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Web-Reklame: Firmen bekommen Werbebetrug auf Porno-Portalen nicht unter Kontrolle (SpOn, 20.5.2008)

Konrad Lischka
Konrad Lischka
14 minuten gelesen

Online-Reklame

Firmen bekommen Werbebetrug auf Porno-Portalen nicht unter Kontrolle

Werbung für seriöse Firmen in Raubkopieverzeichnissen und auf rechtswidrigen Porno-Portalen: Manche Unternehmen haben ihre Reklame nach einer SPIEGEL-ONLINE-Recherche entfernen lassen – doch viele werden des Problems nicht Herr. Schuld sind Betrugsversuche in undurchsichtigen Anzeigennetzen.

Spiegel Online, 20.5.2008

Dieses Angebot ist eindeutig. Die Macher der laut Selbstdarstellung "besten deutschen Streamseite im Netz" versprechen Besuchern: "Momentan haben wir um die 600 Movies online, es werden weitere täglich folgen." Und: "Da Ihr auf XXX-Streams steht, werden wir in den nächsten Tagen viele davon uppen." Auf Deutsch heißt das: Hier gibt es im Browser Raubkopien aktueller Kinofilme und Hardcore-Pornos ohne Altersprüfung zu sehen.

Dieses Angebot verstößt offenkundig gegen deutsches Recht. Und doch wird auf der Seite in sogenannten Layern (Einblendungen) Werbung für deutsche Unternehmen eingeblendet. Für den Musikshop Jamba zum Beispiel: Dessen Werbeslogan "10.000 Klingeltöne – Hol dir jetzt den Zugang!" steht neben einem Mitschnitt des Kinofilms "Iron Man", aber auch neben Hardcore-Pornos.

Jamba-Werbung neben Hardcore-Pornos

Wie kann das sein? Vor knapp zwei Wochen berichtete SPIEGEL ONLINE, dass auf zahlreichen zwielichtigen oder offensichtlich rechtswidrigen Web-Seiten (Raubkopie-Linkkataloge, Stream-Sammlungen aktueller Kinofilme, Pornografie für Erwachsene ohne Altersprüfung) Werbung für namhafte Unternehmen wie Karstadt, E-Plus, Premiere und auch Jamba läuft. Die betroffenen Firmen sprachen von Betrug, betonten, sie würden ein solches Werbeumfeld in den Geschäftsbedingungen ausschließen und rechtliche Maßnahmen gegen die Verstöße prüfen.

Eine Woche später prüfte SPIEGEL ONLINE am Donnerstag noch einmal die Werbung auf zwielichtigen Seiten. Ergebnis: Auf diversen Linksammlungen zu Raubkopie-Downloads und Streaming-Portalen mit Hardcore-Pornos und Kinofilmen wird für Unternehmen wie Jamba, Karstadt, Napster, SportScheck, TUIfly und Getmobile geworben.

Landgerichte machen Werbende haftbar

Werbeeinblendungen auf solchen Seiten könnten nach aktuellen, SPIEGEL ONLINE vorliegenden Gerichtsentscheidungen für die Unternehmen problematisch werden. Der Interessenverband des Video- und Medienfachhandels (IVD) hat entsprechende einstweilige Verfügungen erwirkt:

  • Das Landgericht München I verbot Anfang des Monats Kabel Deutschland, Werbeschaltungen auf Internet-Seiten, "die jugendgefährdende Filme (…), indizierte Filme, und/oder (…) schwer jugendgefährdende Filme, ohne sie gegen Zugang durch Minderjährige abzusichern, zum Herunterladen anbieten." Kabel-Deutschland-Sprecher Marco Gassen erklärt dazu: "Wir werden uns gegen die Einstweilige Verfügung wehren und die Angelegenheit detailliert gerichtlich überprüfen lassen." (AZ 1HK O 7351/08)

  • Bereits Anfang des Jahres hat das Landgericht Frankfurt entschieden, dass ein Unternehmen, das Werbung auf einer Internet-Plattform schaltet, auf der überwiegend urheberrechtswidrige oder jugendgefährdende Werke zum Download angeboten werden, dafür abgemahnt werden kann.

In diesen Fällen hat der Videothekenverband wettbewerbsrechtlich argumentiert. Der IVD erkannte in den werbenden Unternehmen Mitstörer und in den Webangeboten unzulässigen Wettbewerb gegen Videotheken. Wenn sich diese Rechtsauffassung durchsetzt, drohen vielen Unternehmen unangenehme Konsequenzen – sie müssen entweder auf bestimmte Formen der Online-Werbung ganz verzichten oder einkalkulieren, für ein Werbeumfeld haftbar gemacht zu werden, das sie nicht kontrollieren.

Verantwortung für Werbeumfeld versickert in der Werbekette

Die Anzeigen sind über sogenannte Affiliate-Programme gelaufen, die im Kern digitalisierte Provisionsgeschäfte über viele Ebenen sind (siehe Kasten).

 
AFFILIATE-WEBUNG: SO FUNKTIONIEREN DIE REKLAME-PROGRAMME

Das GrundprinzipPartnerprogramme kann man sich als weit verzweigtes Röhrensystem vorstellen: Oben schüttet jemand Geld rein, es fließt, verzweigt sich – und selbst in die entlegensten Ecken des Netzes schwappen noch ein paar Euro. Die beworbenen Firmen haben mit den Betreibern der Seiten, auf denen die Werbung letztlich landet, fast nie direkt zu tun. Die Provisionen und Werbecodes werden über mehrere Ebenen verteilt. Die Verwertungskette sieht zum Beispiel so aus:

Werbende Unternehmen
Das Unternehmen legt Budgets, Ziele und generelle Regeln fest. Heute wird im Rahmen von Affiliate-Programmen kaum noch für Klicks bezahlt. Es zählt nicht, wie viele Internet-Nutzer von einem Angebot auf die beworbene Seite klicken, sondern allein, was sie dort kaufen. Die meisten Affiliate-Programme bezahlen heute für Verkäufe oder Vertragsabschlüsse – ein Provisionsgeschäft.

Die Agenturen
Einige Agenturen spezialisieren sich darauf, Firmen beim Affiliate- Marketing zu beraten. Sie suchen passende Partnerprogramme für die Werbenden, erstellen womöglich das Werbematerial, planen die Details.

Die Partnerprogramme
Große Dienstleister wie Zanox und Affili.net wickeln als Zwischenstelle Affiliate-Programme ab. Sie haben Partnerprogramme verschiedener Unternehmen im Angebot. Betreiber von Web-Seiten und -Netzen können sich daraus aussuchen, was sie auf ihren Seiten einbinden wollen. Wie viele Seiten bewerben sich für ein Programm? Ralf Hein, Geschäftsführer der auf Affiliate-Marketing und Keyword-Advertising spezialisierten Agentur Nonstopconsulting und Vorsitzender Arbeitskreis Affilliate-Marketing beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW): "Bei großen Affiliate-Programmen nehmen gern einmal 40.000 Partner teil, womöglich jeweils mit mehreren unterschiedlichen Web-Angeboten. Und täglich bewerben sich 50 bis 100 weitere."

Die Vermarkter
Manche Anbieter bündeln mehrere Seiten in einem Netzwerk. Bei ihnen könnten sich Seiten bewerben. Wenn der Vermarkter sie aufnimmt, vermarktet er die Seiten gesammelt über sein Konto bei Partnerprogrammen und teilt die anfallenden Provisionen mit den Seitenbetreibern.

Web-Angebote
Am Ende der Werbekette stehen die Betreiber der eigentlichen Web-Seiten. Darunter sind viele zehntausend Seiten, die für klassische Vermarkter von Online-Werbung zu klein sind. Ralf Hein vom Bundesverband Digitale Wirtschaft: "Sicher, das große Geschäft machen bei vielen Programmen die stärksten 30 Seiten. Aber der Anteil der kleinen ist nicht zu vernachlässigen." Man könne über ein Blog schmunzeln, das einem Unternehmen vielleicht einen Leser monatlich zum Geschäftsabschluss vermittelt. Aber, sagt Hein: "Wenn man 1000 solcher Seiten hat, ist das interessant für Firmen." Und vor allem: "Wenn sich ein Partner neu anmeldet, weiß das Netzwerk nicht, wie groß der ist oder werden könnte. Das zeigt sich in der Praxis.“

 

So sind die Anzeigen ohne Wissen und offenbar gegen den Willen der beworbenen Firmen auf den zwielichtigen – und von deutschen Surfern offensichtlich gut besuchten – Angeboten gelandet. Zum Beispiel:
  • SportScheck mit dem Slogan "Sonderangebote Frauen" neben Hardcore-Pornografie
  • TUIfly auf einem Linkverzeichnis zu Downloads von Film-, Musik- und Software-Raubkopien
  • Jamba und Napster auf einer Seite mit Streams von Hardcore-Pornografie und aktuellen Kinofilmen
  • Getmobile und Karstadt auf einer Seite mit Streams aktueller Kinofilme, zum Beispiel "No Country for Old Men"
Versucht man in der langen Kette von Unternehmen, Agenturen, Affiliate-Programmen, Vermarktern und Seitenbetreibern die Verantwortlichen zu finden, zeigt sich, wie komplex und undurchsichtig dieses Werbesystem derzeit ist.

Netzwerke, Vermarkter, Porno-Portale – SPIEGEL ONLINE dokumentiert Schritt für Schritt, wer für Werbung auf zwielichtigen Seiten verantwortlich ist:

Beworbene Firmen verweisen auf Partnerprogramme
 
Die Werbung des Klingeltonkonzerns Jamba fiel schon vor knapp zwei Wochen auf in Deutschland offensichtlich rechtswidrigen Web-Seiten auf. Dass nun wieder Jamba-Werbung auf solchen Angeboten zu sehen war, dafür macht das Unternehmen das Affiliate-Netzwerk verantwortlich. Jamba hat sich nun laut Firmensprecherin Juliane Walther "von dem angesprochenen Affiliate-Netzwerk nach intensiver Prüfung der Geschäftspraktiken" getrennt.

Auch die anderen betroffenen Unternehmen verweisen auf die Unternehmen, von denen sie ihre Affiliate-Programme abwickeln lassen (siehe Kasten unten). Das Unternehmen Napster hat eine entsprechende Anfrage von SPIEGEL ONLINE vom Donnerstag bislang nicht beantwortet.

 
REAKTIONEN: SO ERKLÄREN FIRMEN DIE WERBEPANNE

Karstadt
Das Unternehmen legt Budgets, Ziele und generelle Regeln fest. Heute wird iKarstadt-Sprecher Martin Schleinhege erklärt zurückhaltend: "Wir prüfen diesen Fall. Wir haben ein grundlegendes Interesse, in einem juristisch korrekten und seriösen Umfeld zu werben. Sollte ein Verstoß gegen unsere Vorgaben und AGB vorliegen, werden wir umgehend reagieren und die Werbung entfernen lassen." Die Karstadt-Werbung war auf einer Seite zu sehen, wo mit einem Mausklick im Browser Kopien von aktuellen Kinofilmen abrufbar sind. Für die Nutzer der Seite scheint die Illegalität des Angebots offensichtlich zu sein, in Kommentaren sind viele Sätze zu lesen wie: "Diese Seite ist eigentlich illegal, weil man hier ja auch Filme sehen kann, die noch nicht im Fernsehen liefen."

Sportscheck
Wie konnte das passieren? SportScheck hat auf den genannten Seiten aktiv keine Werbung geschaltet. Die Werbung wurde ohne unser Wissen und entgegen der über unsere AGB abgesicherten Grundsätze durch einen Partner aus unserem Affiliate-Programm geschaltet. SportScheck hat dabei einen Dienstleister eingeschaltet, der die Affiliate-Programme betreut. Bei den Affiliate-Programmen selbst registrieren sich einzelne Publisher (Partner). Diese Partner können nach Akzeptanz der AGB des jeweiligen Unternehmens die Werbemittel unter Einhaltung der AGB des Affiliate-Programms und der AGB des jeweiligen Unternehmens verwenden.
Wie prüfen Sie ein Online-Werbeumfeld? Wir schließen über die AGB der Netzwerke aus, dass unsere Affiliate-Netzwerke für uns Online-Werbung in Medien schalten, die pornografischen, illegalen, extremistisch politischen oder religiösen oder gewaltverherrlichten Inhalt verbreiten. Zusätzlich ist unser Dienstleister verpflichtet, die Partner sorgfältig nach diesen Kriterien zu überprüfen. Diese Partner verteilen die Werbung auf unterschiedliche Web-Seiten. Wenn wir gewahr werden, dass ein Partner bei der Auswahl der Web-Seiten, auf denen er Werbung schaltet, gegen unsere AGB verstößt, lassen wir unseren Dienstleister diesen Partner unverzüglich sperren. Weiterhin behalten wir uns in solchen Fällen vor, juristische Schritte einzuleiten.
Konsequenzen? Der Partner wurde unverzüglich durch unseren Dienstleister gesperrt, ausstehende Provisionen werden aufgrund des Vertragsverstoßes nicht gezahlt. Der Partner wurde aufgefordert, alle Werbemittel die SportScheck darstellen, unverzüglich von sämtlichen Seiten, auf denen er sie geschaltet hatte, zu entfernen. Da die eingesetzten Werbemittel nicht bei uns gehostet werden, muss der Partner die Lösung selbst vornehmen. Unser Dienstleister wird mit Nachdruck unsere Aufforderung durchsetzen. Juristische Maßnahmen werden geprüft.

Jamba
Um weitere Missbrauchsfälle zu verhindern, blieb uns nach Festellen der Fruchtlosigkeit unserer Hinweise nur die Konsequenz, uns von dem von Ihnen angesprochenen Affiliate-Netzwerk nach intensiver Prüfung der Geschäftspraktiken zu trennen. Wie bereits beim letzten Mal dargestellt, gibt es einen vertraglich geregelten Kriterienkatalog, zu dessen Prüfung und Einhaltung sich unsere Affiliate-Partner verpflichten, um unsere Werbung auf ihrer Seite plazieren zu dürfen. Das Werben für Jamba und dessen Produkte auf Seiten mit anstößigem Inhalt (u.a. pornografische, rassistische und Gewalt verherrlichende Inhalte) ist dabei ganz klar untersagt. Bei entsprechenden Hinweisen auf einen Verstoß gegen diese Vorgaben – wie auch in diesem Fall – lassen wir die entsprechende Werbung umgehend entfernen und überprüfen darüber hinaus eingehend das entsprechende Affiliate-Netzwerk sowie dessen Geschäftspraktiken. Hält sich ein Partner trotz eindeutiger Mahnung nicht an die von uns vorgegebenen Richtlinien, beenden wir die Partnerschaft. Zu dieser Lösung sahen wir uns im betreffenden Fall gezwungen. Gleichzeitig hoffen wir, dass wir mit einer solchen Maßnahme auf die Affiliate-Netzwerke dahingehend einwirken können, ihre Kontrollen zu verbessern und uns eine "saubere" Plattform zu bieten.

Tuifly
Wie konnte das passieren? Einer unserer zahlreichen Affiliate-Werbe-Partner hat seinen Link neben seiner für das Affiliate-Programm angemeldeten Seite zusätzlich auf einer weiteren, nicht zugelassenen, Seite mit expliziten Inhalten ausliefern lassen. Dies ist ein Verstoß gegen unsere Affiliate-Richtlinien.
Wie prüfen Sie ein Online-Werbeumfeld? Unsere Richtlinien besagen, dass TUIfly auf keinen Seiten, die Urherberrechte verletzen, allein schon leicht erotische Inhalte anbieten oder politische oder weltanschauliche Themen redaktionell aufgreifen, beworben werden darf. Diese Richtlinien wurden im vorliegenden Fall missachtet.
Konsequenzen? Vertriebspartner, die diese Richtlinien missachten, werden vom TUIfly-Affiliate Programm ausgeschlossen, etwaige Buchungen, die über die Auslieferung von TUIfly-Werbemitteln auf den unzulässigen Seiten resultieren könnten, werden dem betroffenen Affiliate nicht vergütet. Wir behalten uns zudem Schadenersatzforderungen gegenüber vertragsbrüchigen Affiliates vor.

Getmobile
Wie konnte das passieren? Wie viele größere Unternehmen ist die Firma Getmobile auch im Affiliate-Bereich tätig. Wir sind Partner mehrerer Netzwerke. Die Funktion eines Affiliate Netzwerkes sieht es vor, dass sich jeder Web-Seiten-Betreiber für das Getmobile Partnerprogramm bewerben kann. Innerhalb dieses Bewerbungsprozesses muss der Interessent seinen Namen und seine Web-Seite angeben. Diese Angaben werden von unserem Affiliate-Manager sorgfältig geprüft und nur dann freigegeben, wenn keine illegalen, gewalt verherrlichenden oder sexuellen Inhalte erkennbar sind. Die Problematik entsteht in dem Moment, wenn sich ein Affiliate mit Web-Seiten bewirbt, die oben genannten Anforderungen entsprechen, von uns freigegeben wird, und dann unsere Werbemittel auf illegalen Web-Seiten einsetzt. Die Betreiber solcher Web-Seiten sind nur schwer ausfindig zu machen, und noch schwieriger wird es, daraus die Verbindung zu einem unserer 9000 Affiliates herzustellen.
Konsequenzen? Wann immer Getmobile Werbung Affiliate-Werbung innerhalb unseriöser Web-Auftritte entdeckt, wird mit allen Mitteln versucht, den entsprechenden Affiliate ausfindig zu machen. Die Konsequenzen für unautorisierten Einsatz unserer Werbemittel bedeuten einen sofortigen Ausschluss aus dem Getmobile-Affiliate-Programm und eine Information an den Netzwerkbetreiber.
Wie prüfen Sie ein Online-Werbeumfeld? Die Affiliate-AGBs der Getmobile AG untersagen ausdrücklich den Einsatz unserer Werbemittel auf unseriösen Web-Seiten. Generell erwarten wir von einem gut aufgestellten Netzwerk, dass den schwarzen Schafen unter den Affiliates erst gar kein Zugang zum Netzwerk genehmigt wird. Maßnahmen zur Vorbeugung sind sehr eingeschränkt, da zum Bewerbungszeitpunkt leider nur Name und Web-Seite des Affiliates bekannt sind (was im übrigen ja auch mit den Erfolg des Affiliate-Marketings ausmacht – sprich: jeder noch so kleine Web-Seiten-Betreiber darf werben, solange die Inhalte seiner Web-Seite seriös sind). Doch das Internet ist immer noch ein sehr flexibles Medium und die Möglichkeiten für automatische Kontrollmechanismen sind eingeschränkt. Daher kann es leider ab und an vorkommen, dass unsere Affiliate-Werbemittel unautorisiert eingesetzt werden.

 

Anders als die übrigen betroffenen Firmen, greift TUIfly scharf und namentlich das für die Abwicklung des Partnerprogramms verantwortliche Unternehmen an. TUIfly-Sprecher Herbert Euler: "Hier offenbart sich eine Schwachstelle des Affiliate-Systems, deren Lösung aus unserer Sicht von den Affiliate-Netzwerkbetreibern nicht konsequent vorangetrieben wird."

Konkret bemängelt TUIfly beim Dienstleister: "Automatismen zur Früherkennung von ‘Rule-Breakern’ werden nicht angeboten und aus unserer Sicht eine Lösung des Problems von den Affiliate-Netzwerken, im vorliegenden Fall Zanox nicht aktiv vorangetrieben."

Affiliate-Netzwerke verweisen auf Vermarkter

Zur Kritik von TUIfly erklärt Zanox-Manager Christoph Kiebeler, man prüfe als Affiliate-Netzwerk die Seiten von Publishern, die sich für Werbeprogramme bewerben, und genehmige Werbemittel dann nur für diese Seiten. Aber: "Leider ist es dem Publisher technisch durchaus möglich, die Werbemittel auch auf anderen Werbeflächen einzubinden.

WERBENETZWERK: SO REAGIERT ZANOX AUF DIE VORWÜRFE

Wie Konnte das passieren?
Mit entsprechender Kenntnis der Einbindungsverfahren ist es auch möglich diese Einbindung in einer Art und Weise zu verschleiern, dass dies nicht durch Zanox zu erkennen ist."

Welche Konsequenzen drohen Betrügern?
Publisher, die nachweislich Werbemittel in dieser Art einbinden, verstoßen in erheblichem Maße gegen die Teilnahmebedingungen des Zanox-Netzwerkes. In der Regel erfolgt hier die fristlose Kündigung der Kooperation und in besonders schweren Fällen als Teil einer Vertragsstrafe der Verlust sämtlicher erworbener Guthaben (Werbeprovisionen). Bei schweren Verstößen erfolgt eine vorläufige Sperrung innerhalb weniger Stunden nach dem Hinweis an unsere NetworkWatch-Abteilung. Hierdurch wird die Auslieferung der Werbemittel, die Funktion der Weiterleitungen und eine Provisionierung der Werbetätigkeit unterbrochen. In einzelnen minder schweren Fällen ist durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung des Publishers eine weitere Kooperation zur Bewährung möglich.

Wie prüfen Sie ein Werbeumfeld?
Neben den Teilnahmebedingungen, die nur in Deutschland legale Inhalte zulassen, verwenden Unternehmen darüber hinaus sogenannte ICRA-Filter, um Inhalte zu definieren, welche auf den Werbeseiten nicht erscheinen dürfen. Eine Registrierung für das Partnerprogramm ist dann nur für Publisher möglich, die sich ausdrücklich zur Einhaltung dieser Inhaltsbedingungen verpflichtet haben. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtungen stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Teilnahmebedingungen des Netzwerkes dar und führt in der Regel zur fristlosen Kündigung des Accounts. Auch hier droht in besonders schweren Fällen als Teil einer Vertragsstrafe der Verlust sämtlicher erworbener Guthaben (Werbeprovisionen). Zanox setzt verschiedene technische Möglichkeiten ein, um dafür zu sorgen, dass nur Werbeleistungen provisioniert werden, die über die bei uns registrierten und geprüften Werbeflächen erfolgt sind. Darüber hinaus prüft unser NetworkWatch-Team regelmäßig Statistiken auf Anomalien und geht Hinweisen von außen nach, um etwaige unerwünschte Werbeleistungen aufzuspüren und zu stoppen. Unser Support-Team steht 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche zur Annahme und Prüfung von Hinweisen zur Verfügung. Grundsätzlich ist es mit entsprechendem technischen Aufwand möglich, die Herkunft von Klicks und Verkäufen zu verschleiern oder zu fälschen. Vorsätzlicher Missbrauch der Werbemittel kann daher nie endgültig ausgeschlossen werden und ist in manchen Fällen erst durch Hinweise von außen aufzudecken.

 
Das Affiliate-Netzwerk Affili.net, über das vor knapp zwei Wochen auf einigen illegalen Seiten Werbung abgewickelt wurde, weist bei den aktuellen Vorfällen jede Schuld von sich. Einige der betroffenen Unternehmen seien gar keine Affili.net-Kunden, die anderen hätten diese Kampagnen über andere Netzwerke abgewickelt.

Man habe Konsequenzen aus den Vorfällen gezogen und die für die Verstöße verantwortlichen Netzwerke, die mehrere Web-Seiten vermarkten, ermahnt. Affili.net-Marketing-Chefin Sabine Haase: "Wir haben eine schriftliche Vereinbarung mit Layer-Ads geschlossen, die bei Verstoß gegen unsere AGBs eine empfindliche Konventionalstrafe, den sofortigen Ausschluss aus unserem Netzwerk sowie weitere rechtliche Schritte umfasst."

Vermarkternetzwerk Layer-Ads schweigt

Das von Affili.net genannte Unternehmen Layer-Ads will die Vorfälle nicht kommentieren. SPIEGEL ONLINE hatte die Firma schon vor zwei Wochen kontaktiert, weil viele der damals auf Porno-Seiten und Raubkopieverzeichnissen geschalteten Anzeigen scheinbar über diesen Vermarkter abgewickelt wurden. Fragen dazu ignorierte "Layer-Ads", ebenso eine erneute Anfrage zu neuen vergleichbaren Fällen.

Es kann sein, dass der Vermarkter Layer-Ads selbst von einigen Betreibern der in seinem Netzwerk gebündelten Seiten betrogen wurde. Die Betreiber könnten sich mit unproblematischen Seiten angemeldet und die Werbemittel später auf zwielichtigen Seiten genutzt haben. Natürlich ist es auch denkbar, dass das Unternehmen Layer-Ads die Besucher dieser reichweitenstarken, da in Deutschland rechtwidrigen Seiten einkalkuliert. Das Unternehmen sagt dazu nichts.

Das Fazit – Werbenetze kaum zu kontrollieren

Wer ist nun letztendlich dafür verantwortlich, dass auf Seiten mit Hardcore-Pornos und Raubkopien für seriöse Unternehmen geworben wird? Schwer zu sagen – in der Kette der Affiliate-Netzwerke ist jeder ein wenig verantwortlich, aber keiner so richtig. Eine absolut zuverlässige Vorab-Kontrolle scheint nicht möglich zu sein.

Nur: Auch wenn sich bei diesen Werbeprogrammen nur sehr wenige illegale unter viele legale Web-Seiten mischen, könnte das rechtlich riskant für die beworbenen Unternehmen sein.

Das grundlegende Problem erläutert Ralf Hein, Vorsitzender des Arbeitskreis Affiliate-Marketing beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW): "Das Prinzip des Affiliate-Marketings macht es unmöglich, dass Werbende jederzeit die totale Kontrolle und den absoluten Überblick über alle Seiten haben, auf denen ihre Werbemittel genutzt werden." Bei großen Affiliate-Programmen würden in der Regel 40.000 Partner teilnehmen, womöglich jeweils mit mehreren unterschiedlichen Web-Angeboten. Und täglich kämen 50 bis 100 Bewerber dazu. Hein: "Wenn ein Partner es auf Betrug anlegt, ist das vorab nicht zu erkennen."

Nur: Die Zahl der teilnehmenden Seiten lässt sich nicht reduzieren. Der Vorteil des Affiliate-Marketings ist ja gerade, dass es wie Schrotkugeln wirkt: Irgendeine Seite wird schon erfolgreich sein, man nimmt möglichst viele auf, bezahlt bei Erfolg. Die wenig erfolgreichen Seiten kosten also nichts. Wer Erfolg hat, weiß man vorab nicht.

Die Konsequenz daraus laut Marketing-Experte Hein: "Es gibt nicht die eine, einfache, effektive Maßnahme, die es unmöglich macht, dass sich unerwünschte Seiten in Netzwerken als Werbeplatz einschleichen. Allerdings muss man auch ganz klar sagen, dass solche Fälle äußerst selten auftreten und meist schnell erkannt und beseitigt werden."

Wenn sich aber die Rechtsauffassung der Landgerichte München und Frankfurt durchsetzt, könnte es bald vielleicht nicht mehr genügen, nachträglich Werbung zu beseitigen. Wenn ein Gericht einer Firma per einstweiliger Verfügung verbietet, neben Hardcore-Pornos und Raubkopieverzeichnissen zu werben, müssen die Unternehmen tätig werden.

Marketingexperte Hein hofft auf Abschreckung: "Bei Verstößen sollte mehr passieren, als dass die entsprechenden Partner nur vom Programm ausgeschlossen werden. Dass jemand in einem Musterprozess hier zum Beispiel einen empfindlich hohen Schadenersatzanspruch durchsetzt, das könnte den Regeln auch Geltung bei jenen verschaffen, wo heute der Regelbruch offenbar zum Geschäftsmodell gehört." 

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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