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Umstrittene Spiele-Zusatzsoftware: Electronic Arts erklärt, was Origin tut (Spiegel Online, 3.11.2011)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
3 minuten gelesen

Electronic Arts

Spiele-Gigant will Kunden ausspionieren

Keine Online-Durchsuchung, keine Rasterfahndung nach Raubkopien: Der Spieelehersteller Electronic Arts erklärt, was das umstrittene Zusatzprogramm Origin auf Kunden-Computern wirklich tut – laut EA weniger als die Nutzungsbedingungen erlauben. Trotzdem überprüfen Techniker die Software.

SPIEGEL ONLINE, 3.11.2011

{jumi [*3]}

Kunden des Computerspiel-Konzerns Electronic Arts (EA) haben einen schlimmen Verdacht: EA fragt Dateien auf ihrer Festplatte ab – auch persönliche Dokumente. Nachdem die Firma ihre Nutzungsbedingungen geändert hat und sich nun nicht mehr ganz so weitreichende Zugriffsrechte einräumt, untersuchten einige Spieler das umstrittene EA-Kontrollprogramm Origin, das bei PC-Spielen Lizenzen prüft, Updates und Download-Spiele installiert.

Am Wochenende veröffentlichten einige die Ergebnisse ihrer Untersuchungen: Einem Nutzer zufolge durchsuchte Origin bei ihm auch das Verzeichnis eines Programms für die Steuererklärung. Ein anderer Nutzer dokumentiert in einem Screenshot, dass Origin Backups seines Handys auf der Festplatte durchsuchte und Dateien mit Telefonbuchkontakten und Kalendereinträgen scannte.

Nun äußert sich das Unternehmen zu diesen Beobachtungen. Greg Schaefer, Technikchef für Online-Dienste von EA beteuert gegenüber SPIEGEL ONLINE: “Die Origin-Software scannt beim Start nicht selbst die Festplatte.” Der Eindruck entstehe, weil Analyseprogramme wie Microsofts “Process Monitor” eine Anfrage der Origin-Software an das Windows-Betriebssystem als Aktivität des EA-Programms darstellen.

Kontrollprogramm lässt Windows suchen

Schaefer beschreibt das Vorgehen des EA-Programms so: “Die Software bittet Windows, ihr bestimmte Zugriffsrechte auf Verzeichnisse im Ordner C:Program Data zu geben.” Dies sei notwendig, damit die Origin-Software neue Spiele und Aktualisierungen vorhandener Spiele in Unterverzeichnissen in dem Program-Data-Ordner installieren kann.

Laut Schaefer arbeitet Windows diese Anfrage der Origin-Software nach Zugriffsrechten so ab: Das Betriebssystem geht alle Verzeichnisse im Program-Data-Verzeichnis durch, um die Ordner zu finden, in denen EA-Spiele installiert sind. Schaefer versichert: “Die Origin-Software sieht nicht, welche Verzeichnisse Windows durchgeht. Wir haben diese Information nicht, wir übermitteln diese Information nicht.”

Der Darstellung von EA zufolge fungiert Windows in dem Fall also wie ein Bürobote, der Akten im Archiv sucht. Das Betriebssystem liest als Bote im Auftrag der Origin-Software die Beschriftungen auf den Aktenordnern, schaut aber nicht in die Inhalte. Wenn das System eine der gesuchten Akten mit EA-Inhalten gefunden hat, markiert es sie, um beispielsweise die Installation von Aktualisierungen zu ermöglichen.

Da aber viele Anwendungen unter Windows auch das Verzeichnis C:Program Data nutzen, um in Unterverzeichnissen Dateien abzulegen, geht Windows im Rahmen der Anpassung der Zugriffsrechte auch diese Unterverzeichnisse anderer Software durch.

EA-Techniker prüfen Beschränkung der Origin-Software

Warum beschränkt EA die Anpassung von Zugriffsrechten nicht auf das Unterverzeichnis der Origin-Software? Das erklärt EA-Manager David DeMartini so: Einige der älteren Spiele, die man über den Origin-Onlinedienst kaufen und herunterladen kann, werden nicht direkt im Origin-Unterverzeichnis installiert, sondern direkt im Ordner ProgramData in einem eigenen Unterverzeichnis.

DeMartini zufolge erwägt EA aber derzeit eine Beschränkung der Zugriffe auf das Origin-Verzeichnis: “Wir prüfen derzeit, ob wir die Anfrage an Windows nicht auf den Unterordner C:Program Data>Origin beschränken können.” Bevor man die Origin-Software aber entsprechend umstelle, müsse die Firma sicher gehen, dass es dadurch nicht zu Problemen mit älteren Spielen komme. Daran arbeite EA derzeit.

Ein Abschnitt im neuen Origin-Lizenzvertrag weckt nach wie vor das Misstrauen von EA-Kunden. In dem Dokument heißt es: “Sie bestätigen und stimmen zu, dass die Anwendung automatisch Lizenzrechte für einige oder alle EA-Produkte prüfen kann, ohne Sie separat darüber zu benachrichtigen.”

Kontrollsoftware sucht nicht generell nach Raubkopien

Dieser Formulierung zufolge könnte das EA-Kontrollprogramm unabhängig vom Start eines Spiels die Lizenzrechte für alle EA-Titel auf der Festplatte des Kunden prüfen. EA-Technikchef Schaefer bestreitet, dass die Origin-Software in dieser Form Lizenzrechte prüft, also nach Raubkopien sucht.

Schaefer zufolge funktioniert das Prüfverfahren so: Kauft ein Kunde ein EA-Spiel, legt die Origin-Software eine Lizenzdatei einem bestimmten Verzeichnis auf dem Computer des Spielers ab. Wenn der Kunde das Spiel startet, prüft die Origin-Software diese Lizenzdatei. Schaefer: “Wenn die Datei fehlt, startet das Spiel nicht. Die Origin-Software prüft niemals unabhängig vom Start eines Spiels, ob Lizenzdateien für alle installierten EA-Spiele vorhanden sind.”

Schaefer zufolge prüft die Origin-Software nie generell alle Lizenzen: “Das geschieht nur beim Start eines Spiels und dann nur für dieses konkrete Spiel.”

In Online-Foren kursiert seit einigen Tagen eine von Hackern modifizierte Variante einer Datei des EA-Spiels “Battlefield 3”, die es Käufern des Spiels angeblich ermöglichen soll, die PC-Version zu spielen, ohne dass die Origin-Software läuft.

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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