Web-Satire: Nachrichten aus der Computer-Hölle (Spiegel Online, 29.6.2008)
Web-Satire
Nachrichten aus der Computer-Hölle
Jobfrust kann so witzig sein: Auf IT-Seiten lassen Programmierer Ärger ab, wählen die hässlichsten Büros im Silicon Valley, die schrecklichsten Einstiegsjobs bei Yahoo, Google & Co. und lachen über die Vollidiotenchefs in Satire-Clips. Vorbild: das wahre Leben.
Spiegel Online, 29.6.2008
Alltag in einer IT-Firma: Der Computer-Administrator kämpft sich
durchs Ballerspiel "Halo", ein Anruf aus der Vertriebsabteilung reißt
ihn aus der Schlacht, ein Kollege nölt: "Die Web-Seite ist offline."
Der Admin ist abgelenkt, ein Schuss, seine Spielfigur stirbt:
"Verdammt!"
So beginnt ein satirisches
Web-Filmchen,
das IT-Blogs gerade als die witzigste – und wahrste – Satire seit
langem feiern. Regisseur Josh Weinberg aus Denver, der nebenbei bei
einer Firma für E-Mail-Filtertechnik arbeitet, hat sein Werk vor einer
Woche mit diesem Versprechen ins Netz gestellt: "Eine Mischung aus
wahren und fast-wahren Geschichten aus der IT-Hölle. Falls Sie je die
EDV angerufen haben und sich fragten, was die eigentlich da unten
machen – nun, das sollte einige Fragen beantworten."
Weinbergs Antworten sehen
so aus: Die EDVler spielen Halo, suchen nebenher auf Online-Jobseiten
neue Arbeitgeber und versuchen die Anfragen von Computer-Analphabeten
aus allen anderen Abteilungen ihrer Firma abzuwimmeln. Ein Dialog aus
"Sales Guy vs. Web Dude" (siehe Videofenster unten):
- Vertriebsmitarbeiter: "Die Web-Seite ist offline."
- EDVler: "Aber der Server läuft."
- Vertriebler: "Ich sehe aber nichts. Die Seite ist offline. Machen Sie etwas."
- EDVler: "Okay, ich starte den Server neu, das wird 15 Minuten dauern."
- Vertriebler: "Halt! Etwas ist passiert. Ich kann die Seite nicht mehr aufrufen."
- EDVler: "Moment, ich dachte, die war offline."
- Vertriebler: "Vielleicht habe ich das so nicht gemeint. Internet, Web oder wie das heißt, das war so langsam."
- EDVler: "Kennen Sie den Unterschied zwischen dem Internet und unserer Web-Seite?"
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In dem 10-Minuten-Clip fallen noch viele Sätze, die EDVler aus dem
Büroalltag kennen dürften. Sätze wie: "Meine Maus hat sich gerade
bewegt" oder "Ich habe diese E-Mail nicht bekommen."
Den Abrufzahlen und begeisterten Zuschauerkommentaren nach spricht
Weinbergs Film offensichtlich so manchem latent frustrierten EDVler aus
dem Herzen. Die Begeisterung im Blog zum Film klingt so:
- "Tränen in meinen Augen und denen aller in meinem Büro. Wir müssen das als Lehrvideo nutzen."
- "Oh mein Gott, ist das witzig. Ich fühle mit ihm, erlebe fast alles aus diesem Film."
- "Ich kann es nicht glauben, das ist in so vielen Punkten wahr. Ich
wünschte, die Leute würden es sehen wie wir – alle Macht den
Programmierern!"
Diese
Mischung aus Alltagsfrust und Verzweiflungs-Gags hat die Dilbert-Comics erfolgreich gemacht
Zentralcomputer hinter Toilettenräumen, Bürowürfel ohne Licht und
Chaos-Code – SPIEGEL ONLINE zeigt die besten Satiren über die
schlimmsten IT-Jobs.
Der Server-Raum hinterm Damenklo
US-Progammierer
Alex Papadimoulis
bloggt über Software-Entwicklung mit Microsofts .NET-Plattform und –
viel erfolgreicher – über die täglichen Niederlagen im
Progammiererleben. "The Daily WTF" heißt sein Blog. Eine Abkürzung für
"what the fuck" ("Was zur Hölle?") oder "Worse than failure" (Schlimmer
als Versagen). Passt beides, denn hier stehen "Geschichten von
desaströser Progammierung und spektakulär gescheiterten Projekten." So
die Missionsbeschreibung von "The Daily WTF".
Bei
den besten Geschichten von "The Daily WTF" zweifelt man, ob sie wahr
oder so gut erfunden sind, dass man sie für wahr halten könnte. Zum
Beispiel bei dieser Geschichte
von Systemadministratorin Jennifer Frickell: Ihr Arbeitgeber, erzählt
sie, zog im Bürogebäude eine Etage tiefer, der Server-Raum musste
allerdings in der alten Etage bleiben. Und damit die neuen Mieter
gestört werden, musste ein neuer Zugang zum Server-Raum gebaut werden.
Frickell: "Es gab nur ein Problem: Die einzige Wand, in der man die
neue Tür einbauen konnte, war die zum Behindertenklo in der
Damentoilette nebenan."
Zum Vergnügen der WTF-Leser zitiert Frickell noch die E-Mail der
Hausverwaltung, in der ein paar Regeln für den "Zugang zum Server-Raum"
aufgestellt werden. Diese zum Beispiel: "Es wird ein Schild an der Tür
der Damentoiletten hängen, das ‘offen’ oder ‘geschlossen’ anzeigen
kann. Sollten Sie den Server-Raum betreten müssen, hängen Sie das
Schild auf ‘geschlossen’ um."
"Wired" kürt das hässlichste EDVler-Büro
Die Nerd-Pflichtseite "Wired" hat im vorigen Herbst den ersten
Wettbewerb um das hässlichste Büro, beziehungsweise die hässlichste
Bürozelle (eine amerikanische Eigenart, konstruiert aus tragbaren,
halbhohen Stellwänden) gestartet. O-Ton: "Ist ihre Bürozelle seelenlos,
öde, schmutzig, winzig, düster oder deprimierend? Saugt sie die
Lebenskraft aus allen, die eintreten? Dann ist heute ein einziges Mal
Ihr Glückstag!"
Gewonnen hat David Gunnells, ein EDV-Mitarbeiter der University of Alabama in Birmingham.
Die Arbeitsplatzbeschreibung:
"Sein Schreibtisch ist von Aktenschränken ummauert, liegt in der Nähe
einer schlecht belüfteten Toilette und einer Mikrowelle." Gunnells
erinnert sich an einen Tag, als "ein Mitarbeiter Wels in der
Mikrowelle auftaute, während ein anderer die Toilette benutzte und
großzügig Raumspray versprühte. Herrlich!"
Schön, dass Gunnells einmal lachen konnte.
Die schrecklichsten Einstiegsjobs bei Google & Co.
Valleywag macht
seinem Ruf als Krawall- und Klatsch-Blog
(siehe Fotostrecke unten) des "Silicon Valley" mit dieser – leicht
satirischen – Serie alle Ehre: "Die zehn schrecklichsten Einstiegsjobs
der IT-Branche".
Valleywag hat sein Ranking ohne weitere Recherche auf Basis von Nutzerkommentaren erstellt.
Also Frust-Content pur:
- Service-Mitarbeiter bei Google?
Valleywag: "Ein Leser kennt sechs Angestellte, die jeden Tag weinen." - Systemadministrator bei Amazon?
Valleywag: "Mindestens 60 Prozent der Entwickler arbeiten in Bürozellen ohne ein Fenster auch nur in Sichtweite zu haben." - Buchhaltungspraktikant bei Yahoo?
Valleywag:
"Viel Verwirrung um Icahns Angriff und Microsofts Angebote. Wer
erledigt wohl den ganzen Papierkram? Geschätzter Verdienst: Zwölf
Dollar die Stunde."