Videospielmesse E3: Neue Wii, neues Glück (Spiegel Online, 6.6.2011)
Videospielmesse E3
Neue Wii, neues Glück
Riesige Budgets, gigantische Werbeausgaben: Auf der Videospielmesse E3 werden Sony und Nintendo ihre neuen Konsolen zeigen. Touchscreens, 3D und schnelle Prozessoren – eine Vorschau auf die Woche der Games.
Spiegel Online, 6.6.2011
{jumi [*3]}
Es ist die Messe der Gigantomanie: Ein Spielstudio hat die Außenwand eines Hotels für Werbung gemietet, gerade noch in Sichtweite des Haupteingangs zur Videospielmesse Electronic Entertainment Expo (E3) in Los Angeles. Ein gutes Dutzend Etagen hoch ist das Plakat – ein gepanzerter Kämpfer, den Mund zum Schrei geöffnet, die rechte Hand am Schwert schaut auf das Grammy Museum und die Messe dahinter hinab. Der Mann in Rüstung wirbt für das Rollenspiel “Elder Scrolls V”. Es soll im November erscheinen, als Blockbuster angelegt wie sehr viele große Titel auf dieser Messe: riesiges Budget, hohe Werbeausgaben.
Spiele wie “Elder Scrolls V” müssen sich schätzungsweise eine Million Mal verkaufen, bis die Ausgaben für Entwicklung und Marketing wieder eingespielt sind. Deshalb sind Spielkonsolen für die auf der E3 vertretene Branche so wichtig: Für Konsolenspiele geben Menschen weltweit immer noch mehr Geld aus als für alle anderen Plattformen. Die britische Investmentfirma Digi Capitalschätzt, dass es 2010 weltweit ungefähr 30 Milliarden Dollar gewesen sind. Das ist etwa so viel, wie im selben Jahr PC-, Smartphone-, Online- und Browserspiele zusammen eingebracht haben.
Weil der Markt so lukrativ ist, beginnt auf dieser E3 wieder einmal ein Konsolenwettkampf. Der derzeitige Marktführer Nintendo hat schon vorab angekündigt, in Los Angeles eine spielbare Version des Wii-Nachfolgers vorzuführen. Irgendwann 2012 soll die nächste Konsole dann in den Handel kommen, die bislang nur unter dem Arbeitstitel Project Café bekannt ist.
Es geht bei der E3 in diesem Jahr also nicht nur darum, den lukrativen Konsolenmarkt neu zu verteilen. Es geht auch um die Bedeutung der Blockbuster-Branche überhaupt: Kostenlose Onlinespiele werden immer schicker, ein iPhone genügt vielen als Spielgerät für unterwegs. Analysten erwarten bis 2014 Stagnation bei Konsolenumsätzen – die Einnahmen mit Online- und Mobilspielen sollen sich hingegen weltweit auf 44 Milliarden fast verdoppeln.
Neue Konsolen von Nintendo und Sony, Lichtschwerter bei Microsoft – eine Vorschau auf die Videospielmesse E3.
Klar ist bislang nur, dass Nintendo auf der E3 eine neue Spielkonsole vorführen wird und zwar am Dienstag (die Pressekonferenz beginnt um 18 Uhr deutscher Zeit). Wie diese Konsole heißen und vor allem wie sie aussehen wird, ist Gegenstand vieler Gerüchte. Relativ sicher scheint, dass die neue Konsole eine höhere Auflösung liefern wird. Die Wii ist da mit 576 sichtbaren Zeilen (576i-Standard) der HD-Auflösung von Xbox 360 und Playstation 3 (bis zu 1080p) unterlegen.
Ansonsten kreisen die Gerüchte zur neuen Nintendo-Konsole vor allem um Details, die eher Hardcore-Spieler als Gelegenheits-Gamer begeistern dürften. So soll die neue Nintendo-Konsole schneller als die Xbox 360 und die Playstation 3 sein. Die neue Softwareumgebung soll die Portierung von Spielen, die für die Konkurrenz-Konsolen entwickelt wurden, erheblich vereinfachen. Wenn das alles stimmt, könnten auf Nintendos nächster Konsole auch Blockbuster-Spiele wie “Crysis 2” laufen, die Vielspieler begeistern und deren spektakuläre Grafik sehr leistungshungrig ist.
Die Gerüchte über den Controller der neuen Konsole sind interessanter: Angeblich soll ein Touchscreen integriert sein, angeblich soll er sich je nach dargestellter Oberfläche unterschiedlich anfühlen – Holz rau, Metall glatt. Völlig abwegig sind diese Spekulationen nicht, Anfang des Jahres hat Disney Research den Prototypen seines Touchscreens namens “TeslaTouch” vorgestellt, der genau das leistet. Die Frage ist allerdings, ob diese Technik bis 2012 serienreif und bezahlbar ist. Spekuliert wird auch, ob Nintendos neue Konsole nicht den vor Jahren angekündigten “Vitality Sensor” beinhaltet. 2009 zeigte Nintendo auf der E3 einen Sensor, der zum Beispiel den Puls des Spielers misst, damit die Spielwelt darauf reagieren kann. Seit dieser Vorführung hat man nicht viel über den “Vitality Sensor” gehört. Mittlerweile hat das Softwarehaus Ubisoft ein ähnlich wirkendes Stück Hardware vorgestellt, das allerdings ebenfalls noch nicht im Handel erhältlich ist.
“Die Zukunft der Handhelds” verspricht Sony für seine E3-Vorstellung am Montag in Los Angeles. In Deutschland wird es zwei Uhr morgens am Dienstag sein, wenn der japanische Elektronikkonzern mit der Vorstellung seiner Neuentwicklungen loslegt. Sicher ist, dass es neue Details zur mobilen Spielkonsole geben wird, die Sony noch in diesem Jahr verkaufen will. Im Januar hatte der Konzern die Konsole unter dem Arbeitstitel NGP (next generation portable) vorgestellt.
Bekannt ist bislang nur, dass die NGP jede Menge Highend-Technik bieten soll: Ein berührungsempfindliches Amoled-Display mit hoher Kontraststärke und beachtlicher Bildschirmauflösung (960 x 544 Pixel), ein Multitouch-Pad auf der Rückseite, zwei Kameras, Bewegungssensoren und, und, und. Die Ausstattung zeigt: Diese Konsole richtet sich eher an Vielspieler, die unterwegs nicht mit iPhone-Games zufrieden sind, sondern etwas wollen, das ein wenig so aussieht wie die Konsolentitel daheim.
Auf der E3 wird Sony wahrscheinlich Preise, Verkaufstermine und den Namen der neuen Hosentaschen-Playstation verraten. Interessant ist die Frage, ob Sony dem Gerät so etwas wie einen App Store für Drittanbieter verpasst – schließlich soll es auch eine Mobilfunkversion der Konsole geben. Warum sollte man die nicht wie iPhone und Android-Handys auch um nützliche Programme für unterwegs erweitern können?
Es sieht nicht danach aus, dass Microsoft am Montagabend (18.30 Uhr deutscher Zeit) auf der E3-Veranstaltung spektakuläre Neuheiten für die Xbox 360 verkünden wird. Auf der Microsoft-Website zur Messe ist von der “Zukunft der Unterhaltung” die Rede. Vielleicht stehen Spiele gar nicht im Mittelpunkt? Ende Mai hat ein Microsoft-Manager im Firmenblog unter dem Titel “That’s entertainment” stolz aufgezählt, dass die Xbox 360 gar nicht mehr nur zum Spielen da ist: 40 Prozent der Xbox-Nutzung entfalle inzwischen auf alles andere als Spiele, so würden zum Beispiel im Durchschnitt pro Monat pro Xbox 30 Stunden Videomaterial abgerufen.
Das ist in den Vereinigten Staaten allerdings attraktiver als in Deutschland, denn dort können Xbox-Nutzer über ihre Konsole Serien bei Hulu, Sportübertragungen bei ESPN und Filme bei Netflix auf ihrem Fernseher ansehen. Im November berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, Microsoft verhandele mit einer Reihe von Fernsehanbietern über umfangreiche Programmpakete für die Xbox. Solche Gerüchte konnte man aber auch schon bei der E3 im vergangenen Jahr hören.
Vielleicht ergänzt Microsoft sein Konsolenfernsehen ja um ein paar neue Angebote – 3-D-TV womöglich? Die 3-D-Unterstützung ist bislang ein kleiner Nachteil der Xbox 360 gegenüber der Playstation 3: Die Microsoft-Konsole unterstützt nicht direkt die Umrechnung von Bildsignalen für Fernseher mit Tiefeneffekt. Es gibt zwar Spiele mit 3-D-Unterstützung für die Xbox 360 (“Crysis 2” und “Avatar” zum Beispiel), allerdings haben die Entwickler die 3-D-Ausgabe bei diesen Titeln vollständig in ihrem Code integriert. 3-D-Unterstützung durch die Konsole wie bei der Playstation 3 konnte dieses Ausdrucksmittel vielleicht etwas attraktiver für Entwickler machen.
Microsoft hat vor einem Jahr 3-D-Unterstützung in einer Pressemitteilung mit der Begründung abgetan, die Technik sei noch nicht verbreitet genug: “In drei Jahren werden in den Vereinigten Staaten 3-D-Fernseher einen Marktanteil von nur etwa fünf Prozent haben.” Vielleicht hat man bei Microsoft seine Meinung ja geändert.
Glaubt man dem kanadischen Moderator Geoff Keighley – ein Veteran der Spieleberichterstattung -, wird auf der Microsoft-Show mehr von dem im vorigen Jahr angekündigten Titel “Star Wars Kinect” zu sehen sein. Damals gab es nur ein Video – in diesem Jahr dann vielleicht Lichtschwert-Kämpfe auf der Bühne.
{jumi [*5]}