W-Lan-Erfassung: Apple nutzt iPhone-Besitzer als Umgebungsscanner (Spiegel, Online, 20.7.2010)
W-Lan-Erfassung
Apple nutzt iPhone-Besitzer als Umgebungsscanner
Transparenz sieht anders aus: Jahrelang hat Apple Millionen iPhones weltweit als W-Lan- und Mobilfunkmasten-Scanner benutzt – ohne seine Kunden zu informieren. Positionsdaten werden abgegriffen, unter anderem für lokalisierte Anzeigen. Erst auf Druck macht der Konzern die Praxis jetzt öffentlich.
Spiegel Online, 20.7.2010
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Wo immer Sie sich mit Ihrem iPhone befinden: Apple weiß im Zweifelsfall Bescheid. Der Konzern kann Ihre aktuellen Positionsdaten auf seinen Servern speichern. Anonymisiert, aber in Echtzeit. Seit einem Monat weiß man davon, seit Apple seine Datenschutzerklärung um den schwammigen Satz ergänzt hat, der Konzern könne anonymisiert “präzise Standortdaten erheben, nutzen und weitergeben”. Eine Formulierung, die Datenschützer alarmierte – und Fragen aufwarf: Warum speichert Apple die Positionsinformationen? Wie lange? Was passiert damit? “Kein Kommentar”, teilte der Konzern SPIEGEL ONLINE damals mit.
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Nun gibt es Antworten – in einem 13-seitigen Brief, den Apples Justiziar Bruce Sewell an zwei Abgeordnete des US-Abgeordnetenhauses geschickt hat.
Schon vor zwei Wochen gab Sewell den Parlamentariern Auskunft, jetzt hat die US-Nachrichtenseite Cnet das Dokument veröffentlicht. Das brisanteste Eingeständnis in dem Schreiben: Schon seit 2008 sammelt Apple mit Hilfe der Millionen iPhones weltweit Informationen über Mobilfunkmasten und drahtlose Netzwerke, sogenannte W-Lan-Hotspots. Der Konzern hat aus diesen Informationen eine eigene Datenbank aufgebaut. Seit April 2010 nutzt er diese, um eine wichtige Funktion des iPhones zu verbessern – nämlich ausgerechnet jene Positionsbestimmung, deren Informationen zugleich ausgebeutet werden.
Worum geht es technisch?
- Ein iPhone schickt seinen exakten, meist durch die Satellitenortung GPS festgestellten Standort an Apple.
- Außerdem übermittelt es die Signalstärken (= Entfernung) von W-Lan-Hotspots und Mobilfunkmasten in der Nähe – diese kann man jederzeit einfach messen.
- Dies wird mit vielen, vielen iPhones wiederholt.
- Danach kann man die exakten Positionen der W-Lan-Hotspots und der Mobilfunkmasten abschätzen.
- Und man kann die ungefähre Position jedes beliebigen Handys ermitteln – einzig anhand der Signalstärke der Hotspots und Mobilfunkmasten in seiner Nähe. Das ist praktisch, wenn die Satellitenortung per GPS gerade nicht funktioniert, kein direkter Kontakt zum Satelliten möglich ist oder zu lange dauert. Der Handy-Besitzer erfährt nicht, wie die zur Bestimmung genutzten W-Lan-Netzwerke heißen.
Apples Methode erinnert an die umstrittene W-Lan-Kartografie, mit der sich der Suchmaschinengigant Google viel Ärger eingehandelt hat – gerade in Deutschland. Google nutzte seine Street-View-Fahrzeuge, um W-Lan-Hotspots zu identifizieren. Apple nutzt die iPhones seiner Kunden. Beiden geht es um Datenbanken, in denen steht, an welchem Ort welches W-Lan-Signal gemessen wurde. Google hat sein Projekt inzwischen gestoppt – nachdem herausgekommen ist, dass die Street-View-Fahrzeuge versehentlich auch noch andere Daten miterfasst haben, unter anderem unzusammenhängende Bruchstücke von E-Mails. Steht Apple nun auch ein Aufstand von Datenschützern bevor?
Auch Nutzer von Mac-Computern sind betroffen
Apples Kunden dürften sich bisher wohl nicht bewusst gewesen sein, nebenbei eine Datenbank des Konzerns zu füttern. Auch Besitzer von Mac-Computern sind betroffen, wenn sie eine Ortungsfunktion ihres Rechners nutzen: Der Justiziar führt in seinem Schreiben aus, dass sowohl iPhone- als auch Mac-Besitzer die W-Lan-Kartografie abstellen können – wenngleich nicht einzeln, sondern nur zusammen mit allen anderen Ortungsfunktionen ihres Handys oder Computers. Nutzer des Betriebssystems Snow Leopard “können die Sammlung dieser Daten unterbinden, indem sie in den Systemeigenschaften unter Sicherheit die Ortungsfunktion deaktivieren”, schreibt Sewell. Und beim iPhone würden die Informationen nur erfasst, wenn die “Ortungsdienste” im Menü aktiviert sind.
Konkret werden Sewell zufolge im laufenden Betrieb folgende Informationen erhoben:
- Informationen über W-Lan-Hotspots in Reichweite des Geräts samt der MAC-Adresse – einer für jedes W-Lan-Gerät einmaligen Kennzeichnung -, der Verbindungsgeschwindigkeit und der Signalstärke. Apple speichert den Angaben zufolge weder den Netzwerknamen (SSID) noch die übertragenen Daten.
- Informationen über Mobilfunkmasten in der Nähe eines iPhones samt ID der Funkzelle, Signalstärke und dem Standort des Geräts.
- Die gesammelten Daten überträgt das Gerät alle zwölf Stunden an Apple, wenn eine verschlüsselte W-Lan-Verbindung aktiv ist. Sie werden laut Apple mit einer per Zufallsgenerator alle 24 Stunden neu erstellten Identifizierungsnummer versehen, so dass sie nicht zu einem bestimmten Gerät oder Nutzer zurückverfolgt werden können. Gespeichert würden sie dann in einer sicheren Datenbank, auf die nur Apple zurückgreifen könne.
Die Datensammlung dürfte den gleichen Umfang haben wie andere W-Lan-Kartografieprojekte, die seit Jahren ohne Beanstandung in Deutschland laufen – abgewickelt zum Beispiel vom Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen (Fraunhofer IIS) und dem Unternehmen Skyhook Wireless. Deutsche Gerichte haben zwar nicht abschließend geklärt, ob MAC-Adressen personenbezogene Daten sind, aber eine solche Auslegung wäre zumindest überraschend. Insofern ist der Datenschutz der W-Lan-Betreiber nicht das große Problem für Apple – die jahrelange Intransparenz für die Kunden des Konzerns ist es, die das Vorgehen befremdlich wirken lässt.
Steve Jobs selbst hat Anfang Juni auf der Technologiekonferenz D8 gefordert: “Datenschutz bedeutet, dass die Menschen verstehen, wofür sie sich anmelden.” Sein Credo: “Lass die Nutzer genau wissen, was du mit ihren Daten tust.”
Apple reagiert erst auf politischen Druck
Nun informiert Apple mehr als zwei Jahre nach Beginn der W-Lan-Kartografie nicht etwa die eigenen Kunden darüber, wofür ihre Geräte da benutzt wurden. Diese Details erfahren zwei US-Abgeordnete nach einer konkreten Anfrage. Und erst zwei Wochen nach Eingang des Schreibens spielte jemand es dem Internetdienst Cnet zu. Apple hielt es bisher nicht für notwendig, die eigenen Kunden über die Kartografiefunktion ihrer Telefone zu informieren.
Dabei ist durch Sewells Dokument nun klar, dass Apple die übertragenen Positionsdaten der Millionen iPhones noch anders nutzt – unter anderem fürs Ausliefern lokalisierter Anzeigen über das eigene Werbesystem iAd. Der Justiziar sichert eine Anonymisierung der Daten zu. Apple speichere nicht die Position der einzelnen Geräte, sondern ordne auf Basis der Koordinaten die Telefone einem Postleitzahlenbereich zu, schreibt er. Auf dieser Basis würden die Anzeigen lokalisiert. Laut Sewell können die Informationen außerdem “zum Beispiel dafür genutzt werden, Verkehrsmuster und -dichte in verschiedenen Regionen zu analysieren” – also für bessere Verkehrsprognosen.
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