Web-Tipp: Diese MacGyver-Tricks funktionieren (Spiegel Online, 10.10.2008)
Web-Tipp
Diese MacGyver-Tricks funktionieren
Er entschärft mit Büroklammern Atombomben und klebt Gleitdrachen aus Mülltüten – solche Tricks machten den Serienhelden MacGyver berühmt. Welche seiner Basteleien funktionieren, debattieren Tüftler heute in Wikipedia-Artikeln und Hacker-Magazinen – MacGyvers Erfinder macht mit.
Spiegel Online, 10.10.2008
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Serienheld Angus MacGyver mischt Salz, Zucker, Unkrautvernichter und
Batteriesäure zu Bomben, schließt den Zeitzünder eines Atomsprengkopfs
mit einer Büroklammer kurz und bastelt aus Kaugummiverpackungen
Fischköder. Gut 20 Jahre ist es her, dass die nach diesem meist bloß
mit einem Taschenmesser bewaffneten Helden benannte Serie erstmals im
Fernsehen lief.
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Da
gab es noch den Warschauer Pakt, und MacGyver war tatsächlich auch mal
in Ostberlin und Budapest als freiberuflicher Agent unterwegs. Diese
Geschichten sind längst vergessen, doch im Web debattieren heute noch
Experten engagiert, ob Tricks wie der mit der Büroklammer wirklich so
funktionieren.
Ein Web-Phänomen: Feinde, Handlung – längst vergessen. Aber die
Tricks werden von den Fans weiter im Netz verbreitet. MacGyverismus
statt MacGyver. Im englischsprachigen Web fällt ab und an der Begriff "
MacGyverism" oder gar das Verb "
macgyverize"
bei raffinierten technischen Improvisationen. Und Klebeband – neben
Taschenmessern eines der beliebtesten Werkzeuge des Serienhelden –
heißt manchmal schlicht "
MacGyver-Tape".
Alu-Müll fängt Fische
Ein schönes Beispiel für diesen MacGyverismus liefert Wikipedia: Der
Eintrag zur Serie
im englischsprachigen Angebot des Netzlexikons umfasst gut 33.000
Zeichen (und ist damit immerhin doppelt so lang wie etwa der zu Yves
Klein) – die " von MacGyver gelösten Probleme" allerdings beschreibt ein 68.000 Zeichen langer Artikel (doppelt so lang wie die aktuelle SPIEGEL-Titelgeschichte).
In knappen Worten erläutern die Autoren hier fast alle von MacGyver
in der Serie angewandten Tricks – von der Atombomben-Entschärfung bis
zum Fischköder aus Alu-Abfall.
Gerade weil dieser Wikipedia-Artikel so nüchtern-knapp geschrieben
ist, unterhält er ungemein. Zum Beispiel so: "Um seine Gegner aus dem
Gleichgewicht zu bringen, baut MacGyver Bomben aus Sumpfgas,
Bambusschösslingen und Matsch." An manchen Stellen thematisiert der
Wikipedia-Artikel auch die Realitätsnähe der beschriebenen
Hacker-Improvisationen.
Ein Wikipedia-Stück über alle MacGyver-Tricks
Dass MacGyver einen Hubschrauber mit einem an einen Jeep geknoteten
Metalllasso vom Himmel holt, sei nicht ernst zu nehmen: "Die Kraft
mancher Hubschrauber könnte ausreichen, um den Jeep in die Luft zu
haben – sofern nicht das Kabel wegen der enormen Kräfte reißt."
Im Diskussionsforum zu
dieser unpolierten Wikipedia-Perle
zeigt sich das Dilemma der Autoren des Mitmach-Lexikons bei diesem
Thema. Ein Kommentar: "Eigene Forschung zu Wikipedia-Artikeln ist nicht
erlaubt, wer aber externe Quellen findet, die etwas über die
Plausibilität eines MacGyversisms sagen, sollte sie zusammenfassen und
verlinken."
Eine dieser Quellen ist die US-Fernsehshow "Mythbusters", eine
US-Mischung aus Knoff-Hoff-Show und der "Zeit"-Kolumne "Stimmt’s?".
Jede Sendung prüft ein paar Allerweltsweisheiten im Praxistest. In der
100. Sendung in diesem Frühjahr stellten die Macher ein paar
MacGyver-Tricks diesem Alltagstext.
Schlösser mit Glühbirnen knacken
Ergebnis: Wasser und bestimmten Alkalimetalle ergeben tolle
Explosionen – aber mit der von MacGyver benutzten Menge lässt sich kein
Loch in eine Wand sprengen. Und ein selbstgebasteltes
Ultraleichtflugzeug aus Bambus, Klebeband, Müllbeuteln und einem
Betonmischer-Motor fliegt nicht besonders weit.
Ein paar Tricks konnten die Mythbusters-Macher im Selbstversuch
erfolgreich reproduzieren, wie Wikipedia-Autoren gerne dokumentieren:
Sie knackten ein Türschloss mit dem Draht einer Glühbirne, luden
mittels Batterien, Draht und Klebeband eine Büroklammer magnetisch auf
und nutzten sie dann als Kompass.
Ein Flugzeug aus Mülltüten
Das Experiment mit dem Bambus-Mülltütenflugzeug ist bei Mythbusters-Fans
umstritten.
Begründung eines Wortführers: "In der Folge ist die Klippe, an der
MacGyver es versucht, viel steiler, so dass Aufwinde entstehen können."
Die Kritiker fordern daher einen neuen Versuch – mit einem neuen
Fluggerät, an einem steileren Abhang.
Wen solche Debatten amüsieren, der wird die
Kolumne
des MacGyver-Erfinders Lee David Zlotoff im US-Kultmagazin der Hacker
und Handarbeiter, "Make", lieben: Jeden Monat schildert Zlotoff dort
eine ausweglose Situation, aus der sich die Leser mit einem möglichst
cleveren MacGyverism befreien sollen – in der Theorie natürlich. Aus
den Lesereinsendungen kürt Zlotoff dann im nächsten Heft die
kreativsten, plausibelsten und beschreibt, was er und MacGyver in
dieser Situation tun würden.
Einige Aufgaben der vorigen Monate:
- einen eingeklemmten Mann aus einer Erdspalte retten, die sich mit giftigem Gas füllt
- ein Erdbeben, eine Überschwemmung und einen verkaterten Nachbarn überleben
- in einem Auto, das nur noch drei Reifen hat, einen Angelfreund von einem abgelegenen Bach ins Krankenhaus bringen
Im aktuellen Heft
beschreibt
Zlotoff, wie man in seiner Waschküche eingesperrt zur
Selbstverteidigung gegen die Einbrecher draußen einen Elektroschocker
oder Giftgas herstellt.
Zlotoff wundert sich über die vielen Leser, die in ihren Vorschlägen
die Vorgabe ignorierten, dass das Mobiltelefon unerreichbar in der
Küche liegt und "erträumten, ein Bluetooth-Gerät sei alles, was sie
brauchen, um das Mobiltelefon in der Küche anzufunken und die Polizei
zu rufen". Zlotoffs Kommentar: "Sind wir so an diese erstaunlichen,
aber höllisch kleinen Geräte gebunden, dass wir uns gar nicht mehr
vorstellen könne, nicht mit ihnen verbunden zu sein?"
Solche Kritik ficht die technikbegeisterten MacGyver-Fans nicht an –
schließlich war der Serienheld einer der ersten mit einem Mobiltelefon
(das musste allerdings wegen der Größe im Auto bleiben). Und vor ein
paar Monaten, als über einen möglichen MacGyver-Kinofilm spekuliert
wurde, kürte das mobilfunkversessene Technik-Blog Gizmodo ihn zum "Notbehelf- und Gadget-Gott".
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