allerdings ist dort nur von der Positionsbestimmung in Bezug auf einzelne Anwendungen die Rede (“Die nachfolgenden Apps dürfen ihren ungefähren Standort ermitteln”). Schaltet man hier nur Ortungsdienste für Apps ab? Oder auch die Erfassung anonymisierter Positionsdaten durch Apple für Werbezwecke?

Außerdem bietet Apple eine sogenannte Opt-out-Seite für die Werbeplattform iAd an. Wer mit einem iPad oder iPhone mit dem neuen Betriebssystem iOS4 eine bestimmte Seite aufruft, soll damit automatisch der Speicherung bestimmter Daten widersprechen. Allerdings scheinen die Standortinformationen nicht damit gemeint zu sein. Datenschützerin Hansen bemängelt die Widerspruchsmöglichkeiten: “Die Nutzer erfahren von Apple nicht einmal, ob sie nun der Erfassung ihrer Positionsdaten widersprechen können oder nicht, und worauf sich die angebotene Opt-Out-Seite überhaupt bezieht.”

Die englischsprachige Anleitung für diese Widerspruchsseite wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet. Da ist von Positionsdaten keine Rede. Sehr wohl aber von Interessenprofilen:

 

“Apple und seine Partner nutzen Cookies und andere Technologien bei Mobilwerbung, um die Anzahl der Einblendungen einer bestimmten Anzeige zu kontrollieren, um Ihnen Anzeigen zu zeigen, die Ihren Interessen entsprechen, und um die Effektivität von Anzeigenkampagnen zu messen.”

Erstellt Apple tatsächlich Interessenprofile? Auf Basis welcher Daten? Im besten Fall nutzt das Unternehmen tatsächlich anonyme Nutzungsdaten bestimmter Anwendungen, ähnlich wie Google es tut. Denn Werbekunden interessiert ja gar nicht so sehr, wie jemand heißt. Sie wollen ihre Anzeigen vor allem Menschen zeigen, bei denen die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie ein bestimmtes Produkt kaufen.

Trotzdem wird Apple mit der verwirrenden Informationspolitik zum Datenschutz dem eigenen Anspruch nicht gerecht. “Lass die Nutzer genau wissen, was du mit ihren Daten tust”: Von Jobs’ Credo ist die Datenschutzerklärung seines Unternehmens weit entfernt.

{jumi [*5]}

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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