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Web-Legende Rob Malda: Das Gesicht von Slashdot (Spiegel Online, 5.11.2007)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
5 minuten gelesen

Web-Legende Rob Malda

Das Gesicht von Slashdot

Er pflegte Blog-Sprache und Mitmach-Kultur, als das Netz noch statisch war. Vor zehn Jahren gründete der damals 21-jährige Linux-Fan Rob Malda das Programmiererforum Slashdot. Er sitzt immer noch oft am Computer, aber jetzt halbtags auf dem Sofa – der Über-Nerd ist Vater geworden.

Spiegel Online, 5.11.2007

Das beliebteste und älteste Programmiererforum im Netz begann vor zehn Jahren als Studentenscherz: Rob Malda saß damals, 1997, im Informatik-Trakt des Hope College im Nordosten der USA und suchte eine witzige Internetadresse. Er wollte einen eigenen Anlaufpunkt für seine Linux-Seiten, seine E-Mails und seine Versuche in Perl-Programmierung haben.

Malda erlaubte sich mit dem Namen einen Spaß: Slashdot, zu deutsch Schrägstrichpunkt, spielt auf die damalige Aussprache von Netzadressen an. 1997 sprach man die Schrägstriche, Doppelpunkte und Punkte mit – Maldas Adresse war ein Zungenbrecher.

Dieser absurde Humor, der persönliche Ton von Maldas Seite und seine Technikliebe zogen schon bald die Nerds – technikbegeisterte Computerfreaks – an. Malda erinnert sich in seinem Rückblick, wie er begeistert die Zugriffsprotokolle las: "IBM.com, Redhat.com – sogar Microsoft.com tauchten in den Logs auf – ich wusste, dass wir da etwas hatten." Das Erfolgsprinzip der Seite fasste Malda im Slogan zusammen: "News for Nerds. Stuff that Matters".

Welche Themen das sind, kann man beim Blick auf die fünf meistaufgerufenen Slashdot-Artikel des vergangenen Jahrzehnts sehen. Die Überschriften:

  • Quellcode von Windows 2000 & Windows NT 4 im Netz
  • Microsoft bittet Slashdot, Leserkommentare zu löschen
  • Google-Zugriffe bringen Website zum Absturz
  • Quellcode von Half Life 2 im Netz
  • DirecTVs geheimer Krieg gegen Hacker

Das klingt nach Techniknachrichten, doch ein bloßes News-Portal ist Slashdot sicher nicht. Malda hat von Anfang an sein Publikum einbezogen: Leser mailen Geschichten, Redakteure nehmen sie auf, Leser bewerten die Redakteursentscheidung, kommentieren Artikel – eine sehr frühe Anwendung des Mitmach-Prinzips, das heute fast alle Web-Angebote für sich reklamieren. Schon im ersten Jahr, erinnert sich Malda, war es "üblich, Hunderte von Kommentaren unter Geschichten zu sehen".

Slashdot wurde mit diesem Rezept so erfolgreich, dass Seite um Seite, die in einem Slashdot-Artikel verlinkt wurde, unter der Last des Ansturms neuer Leser zusammenbrach. Dieser "Slashdot-Effekt" ist zum gängigen Begriff im Netz geworden, hat sogar seit vielen Jahren einen eigenen, ausführlichen Wikipedia-Eintrag.

Slashdot liebt persönliche Insider-Witze

Prominent platzierte Leser-Kommentare, Nerd-Nachrichten, Mitmach-Funktionen – das hat Slashdot vorweggenommen, aber nicht erfunden. Was Slashdot 1997 einzigartig machte, war der sehr persönliche, manchmal kommentierende, oft krachledern-komische Ton der Seite.

Im ersten Jahr meldete Malda bisweilen sogar, dass es jetzt einige Stunden keine Nachrichten geben werde, weil er in einen Uni-Kurs müsse. Sein Slashdot-Name "CmdrTaco" ist ein Insider-Witz, bezieht sich auf das "schlechteste Restaurant für Geschäftsessen" namens Commander Taco aus einem Satirebuch namens "Konzernchef in 7 Tagen". Malda gelang es, mit diesem oft persönlichen Humor den Slashdot-Ton vorzugeben. Er schrieb 1997, wie heute erfolgreiche Blogs geschrieben sind, und entwickelte Slashdot zum Massen-Blog. Er ist ein Nerd wie die Leser, die Autoren und die Hauptfiguren der meisten Artikel von Slashdot.

Was einmalig an der Seite ist? Malda antwortet SPIEGEL ONLINE: "Ich hoffe, heute wie 1997, dass wir eine einzigartige Gruppe von Nerds mit ähnlichen Interessen sind. Für uns ist Technik lebensnotwendig wie Sauerstoff oder Wasser." Und: "Wir sorgen uns, was passiert, wenn immer größere und finanzstarke Firmeninteressen Technik dominieren."

Malda stellt seinen Heiratsantrag auf Slashdot

Wenn Malda die Slashdot-Leser beschreibt, spricht er auch in diesem bei ihm überhaupt nicht anbiedernden wir. Malda ist der Über-Nerd, er mag Anime-Filme, Computerspiele und hat anfangs sogar die komplette Software, mit der Slashdot läuft, selbst programmiert. Als er im Herbst 1998 die Uni beendete, konnte er "jede Minute meines Lebens Slashdot widmen", wie er schreibt.

20-Stunden-Schichten waren das damals und daran hat sich wenig geändert, bis Malda am Valentinstag 2002 seiner Freundin Kathleen einen Heiratsantrag machte – in einem Slashdot-Artikel, der so begann: "Ich wollte das auf die peinlichste Art tun – und hier, vor einer viertel Million Fremder, scheint es ein recht guter Weg zu sein." Eine Viertelstunde später kam Kathleens Antwort – per E-Mail. Betreff: "Ja."

Über die Jahre hinweg hat Slashdot zweimal den Besitzer gewechselt, aber Malda und Mitgründer Jeff Bates behielten immer die Kontrolle über die Seite. 1999 verkauften sie Slashdot zum ersten Mal an ein Linux-Medienhaus. Heute hat Slashdot neun Angestellte für Technik und Artikel. Malda kommentiert das lapidar – im Grunde genommen hätten einige Programmierer und Autoren einen Malda abgelöst, der als Einzelkämpfer 20 Stunden am Tag programmierte, moderierte und schrieb.

Das Slashdot-Team blieb immer in der US-Provinz

Slashdot hat den Boom und Crash der Web-Firmen recht unbeschadet überstanden – sicher auch, weil das Team klein und die Pläne nie zu groß wurden. Malda blieb mit seinem Kern-Team immer in Michigan, wo er aufgewachsen ist und studiert hat – weit, weit weg von San Francisco und New York. Sein Arbeitsalltag hat sich nicht gravierend verändert: Er liest noch immer jede Slashdot-Geschichte und viele Kommentare.

Er steht gegen halb acht auf, liest Artikeleinsendungen, schaltet bis mittags ein paar neue Geschichten online und chattet nebenher mit Autoren, Programmierern, anderen Slashdot-Mitarbeitern und arbeitet seine Mails ab. Und das verblüffend schnell, Fragen von SPIEGEL ONLINE beantwortete Malda in 37 Minuten mit einer E-Mail, die halb so lang ist wie dieser Artikel.

Malda über Nerds im Netz: "Wir waren zuerst hier"

Malda ist am Boden geblieben, er macht sein Ding und sorgt sich nicht allzu sehr um Konkurrenz wie die Technik-Nachrichtenseite Digg, die 2006 Slashdot bei den Nutzerzahlen abgehängt hat. Malda hält das für eine natürliche Entwicklung. Das Besondere an Slashdot sei die einmalige Nerd-Gemeinde. Malda: "Die wächst nicht so schnell wie das Netz – denn wir waren zuerst hier. Als wir in den Neunzigern ins Netz kamen, war es ein anderer Ort. Die Leute, die im aktuellen Jahrzehnt das Netz entdeckt haben, gehören zu anderen Bevölkerungsgruppen."

Sprich: Slashdot wächst nicht mehr rapide, weil die Seite etwas Besonderes ist – und würde sie rapide wachsen, wäre sie nichts Besonderes mehr. Bahnbrechende Innovationen hat man auf Slashdot schon länger nicht mehr gesehen, die Seite funktioniert – wie Malda zugibt – im Prinzip wie vor zehn Jahren. Eine gut gepflegte Marke, die einmal sehr populär war, es bei den Nerd der Anfangszeit noch ist und ihnen ein heimeliges Gefühl gibt, dass hier fast alles so ist wie damals.

Malda arbeitet noch immer sieben Tage die Woche an Slashdot – aber insgesamt nur noch 40 Stunden, wie er sagt. Und die Hälfte dieser Zeit sitzt er nicht im Büro, sondern daheim, auf dem Sofa. Im August hat er sich sogar zwei Wochen freigenommen: Da kam Maldas und Kathleens Sohn Zacharias zur Welt.

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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